Die dänische Regierung hat eine stärkere Kontrolle von Ausländern beschlossen. Das betrifft auch den Grenzübergang bei Flensburg.

Kopenhagen/Berlin/Flensburg. Bereits in zwei bis drei Wochen wollen die dänischen Behörden erstmals wieder regelmäßig an den Grenzen zu Deutschland und Schweden Reisende kontrollieren. Ein Sprecher des Finanzministeriums in Kopenhagen bestätigte am Donnerstag, dass die entsprechenden Vorbereitungen bereits angelaufen seien.

Am Mittwoch hatte sich Finanzminister Claus Hjort Frederiksen auf die Wiedereinführung „permanenter Kontrollen“ mit der rechtspopulistischen DVP geeinigt. Dabei erklärte er, man werde „die ersten sichtbaren Resultate“ in zwei bis drei Wochen sehen. Neben Personenkontrollen durch Zöllner an wichtigen Grenzübergängen wollen die Dänen Kontrollgebäude neu errichten, elektronische Überwachungsanlagen installieren und die Hinterland-Überwachung sowie Kontrollen durch mobile Einsatzteams verstärken.

Damit enden zehn Jahre ohne Grenzkontrollen im Gefolge des Schengener EU-Vertrages. Frederiksen hatte bei der Bekanntgabe der neuen Regeln betont, dass Dänemark weiter Teil des Schengenraumes bleibe. Die Brüsseler EU-Kommission will prüfen, ob die neuen Grenzkontrollen in Dänemark möglicherweise Vertragsregeln verletzen. Aus Deutschland kam überwiegend massive Kritik an den dänischen Plänen.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) erklärte: „Wir sehen in dieser Frage raschen und detaillierten Aufklärungsbedarf. Die Reisefreiheit und das Schengen-Abkommen sind wesentliche Errungenschaften der europäischen Einigung und dürfen nicht in Frage gestellt werden.“

Ähnlich äußerten sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Die SPD forderte die Bundesregierung zum Handeln auf.

Friedrich sagte am Donnerstag im ARD-„Morgenmagazin“, zwar müssten Mitgliedsländer notfalls in der Lage sein, die Grenzen wieder zu kontrollieren. „Aber wir wollen das sehr eng begrenzen.“ Kontrollen unmittelbar an der Grenze seien „heute nur in Ausnahmefällen möglich. Und damit dies Ausnahmefälle bleiben, müssen wir genaue Kriterien definieren“.

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagte, permanente Grenzkontrollen nähmen „eine der Errungenschaften der Europäischen Union“ weg. Das Verhalten Dänemarks sei ein Beispiel dafür, wie fragil Regelungen und Grundüberzeugungen in der EU sein könnten. Es sei daher wichtig, eine Debatte zu führen, welche Bedeutung Reisefreiheit und offene Grenzen hätten.

Nach Ansicht von SPD-Innenexperte Sebastian Edathy verstoßen permanente Grenzkontrollen gegen das Schengen-Abkommen. „Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie unseren dänischen Nachbarn deutlich macht, dass das Wiedereinführen von Schlagbäumen auf Dauer nicht akzeptabel ist“, sagte er. Funktionierende Kontrollen an den Außengrenzen der Schengen-Mitgliedsländer seien nötig, „mehr als stichprobenartige Kontrollen zwischen den Schengen-Mitgliedsländern sind es nicht“.

Dem Schengen-Abkommen traten seit 1985 bisher 25 Staaten bei, darunter 22 EU-Staaten. Sie führen an den EU-Binnengrenzen nur Stichproben-Kontrollen durch.

Lesen Sie dazu auch den Abendblatt-Bericht:

Dänen kontrollieren wieder an deutscher Grenze

Dänemarks Rechtspopulisten hatten neue Schlagbäume an der Grenze mit Deutschland verlangt - und sie haben ihren Willen zum Teil durchgesetzt. "Das ist einfach gesunde Vernunft", verkündete Parteichefin Pia Kjærsgaard gestern lächelnd, als sie eine Mehrheit des Regierungslagers hinter ihre Forderung nach einer verstärkten Abgrenzung des Landes von seinen Nachbarn gebracht hatte.

Nun sollen - "nicht zuletzt zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität ausländischer Banden", so das Wirtschaftsministerium in Kopenhagen - an den Grenzen neue elektronische Überwachungs- und Kontrollanlagen installiert werden und mehr Zöllner und Polizisten kontrollieren. Am wichtigsten deutsch-dänischen Autobahn-Grenzübergang Ellund im Zuge der A 7 bei Flensburg wird es zwar weiter keine Schlagbäume geben. Aber mit "permanenten Kontrollen" und einem neuen Kontrollgebäude soll ein fast schon vergessenes Überwachungssystem zehn Jahre nach seiner Abschaffung wieder eingerichtet werden. Dasselbe ist für die großen dänischen Fährhäfen Rødby und Gedser nach Deutschland sowie Helsingør nach Schweden geplant. Mobile Ermittlerteams sollen an kleineren Übergängen sowie in Zügen verstärkt kontrollieren.

Kjærsgaard spielte die Auswirkungen gestern herunter: Mit Blick auf Sorgen deutscher Urlauber, auf dem Weg an die dänischen Küsten Wartezeiten in Kauf nehmen zu müssen, sagte sie: "Die meisten werden mit einem freundlichen Lächeln durchgewinkt."

Die Bundesregierung sieht der Wiedereinführung der Grenzkontrollen relativ gelassen entgegen. In Regierungskreisen hieß es, die Entscheidung in Kopenhagen habe offensichtlich innen- und parteipolitische Gründe.

Schleswig-Holsteins CDU-Chef Christian von Boetticher geht davon aus, dass eine Verschärfung der Kontrollen nicht von Dauer sind. "Ich rechne damit, dass die Kontrollen nur eine kurze Halbwertszeit haben werden", sagte er dem Abendblatt nach Gesprächen in Kopenhagen. Die Kontrollen seien aber ein Rückschritt im dänisch-deutschen Verhältnis und würden Dänemark in Europa in Bedrängnis bringen, zumal das Königreich Anfang 2012 den Vorsitz in der EU übernehme.

In Dänemark selbst kritisierten Spitzenfunktionäre der konservativ-liberalen Minderheitskoalition die geplanten Kontrollen. "Es ist ein Schritt in die falsche Richtung", sagte der Vorsitzende der Großregion Südjütland, Carl Holst, dem Abendblatt. Er ist prominentes Mitglied der Regierungspartei Venstre.

Die EU-Kommission in Brüssel wartet nach Angaben eines Sprechers nun auf eine ausführliche Unterrichtung durch die dänische Regierung. "Wir möchten gerne ein offizielles Dokument sehen", sagte er. Erst dann wolle sich die Kommission äußern, ob sie die Kopenhagener Pläne für legal hält.

In der Europäischen Gemeinschaft wird derzeit ohnehin über eine Reform der Schengen-Verträge gestritten, die die Reisefreiheit zwischen vielen Staaten garantieren. Aktueller Anlass ist die Flüchtlingswelle aus Nordafrika. Weil sich Italien mit den mehr als 30 000 Wirtschaftsflüchtlingen aus Tunesien überfordert sieht, hat es einem Teil von ihnen befristete Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt und damit die Ausreise ermöglicht. Daraufhin hatte Frankreich als erstes Land im Schengen-Raum wieder Grenzkontrollen aufgenommen.

Auf Druck aus Paris und Rom hatte die EU-Kommission in der vergangenen Woche vorgeschlagen, eine befristete Wiedereinführung von Kontrollen zu erleichtern. Heute kommen die EU-Innenminister in Brüssel zusammen, um darüber zu verhandeln. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat schon signalisiert, dass er Verständnis für die Forderungen Frankreichs und Italiens hat.