Rom. Giorgia Meloni inszeniert sich gern als Staatsfrau Italiens. Dabei fallen ihr rechtsextreme Verbindungen jetzt wieder auf die Füße.

Als Premierministerin Italiens, das den G7-Vorsitz innehat, hat Giorgia Meloni alle Hände voll zu tun. Am 29. Januar beginnt in Rom eine Konferenz mit afrikanischen Ländern, bei der die Ministerpräsidentin mit 13 Regierungschefs, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und unzähligen Außenministern des nördlichen und südlichen Mittelmeerraums über heikle Fragen wie Migration, Energie und Klimawandel diskutieren will. Erst vor Kurzem ist Meloni von einer Türkei-Reise zurückgekehrt, bei der sie mit Präsident Recep Tayyip Erdogan die Stärkung der Zusammenarbeit im Kampf gegen illegale Einwanderung besprach.

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Seit 15 Monaten ist Meloni nunmehr im Amt. In dieser Zeit hat die Rechtspopulistin versucht, sich als vertrauenswürdige Staatsfrau zu profilieren. Dabei ist sie stets bemüht, ihre Treue zur EU zur Schau zu stellen. Politisch verwurzelt ist Meloni jedoch in der rechtsextremen Szene. Trotz ihrer Anstrengungen tut sie sich mit der Distanzierung von solchem Gedankengut schwer. Die von ihr mitgegründete Partei Fratelli d‘Italia (Brüder Italiens) hat ihre Wurzeln in der postfaschistischen Bewegung „Movimento Sociale Italiano“ (MSI – Sozialbewegung), die 1946 aus der Asche von Benito Mussolinis aufgelöster faschistischer Partei entstanden ist. Aus Rücksicht auf die entsprechenden Wähleranteile vermeidet Meloni eine allzu harte Abgrenzung von dem rechtsextremen Milieu. Dies kommt ihr aber manchmal teuer zu stehen.

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Meloni ist stets bemüht, ihre Treue zur Europäischen Union zur Schau zu stellen. Politisch verwurzelt ist sie jedoch in der rechtsextremen Szene.
Meloni ist stets bemüht, ihre Treue zur Europäischen Union zur Schau zu stellen. Politisch verwurzelt ist sie jedoch in der rechtsextremen Szene. © AFP | ANDREJ ISAKOVIC

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Angeführt von der neofaschistischen Organisation „Casa Pound“ haben sich am 7. Januar Hunderte Rechtsextreme an der Via Acca Larenzia in Rom vor dem ehemaligen lokalen Parteibüro des postfaschistischen MSI in Formation aufgestellt. Dort wurde dreier Rechtsextremisten gedacht, die 1978 gewaltsam ums Leben kamen. Die meisten Anwesenden, alle schwarz gekleidete Männer, streckten gleichzeitig ihren rechten Arm zum „römischen Gruß“ aus (der dem Hitlergruß in Deutschland entspricht) und riefen „presente!“, wie einst die Schlägerbanden des Diktators Benito Mussolini. Die Polizei schritt nicht ein, obwohl die „Verherrlichung des Faschismus“ in Italien ein Straftatbestand ist. „Rom, im Januar 2024. Und es fühlt sich an wie 1924. Das ist nicht akzeptabel“, kritisierte die sozialdemokratische Oppositionschefin Elly Schlein. Neofaschistische Organisationen müssten aufgelöst werden, das verlange die Verfassung, fordert die Opposition.

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Italien: Rechtslage zu Faschisten-Gruß unklar

Die Rechtslage ist allerdings unklar. Während der Hitlergruß in Deutschland zweifellos strafbar ist, gibt es im italienischen Strafgesetzbuch nur das Verbot der Verherrlichung des Faschismus. Diese wird aber erst dann geahndet, wenn mit Gesten, Aktionen oder Worten die Wiedergründung der faschistischen Partei beabsichtigt wird. Unter dem Schutz der freien Meinungsäußerung wird das Zeigen des römischen Grußes deshalb praktisch kaum bestraft. Verübelt wurde Meloni von der Opposition, dass sie nicht unmittelbar nach der Demo in Rom zu den Rechtsextremisten auf Distanz gegangen sei. Immer wieder wird der Premierministerin vorgeworfen, ein undurchsichtiges Verhältnis zur rechtsextremen Szene zu unterhalten. Sie selber sagte öfters, sie sei bereits „rechts geboren“, wie auch ihre in jungen Jahren begonnene politische Militanz bezeugt.

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Mit 15 Jahren trat die Römerin aus dem Arbeiterviertel Garbatella der Jugendbewegung des neofaschistischen MSI bei. Später sammelte sie politische Erfahrung bei der MSI-Nachfolgepartei Alleanza Nazionale von Gianfranco Fini, einem langjährigen Verbündeten des im Juni verstorbenen Ex-Premiers Silvio Berlusconi. 2008 wurde sie in der Regierung Berlusconi im Alter von 31 Jahren Jugend- und Sportministerin und damit zur jüngsten Ministerin in der Geschichte Italiens.

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    Nicht nur rechtsextreme Kameraden, sondern auch Melonis enge Mitarbeiter bringen die Regierungschefin in Verlegenheit. Senatspräsident Ignazio La Russa, mit Meloni Mitbegründer der „Brüder Italiens“, gilt als eingefleischter Faschismus-Nostalgiker, der Bilder und Büsten Mussolinis im Wohnzimmer stehen hat. Der 76-jährige La Russa, der verfassungsrechtlich hinter dem Staatspräsidenten das höchste Amt der Republik bekleidet, trägt Benito als zweiten Vornamen, was die Sympathie seiner Familie für den faschistischen Diktator bezeugt.

    Italien: Opposition moniert – Soldaten-Kalender „rehabilitiert den Faschismus“

    Auch ein neuer Kalender der italienischen Streitkräfte bringt Meloni politisch in Verlegenheit. Er präsentiert Soldaten, die sowohl unter dem Faschismus als auch danach militärisch ausgezeichnet wurden. Die politische Opposition und die Partisanenorganisation ANPI beklagen eine „Rehabilitierung des Faschismus“ und fordern Konsequenzen. „Es ist, als würde die deutsche Bundeswehr 80 Jahre später an die Taten der Wehrmacht erinnern, weil es ja darum ging, für das Vaterland zu kämpfen“, kommentierte die römische Tageszeitung „La Repubblica“.

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    „Für Italien immer ... vor und nach dem 8. September 1943“, lautet der Titel des Heereskalenders 2024. Für den Titel des Kalenders gab Verteidigungs-Staatssekretärin Isabella Rauti den Anstoß. Sie ist Tochter des ehemaligen rechtsradikalen Spitzenpolitikers Pino Rauti. Mit dem Kalender, der auch an zahlreichen Schulen beworben wird, werde ein weiterer Schritt zur Verharmlosung des dunkelsten Kapitels der jüngeren Geschichte Italiens gesetzt, kritisierte die Opposition.