Berlin. Beim Thema Hitzeschutz ist das Land schlecht aufgestellt. Gesundheitsminister Lauterbach will das ändern – und schaut nach Frankreich.

Die Sommer in Deutschland werden immer heißer. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Zahl der Tage mit einer Temperatur von über 30 Grad kontinuierlich angestiegen. Gleichzeitig nimmt auch die Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen zu. Bisher hatte die Bundesregierung allerdings keine Notwendigkeit für ein nationales Hitzeschutzkonzept gesehen – das soll sich nun jedoch ändern. Am Dienstag kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Einführung eines bundesweiten Hitzeschutzplans an.

Allein im vergangenen Jahr gab es laut Robert Koch-Institut etwa 4500 hitzebedingte Todesfälle in Deutschland. In den Jahren zuvor seien teilweise sogar bis zu 20.000 Menschen jährlich durch Hitzefolgen gestorben, sagte der Gesundheitsminister am Dienstag in Berlin. "Deutschland wird von Hitzewellen in Zukunft stärker betroffen sein als in der Vergangenheit", so Lauterbach. "Wir werden, wenn wir nichts dagegen unternehmen, jedes Jahr mehrere Tausend Menschenleben verlieren." Diese Todesfälle seien allerdings vermeidbar.

Hitzeschutzplan: Frankreich soll als Vorbild dienen

"Wir müssen feststellen, dass wir in Deutschland gegen den Hitzetod nicht gut aufgestellt sind", sagte der Minister. Andere Länder hingegen würden bereits vormachen, wie Hitzeschutz funktioniere – allen voran Frankreich. Dort gebe es, genau wie hierzulande, eine vergleichsweise alte Bevölkerung, zudem würde ein großer Teil der Menschen in den Städten leben – zwei der größten Risikofaktoren bei Hitzewellen.

Die französische Regierung hatte bereits nach dem extremen Hitzesommer im Jahr 2003 reagiert und ein nationales Hitzeschutzkonzept erarbeitet. Dieses solle nun als Vorlage für die deutsche Strategie dienen, sagte Lauterbach. Der französische Hitzeschutzplan basiert auf einem vierstufigen Warnsystem – jede Stufe ist wiederum mit konkreten Maßnahmen verknüpft.

So gilt mit dem Beginn des Sommers automatisch die erste Stufe, mit der die Behörden in eine erhöhte Alarmbereitschaft versetzt werden. Sobald die zweite Warnstufe ausgerufen wird, bereiten sich Pflegedienste und Kliniken auf eine erhöhte Belastung vor und verstärken gezielte Kommunikationsmaßnahmen. Ab der dritten Warnstufe werden Schutzmaßnahmen in Krankenhäusern eingeleitet oder besonders gefährdete Personen telefonisch kontaktiert. Wird die höchste Stufe ausgerufen, richten etwa Pflegeheime und Kliniken Krisenstäbe ein und stocken Personal auf.

Lauterbach Hitzeschutzplan in kommenden Wochen mit Verantwortlichen entwickeln

Wie genau das neue deutsche Hitzeschutzkonzept im Details aussehen könnte, ließ Lauterbach noch offen. Er wolle sich in den kommenden Wochen mit Verantwortlichen der Ärzteschaft, der Pflege, der Krankenhausgesellschaften, aber auch der Kommunen zusammensetzen und einen genauen Hitzeschutzplan erarbeiten, sagte der Minister. Einzelne Punkte könnten etwa kostenlose Wasserspender, Kälteräume oder Informationskampagnen für gefährdete Personen sein. Lauterbach kündigte zudem eine Webseite an, auf der über die Folgen von Hitze und den Schutz vor solchen hohen Temperaturen informiert werden soll.

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Der Gesundheitsminister reagierte mit seiner Ankündigung auf Forderungen der Bundesärztekammer, des Deutschen Pflegerats sowie der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), die an diesem Mittwoch mit einem Hitzeaktionstag auf die fehlende Vorbereitung auf Hitzewellen in Deutschland aufmerksam machen wollen. Bisher gebe es nur in sehr wenigen Kommunen tatsächlich Hitzeschutzpläne, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, am Dienstag in Berlin. Und das, obwohl die gravierenden Folgen von Hitze bekannt seien. Insbesondere Kinder, alte Menschen und chronisch Kranke seien durch extreme Temperaturen akut gefährdet, so Reinhardt.

Umgang mit Hitzewellen: Städte fordern Einbeziehung

Der Deutsche Städtetag begrüßte die Pläne des Gesundheitsministers, eine nationale Hitzeschutzstrategie entwickeln zu wollen. "Wir halten einen nationalen Hitzeaktionsplan für eine richtige Initiative, um den Hitzeschutz politisch in den Fokus zu stellen und mehr für das Thema zu sensibilisieren", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy, dieser Redaktion.

Länder wie Frankreich oder Italien zeigten bereits, wie solche Konzepte funktionieren könnten. Ziel sollte eine flächendeckende Hitzeaktionsplanung sein. "Das können wir nur mit einer gemeinsamen Anstrengung erreichen", sagte Dedy. Es sei daher wichtig, die Erfahrungen der Städte und Bundesländer mit einzubeziehen, die schon Hitzeaktionspläne erstellt haben.

Städte- und Gemeindebund spricht sich für Hitzeregister aus

Ähnlich äußerte sich auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund: "Die Städte und Gemeinden haben längst erkannt, dass der Klimawandel, insbesondere die Hitzebelastung, eine große Gesundheitsbedrohung speziell für vulnerable Gruppen wie Ältere, Kinder oder Menschen mit einschlägigen Vorerkrankungen darstellen", erklärte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

Er sprach sich unter anderem dafür aus, ein Hitzeregister nach dem Vorbild Frankreichs einzuführen. Menschen, die dort erfasst seien, würden während längerer Hitzeperioden regelmäßig kontaktiert und im Notfall mit Wasser versorgt werden. "Zudem muss die Stadtentwicklungsplanung mit dem Gesundheitsschutz zusammengedacht werden", sagte Landsberg. So brauche es etwa genügend Schattenplätze, Freiluftschneisen für einen Luftaustausch sowie Wasser- und Grünflächen, die für eine natürliche Abkühlung der Städte sorgen würden.

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