Souda. Die Anspannung auf dem modernsten Kriegsschiff der Marine ist groß. Bald geht es ins Rote Meer, um die Huthi-Rebellen abzuwehren.

Boris Pistorius steht auf dem grauen Deck der Fregatte „Hessen“, hinter ihm die schneebedeckten Berge der griechischen Urlaubsinsel Kreta. „Es geht um die Freiheit des Handels“, erklärt Boris Pistorius den Auftrag des hochmodernen Kriegsschiffs. Noch bis Mittwoch früh liegt die Fregatte in der spiegelglatten Bucht von Souda, dann geht es in unruhige Gewässer. Das 143 Meter lange Schiff ist auf dem Weg ins Rote Meer, wo die „Hessen“ zivile Frachter und Tanker vor Angriffen der Huthi-Rebellen schützen soll.

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Die militant-islamistischen Milizen im Jemen sorgen auf einer der wichtigsten Handelsrouten der Welt für Angst und Schrecken. Mit Raketen und Drohnen attackieren die vom Iran unterstützten Huthi Frachter auf der viel befahrenen Handelsroute. Mit Sorge wird beobachtet, dass die Rebellen inzwischen sogar mit hochmodernen Unterwasserdrohnen hantieren, die schwer zu verteidigen sind. Im Schnitt werden derzeit pro Woche fünf Huthi-Angriffe gezählt. Das Rote Meer ist zu einem Nadelöhr der Weltwirtschaft geworden.

FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit Fregattenkapitän Volker Kübsch an Bord der „Hessen“.
FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit Fregattenkapitän Volker Kübsch an Bord der „Hessen“. © DPA Images | Michael Fischer

Die USA und Großbritannien bombardieren Stellungen der Huthi im Jemen

„Ist Anspannung da?“, fragt Pistorius, als er die „Hessen“ betritt. „Ja“, gibt der Kommandant des Schiffes, Volker Kübsch, offen zu. Der Fregattenkapitän erwartet eine „hohe Gefährdungslage“, Pistorius bezeichnet den Einsatz im Rahmen der EU-Mission „Aspides“ („Schutzschild“) als den schwierigsten Einsatz der deutschen Marine seit Jahrzehnten.

Pistorius ist seit gut einem Jahr im Amt, die Mission ist der erste Auslandseinsatz, den der SPD-Politiker befiehlt. Mit seinem Besuch auf Kreta will er nicht nur der 240-köpfigen Besatzung zeigen, dass er sich der Tragweite der Entscheidung bewusst ist. Den Soldaten verspricht er: „Ich werde persönlich jeden Tag ein Auge auf Sie haben und mich erkundigen, wie die Lage ist, wie es Ihnen geht, ob etwas fehlt.“ Pistorius betont außerdem: „Es geht um die Abwehr von Angriffen, nicht um Schläge aufs Festland.“ Die USA und Großbritannien bombardieren auch Stellungen der Huthi im Jemen.

Die „Hessen“ ist auf dem Weg in eine Region, in der ein vom Iran befeuerter Flächenbrand befürchtet wird. Das Ziel der Milizen: Israel zu einem Ende der Kämpfe im Gazastreifen zu zwingen. Für die Besatzung der „Hessen“ bedeutet die Mission zur Sicherung der Seewege eine Fahrt ins Ungewisse. Einen „scharfen Waffengang“ erwarten die Soldatinnen und Soldaten. Die Mannschaft arbeitet im „Kriegsmarsch“: Je die Hälfte der Besatzung ist stets im Dienst, gewechselt wird in Sechs-Stunden-Schichten. Die Waffenstationen sind rund um die Uhr besetzt.

Die „Hessen“ ist das Beste, was die deutsche Marine zu bieten hat

Zwei Maschinenkanonen und vier schwere Maschinengewehre sind an Bord, dazu mehrere Flugabwehrsysteme mit einer Reichweite von bis zu 160 Kilometern. Kübsch rechnet damit, dass im Verlauf des Einsatzes Nachschub an Geschossen erforderlich ist. An Bord sind zwei Hubschrauber vom Typ Sea Lynx, ausgestattet mit Maschinengewehren. Minentaucher in schweren Schutzanzügen zeigen Pistorius, wie sie im Ernstfall vorgehen.

Die „Hessen“ und ihre Besatzung sind das Beste, was die deutsche Marine zu bieten hat: Die Radaranlagen haben eine Reichweite von 400 Kilometern, sie können ein Gebiet groß wie die Nordsee überwachen und mehr als 1000 Ziele gleichzeitig erfassen. Die „Hessen“ muss somit keine Schiffe in dem Konfliktgebiet eskortieren, die Fregatte kann „Raumdeckung“ machen.

Die Radaranlagen der Fregatte „Hessen“ haben eine Reichweite von 400 Kilometern, sie können mehr als 1000 Ziele gleichzeitig erfassen.
Die Radaranlagen der Fregatte „Hessen“ haben eine Reichweite von 400 Kilometern, sie können mehr als 1000 Ziele gleichzeitig erfassen. © DPA Images | Michael Fischer

Seit November terrorisieren die Huthi die internationale Schifffahrt. Zahlreiche Reedereien meiden deswegen das Rote Meer und den Suezkanal, sie nehmen statt der schnellsten Route zwischen Asien und Europa den 6000 Kilometer langen Umweg ums Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas. „Da kann Deutschland nicht beiseite stehen und nichts tun“, begründet Pistorius den riskanten Einsatz.

Der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura, begrüßt das deutsche Engagement: „In Deutschland hängt jeder vierte Arbeitsplatz am Außenhandel“, sagt Jandura dieser Redaktion. „Da ist es klar, dass Deutschland als Handelsnation ein vitales Interesse an der Sicherheit der internationalen Seewege hat.“ Nach seinem Geschmack hätte Deutschland jedoch viel schneller Präsenz zeigen müssen. „Mir fehlen die politischen Ziele: Ist Deutschland bereit, seine Seewege und Handelsschiffe zu schützen oder nicht?“

Die Fregatte „Hessen“ war gerade erst von einem Nato-Einsatz zurückgekehrt

Pistorius sieht in dem Einsatz hingegen ein klares Signal an die Huthi und ihre Hinterleute: „Wir werden die internationale Sicherheit und die Freiheit der Navigation schützen.“ Die Planungen begannen bereits vor Wochen, die „Hessen“ nahm schon Kurs aufs Rote Meer, bevor die politischen Beschlüsse in Brüssel und Berlin standen. Die Fregatte war erst zu Weihnachten von einem Nato-Einsatz in ihren Heimathafen Wilhelmshaven zurückgekehrt. Nach nur wenigen Wochen musste sich die Besatzung erneut von Familien und Freunden verabschieden. „Als Großvater, Vater, Ehemann weiß ich, was das bedeutet“, sagt Pistorius vor der Besatzung. Das Kriegsschiff stach am 8. Februar in See. Kommandant Kübsch feierte seinen 45. Geburtstag an Bord.

Am Freitagmittag stimmt der Bundestag abschließend über das Mandat für den Einsatz ab. Die Planungen sehen vor, dass die „Hessen“ sich dann bereits im Suezkanal befindet, berichtet Kübsch. Sobald die erwartete Zustimmung des Parlaments vorliegt, soll das Kriegsschiff ins Rote Meer einlaufen. Das Mandat gilt erst einmal für ein Jahr. Pistorius scheut eine Aussage dazu, wann die Gefahr im Roten Meer gebannt ist. Das könne lange dauern, aber: „Das ist ein Blick in die Glaskugel.“ Der Mannschaft der Hessen wünscht er: „Soldatenglück und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel.“