Kiew. Geheimdienste spielen im Krieg eine große Rolle. Selenskyj setzt auf zwei Männer, die verschieden ticken – aber eines gemeinsam haben.

In Russland hatte die ukrainische Armee vor dem 24. Februar 2022 keinen guten Ruf. Auch die Kiewer Geheimdienste galten als nicht sehr leistungsfähig. Kaum jemand traute den Ukrainern ernsthafte Militär-Operationen im eigenen Kernland oder auf der besetzten Krim zu. Fast 17 Monate nach Beginn der russischen Invasion haben sich die Zeichen gedreht: Vor wenigen Menschen dürfte der Kreml aktuell so viel Angst haben wie vor Wassyl Maljuk, dem Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU, und Kyrylo Budanow, dem Chef des Militärgeheimdienstes GUR.

Die Nacht zum Montag, als die Krim-Brücke wohl mit Marinedrohnen getroffen wurde, dürfte die Befürchtungen Russlands bestätigt haben: Nach Berichten seriöser ukrainischer Medien steckte der Inlandsgeheimdienst SBU dahinter. Bei der Operation soll er eng mit der ukrainischen Marine zusammengearbeitet haben – anders als im Oktober 2022, als ein LKW mit Sprengstoff auf der Brücke explodierte, handelte der Geheimdienst dieses Mal nicht allein.

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Sowohl Maljuk als auch Budanow kommentieren solche Manöver in der Regel mit Ironie und Sarkasmus. „Das Einzige, was ich jetzt tun kann, ist Ihnen eine Briefmarke der ukrainischen Post mit der zerstörten Krim-Brücke zu schenken“, feixte der SBU-Chef im ukrainischen Fernsehen. Budanow nannte die Brücke „eine überflüssige Konstruktion.“ Inzwischen räumte auch die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar die grundsätzliche Beteiligung der Ukraine am Vorfall im Oktober ein. Maljuk sprach von „gewissen durchgeführten Aktionen“, ohne Details zu nennen.

Maljuk ließ mehr als 300 „Staatsverräter“ verhaften

Wassyl Maljuk, ein kräftiger, oft grimmig dreinschauender Mann von 40 Jahren, stammt aus der Region Schytomyr westlich von Kiew. Er übernahm den Job des SBU-Direktors zu einer schweren Zeit und unter brisanten Umständen: Sein Vorgänger, Iwan Bakanow, ist ein sehr enger Freund von Präsident Wolodymyr Selenskyj. Doch infolge der russischen Invasion traten gravierende Probleme beim Inlandsgeheimdienst zutage. Dass die russische Armee Städte wie Cherson und Melitopol so schnell besetzen konnte, ist wohl auch auf den Verrat durch ranghohe SBU-Mitarbeiter zurückzuführen.

Mag die Öffentlichkeit nicht: Wassyl Maljuk, dem Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU.
Mag die Öffentlichkeit nicht: Wassyl Maljuk, dem Chef des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Ukrainian Presidential Press Off

Die Entlassung seines besten Freundes gehörte sicher zu den schwierigsten Entscheidungen, die Selenskyj seit Beginn des Krieges treffen musste. In den ersten Kriegstagen – damals noch als stellvertretender SBU-Chef – war Wassyl Maljuk für die Festnahme des aus dem Hausarrest geflohenen prorussischen Politikers und engen Putin-Freundes Wiktor Medwedtschuk verantwortlich. Medwedtschuk wurde später gegen die wichtigsten Kommandeure der Verteidigung des Asow-Stahlwerks in Mariupol ausgetauscht.

Als Maljuk im Juli 2022 den Chefposten erst kommissarisch und im Februar 2023 vollständig übernahm, glätteten sich die Wogen beim Geheimdienst langsam. Mehr als 300 „Staatsverräter“ wurden unter dem 40-Jährigen festgenommen – darunter neun wichtige SBU-Mitarbeiter. „Wir zerstören die Netzwerke der Verräter, die 30 Jahre lang von Russland aufgebaut wurden“, sagte Maljuk in einem Interview. „Das ist heute eine der wichtigsten Sicherheitsfragen der Ukraine.“

In seinem Büro hält Budanow eine Katze und einen Frosch

Während Maljuk nicht gern in der Öffentlichkeit steht, tickt der 37-jährige Chef des Militärgeheimdienstes GUR, Budanow, ganz anders. Trotz seines Alters hat er bereits den Dienstgrad eines Generalmajors inne, das gibt Selbstbewusstsein. Budanows extravagantes Auftreten beginnt schon mit der Ausstattung seines Büros, wo auch ein Frosch und ein Kater namens „Günter“ wohnen. An der Wand ist eine Karte zu sehen, auf der Russland in mehrere Kleinrepubliken aufgeteilt ist. Bei Interviews trägt Budanow stets eine Pistole auf seiner Uniform – in seinem Büro sind weitere Waffen zu sehen.

Kyrylo Budanow (l.), der Chef des Militärgeheimdienstes GUR, soll für Anschläge auf prominente Russen verantwortlich sein.
Kyrylo Budanow (l.), der Chef des Militärgeheimdienstes GUR, soll für Anschläge auf prominente Russen verantwortlich sein. © VIA REUTERS | UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE

Budanow stammt als Kiew, wuchs aber nach eigenen Angaben in Sewastopol auf der Krim auf und hat in Odessa studiert. Über diese Abschnitte seines Lebens ist fast nichts bekannt. Seit 2014 hat er im Donbass gekämpft, wurde mehrfach verwundet und soll 2016 an einer Sabotage-Aktion im Norden der besetzten Krim teilgenommen haben. Budanow überlebte angeblich mehrere Mordversuche. Im November 2021 schilderte er sehr detailliert die kommende Angriffsstrategie Russlands gegenüber den Medien – damals wurde die Möglichkeit einer großen Invasion von Selenskyjs Büro noch geleugnet.

Budanow: „Wir werden Russen an jeder Ecke der Welt töten“

Budanow soll derjenige sein, der russische Milizen wie das „Russische Freiwilligenkorps“ und die „Legion Freiheit Russlands“ koordiniert. Beide Verbände hatten mit Angriffen auf das südrussische Gebiet Belgorod in den vergangenen Monaten Schlagzeilen gemacht. Budanows Geheimdienst ist wohl auch für Attacken auf russische Propagandisten verantwortlich – etwa für die Tötung des Militärbloggers Wladlen Tatarskij in St. Petersburg oder für den Anschlagsversuch auf den russischen Schriftsteller und Politiker Sachar Prilegip.

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Seine Beteiligung an diesen Aktionen räumte Budanow bislang zwar nicht direkt ein, aber er sagt: „Wir haben Russen getötet. Wir werden sie an jeder Ecke der Welt töten, und zwar bis zum vollständigen Sieg der Ukraine.“ Aussagen wie diese führten wohl dazu, dass das GUR-Gebäude in Kiew am 29. Mai gezielt mit mehreren Iskander-Raketen der Russen angegriffen wurde. Das Haus wurde allerdings nur leicht durch herabfallende Trümmerteile beschädigt.

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