Berlin. Die Empörung über António Guterres ist groß. Er nimmt die Palästinenser in Schutz gegen Israel. Er ist nahe bei sich – und bei der UNO.

In Flüchtlingslagern kennt sich António Guterres aus. Sie sind Teil seines Lebens geworden. Bevor der heute 74-jährige UNO-Generalsekretär wurde, war er zehn Jahre lang Flüchtlingskommissar eben jener Vereinte Nationen.

Bewahrt hat sich der Portugiese sein Rollenverständnis als Anwalt der Schwachen. Fast unweigerlich musste er im aktuellen Gaza-Konflikt in eine Konfrontation mit Israel geraten.

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Die Israelis haben den Gazastreifen weitgehend abgeriegelt – das Palästinenserhilfswerk der UNO (UNRWA) dürfte absehbar seine Arbeit einstellen; schon weil der Treibstoff ausgeht. Es herrscht die blanke Not.

Israel-Kritiker haben in der UNO nicht das Sagen, aber sie geben den Ton an

Guterres befürchtet, dass die Israelis bei der angekündigten Offensive über das Ziel hinausschießen werden und die Zivilbevölkerung einen hohen Preis für die Untaten der Hamas bezahlen wird. Er hat zwar den Hamas-Terroranschlag am 7. Oktober verurteilt, aber auch die israelischen Luftangriffe als „eindeutigen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht“ kritisiert.

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Die UNO hat ein Doppelgesicht. Der Sicherheitsrat spiegelt die Machtverhältnisse wider – Großmächte geben dort den Ton an. Die Vollversammlung jedoch ist in erster Linie ein Forum der Dritten Welt. Da kommt ein Großteil ihrer 193 Mitglieder auch her.

Viele Staaten in Südamerika, Afrika oder Asien vermeiden in diesen Tagen – wie beim Ukraine-Krieg – eine Parteinahme für eine Seite. Guterres ist nahe bei seinen (UNO)Wählern und nah bei sich selbst: Portugals früherer Regierungschef ist ein Sozialist, war sogar Präsident der Sozialistischen Internationalen.

Guterres ist nahe bei sich – und bei seiner Organisation

Eine gewisse Nähe, zumindest Verständnis für die Palästinenser war in den Kreisen stets salonfähig. Die Fatah, die stärkste Fraktion innerhalb der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), ist Vollmitglied in der Sozialistischen Internationalen.

Dort findet man seit Langem, dass die Aktionen der Hamas „nicht im luftleeren Raum“ (Guterres) stattfinden. Der UNO-Generalsekretär sprach sogar von einer „erdrückenden Besatzung“ palästinensischer Gebiete durch Israel.

Die Bundesregierung hält sich mit Kritik an Israel zurück

Kein Wunder, dass sich die Arabische Liga beeilte, Guterres zu loben. Die Kritik an ihm solle nur jede Stimme zum Schweigen zu bringen, „die die Wahrheit sagt“.

Auch der frühere Merkel-Berater, UNO-Botschafter und heute Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, bemerkte im ZDF, wenn Guterres auf 56 Jahre Besatzung der Palästinenser-Gebiete hinweise, „dann ist (das) genau das, was in geltendem Völkerrecht in Uno-Resolutionen genauso drinsteht. Die letzte Resolution sagt, dass die Besatzung eine flagrante Verletzung des Völkerrechts ist.“ Er nennt Guterres „einen sehr besonnenen Mann“.

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Israel will Guterres UNO eine Lektion erteilen

Das Verhältnis der Vereinten Nationen zu Israel ist delikat. Die UNO entwarf in ihrer Geschichte unverhältnismäßig viele kritische Resolutionen zu Israel, wie Guterres Amtsvorgänger Ban Ki-moon einmal bemerkte. Spannungsfrei war das Verhältnis nie – und aktuell ist die Situation ohnehin „sehr aufgeladen“, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin feststellte.

Die Bundesregierung scheut sich, gemeinsam mit Israel Guterres Ablösung zu verlangen. „Ich habe nicht das Gefühl, dass solche Rücktrittsforderungen im Augenblick angebracht sind“, so Hebestreit. Israels UN-Botschafter Gilad Erdan sieht das völlig anders.

Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan hat den Rücktritt von Generalsekretär Guterres gefordert. Die Bundesregierung schließt sich nicht an.
Israels UNO-Botschafter Gilad Erdan hat den Rücktritt von Generalsekretär Guterres gefordert. Die Bundesregierung schließt sich nicht an. © Getty Images via AFP | David Dee Delgado

Er ist aufgebracht und kündigte an, Vertretern der Vereinten Nationen keine Visa mehr geben zu wollen. Israel habe bereits Nothilfe-Koordinator Martin Griffith die Einreise verweigert, wie Erdan dem israelischen Armeesender erzählte. „Es ist Zeit, dass wir ihnen eine Lektion erteilen.“