Expertenbericht bestätigt den Verdacht, dass ein nordkoreanisches U-Boot die südkoreanische Korvette “Cheonan“ versenkt hat.

Hamburg/Seoul. Die Krise um die Versenkung der südkoreanischen Korvette "Cheonan" am 26. März hat sich dramatisch zugespitzt. Nachdem ein internationales Expertenteam am Donnerstag in Südkoreas Hauptstadt Seoul erklärt hatte, es gebe "überwältigende Beweise" für den Schluss, dass ein nordkoreanisches U-Boot die 1200-Tonnen-Korvette im Gelben Meer mit einem Torpedo versenkt habe, dass es "keine andere Erklärung" gebe, drohte die Nationale Verteidigungskommission in Pjöngjang mit Krieg, falls es Strafmaßnahmen gegen Nordkorea geben sollte. "Der totale Krieg, den wir unternehmen werden, wird ein heiliger Krieg sein, der die gesamte Nation, das gesamte Volk und den gesamten Staat einschließt", hieß es in einer Erklärung. Die Vorwürfe seien fabriziert, seien eine "plumpe konspirative Farce". Nordkorea habe nichts zu tun mit dem Vorfall.

Westliche und südkoreanische Experten hatten am Schiffswrack Teile eines Torpedos geborgen, dessen Technik und Aufschriften offenbar eindeutig auf Nordkoreas Typ CHT02D weisen. Sie gehen davon aus, dass der Torpedo mit einem 250-Kilo-Gefechtskopf vom Klein-U-Boot eines nordkoreanischen Mutterschiffes aus gestartet worden sei, das einige Tage zuvor aus einem Marinestützpunkt ausgelaufen sei.

Entlang der umstrittenen Seegrenze hatte es schon oft Scharmützel gegeben. Die Versenkung der "Cheonan", die sich auf einer Routinepatrouille befunden hatte, stellt aber einen der gravierendsten Vorfälle seit dem Ende des dreijährigen Koreakriegs 1953 dar. Beide Staaten befinden sich rechtlich noch immer im Kriegszustand; ein Frieden wurde nie geschlossen. Das bitterarme, international fast vollkommen isolierte Nordkorea unterhält eine Armee von mehr als einer Million Soldaten und steht im Verdacht, Atomsprengkörper zu besitzen. Die "New York Times" schrieb, über der koreanischen Halbinsel braue sich ein "diplomatischer Sturm" zusammen. Südkoreas Präsident Lee Myung Bak kündigte "resolute Maßnahmen" gegen den Norden an und warf Pjöngjang in einem Telefonat mit Australiens Premierminister Kevin Rudd "militärische Provokation" vor.

Die US-Regierung sprach bezüglich der Versenkung der "Cheonan", bei der 46 südkoreanische Seeleute ums Leben gekommen waren, von einem "Akt der Aggression", der die internationale Sicherheit gefährde. Er sei ein weiteres Bespiel für Nordkoreas inakzeptables Benehmen und seine Abkehr von internationalem Recht. Washington werde Südkorea "starke und unmissverständliche Unterstützung" gewähren. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte: "Nordkorea sollte wissen, dass provokative Handlungen Konsequenzen haben."

Die Nato sprach von einer "ernsthaften Bedrohung der Region". Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon, der selber Südkoreaner ist, sagte in New York, die Fakten, die der Bericht darlege, "sind äußerst verstörend". Ein Sprecher sagte, der Generalsekretär sei "tief besorgt" über die Krise in seiner Heimat. US-Außenministerin Hillary Clinton ist am Wochenende in China, es wird erwartet, dass sie versucht, Peking für Sanktionen gegen Nordkorea zu gewinnen. China, Nordkoreas einziger Verbündeter, nannte die Versenkung der südkoreanischen Korvette "unglücklich", konnte sich aber nicht dazu durchringen, Seoul zu unterstützen. Die Regierung in Peking forderte lediglich beide Staaten zur Zurückhaltung auf.

Peking befindet sich in einer politisch unbequemen Position. Einerseits ist das ebenfalls kommunistische Nordkorea ein Verbündeter, andererseits ist China überhaupt nicht begeistert von der Option eines atomar bewaffneten Nordkorea. Denn dies würde nicht nur eine noch stärkere Präsenz der US-Marine im Pazifik nach sich ziehen, sondern könnte einen Rüstungswettlauf in Asien auslösen - mit unabsehbaren sicherheitspolitischen Konsequenzen. Eine militärische Eskalation der Korea-Krise schließlich könnte eine Flut von Hunderttausenden Flüchtlingen an Chinas Grenzen bedeuten.

Die Möglichkeiten von Sanktionen gegen Nordkorea sind begrenzt - vor allem, falls China nicht mitzieht. Strafmaßnahmen könnten sich aber gegen den Schiffsverkehr von und nach Nordkorea sowie den Handel mit Südkorea richten, der immerhin 370 Millionen Dollar umfasst. Vor allem aber würden amerikanische und südkoreanische Marinekräfte Manöver vor den nordkoreanischen Seegebieten abhalten, um Druck aufzubauen - der aber nicht zur direkten Konfrontation führen darf.