Buenos Aires. Mit dem Populisten Javier Milei hat sich das Land auf einen Fallschirmsprung eingelassen, bei dem unklar ist, ob der Schirm aufgeht.

Jetzt ist also auch Argentinien gefallen. Man darf das so drastisch sagen, angesichts dessen, was Javier Milei als künftiger Präsident auf seine To-do-Liste geschrieben hat. Er will nicht nur die Zentralbank „in die Luft jagen“, sondern auch gleich das ganze in 40 Jahren Demokratie aufgebaute Wirtschafts-, Politik- und Sozialsystem sprengen.

Milei nennt sich libertär und liberal, aber das gilt nur für die Wirtschaft. In Politik- und Gesellschaftsfragen steht Argentinien eine ähnlich ultrarechte, anti-demokratische und negationistische Revolution bevor wie den USA und Brasilien zu Zeiten Donald Trumps und Jair Bolsonaros: Diktaturerinnerung, kostenfreie Bildung und Gesundheit, Sozialstaat. Alles, worauf die meisten Argentinierinnen und Argentinier zu Recht stolz sind, stellt er in Frage. Und den Klimawandel sowieso.

In der Sicherheitspolitik wird es so werden wie in El Salvador unter dem Autokraten Nayib Bukele. Alle Macht den Militärs. Milei ist es gelungen, dem ausgelaugten Land und den Millionen verarmten Menschen wieder Hoffnung zu geben, indem er die Illusion eines wirtschaftlich prosperierenden Landes ohne Inflation verkauft hat. Das hat ihn ins Amt gespült. Seine Maßnahmen dafür könnten allerdings eher dazu führen, dass das Gegenteil eintritt.

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Insofern ist es nicht übertrieben zu sagen, dass die Wahl am Sonntag die wichtigste und bedeutendste seit der Rückkehr des Landes zur Demokratie 1983 war. Argentinien hat sich mit Milei auf einen Sprung mit dem Fallschirm eingelassen, bei dem nicht klar ist, ob der Schirm aufgeht und die Landung weich oder der Aufprall furchtbar hart sein wird.

Sein steiler Aufstieg an die Macht in 38 Monaten vom Fernsehclown zum Präsidenten ist auch das Resultat des gnadenlosen Versagens der linken und rechten Vorgängerregierungen. Insofern ist die Watschen für den Peronismus hart, aber verdient. Die Partei wird mindestens die vier Jahre in der Opposition brauchen, um sich davon zu erholen. Und linke Ideen innerhalb des Peronismus haben wohl noch viel länger ausgedient.

Klaus Ehringfeld ist Auslandskorrespondent der FUNKE-Zentralredaktion in Argentinien.
Klaus Ehringfeld ist Auslandskorrespondent der FUNKE-Zentralredaktion in Argentinien. © Pablo Castagnola | Pablo Castagnola

Mit dem Ergebnis könnte Argentinien aber für Europa und auch für Deutschland wieder ein verlässlicherer wirtschaftlicher Partner werden. Denn der ultraliberale Milei wird die Exportzölle und Beschränkungen bei Ausfuhren aller Voraussicht nach aufheben, die es jetzt noch gibt. Und da Argentinien vor guten landwirtschaftlichen Ernten steht, könnte Europa von diesem Ergebnis sogar profitieren. Soja- und Maisernten werden in diesem Jahr zwischen 60 und 130 Prozent höher ausfallen, spekuliert die argentinische Getreidebörse. Zudem wird die Lizenzierung der reichhaltigen Lithiumvorkommen steigen, da ist für Europa noch viel zu holen. Bisher gehen die ganzen Lizenzen an asiatische, australische und nordamerikanische Unternehmen.

Und letztlich steigert Argentinien auch die Schiefergasförderung. Noch ist es nicht in der Lage zu exportieren, sondern nur den eigenen Bedarf zu decken. Aber unter Milei wird Argentinien weiter einen Schwerpunkt auf fossile Energien setzen, die Deutschland und Europa brauchen. Politisch allerdings verlieren die westlichen Länder einen Verbündeten im Kampf gegen den Klimawandel und für ausgewogene politische Lösungen in internationalen Konflikten.

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