Berlin. Die Ampel-Parteien streben ein harmonisches Arbeiten an. Doch ist das überhaupt möglich? WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock sagt Nein.

Hat der ehemalige Regierungschef Ulrich Wilhelm Recht, wenn er nicht damit rechnet, dass die Bundesregierung unter Olaf Scholz das Ende der Legislaturperiode erlebt? „Es zeigt sich auf jeden Fall nach anderthalb Jahren, dass die drei Partner nicht so gut zueinander passen“, sagt Andreas Tyrock, Chefredakteur der WAZ. In einer Umfrage von Forsa, die die „WAZ“ in Auftrag gegeben hat, geben 84 Prozent der Befragten an, dass die Koalition sich weiter zoffen und bis zum Ende der Legislaturperiode nicht zu einem harmonischen Arbeitsverhältnis kommen wird.

Gleichzeitig hätten die drei Partner ein Interesse daran, dass die Ampel-Koalition ein Erfolg wird, so Tyrock, niemand möchte Teil einer Regierung sein, die versagt hat. „Die FDP will nicht scheitern, die Grünen dürfen nicht scheitern und Olaf Scholz und die SPD werden alles versuchen, die Regierung zusammenzuhalten, um nicht vorzeitig in Neuwahlen gehen zu müssen.“ Die größten Aufgaben lägen vor Christian Lindner und der FDP, die sehen müssten, „wie sie von der Verliererspur herunterkommen und wieder eigene Themen setzen.“ Linder sei es inzwischen immerhin gelungen, Scholz auf seine Seite zu ziehen, auch, weil der Bundeskanzler „vom Typus der FDP und ihrem Vorsitzenden näher ist als den Grünen“.

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Scholz-Update: „Hendrik Wüst ist jemand, den man gern unterschätzt“

Während sich die Regierungsparteien also streiten, kann man in Nordrhein-Westfalen das Gegenmodell beobachten. Dort regiert Schwarz-Grün mit einem Mann an der Spitze, den Olaf Scholz als „Ministerpräsidenten-Darsteller“ bezeichnet haben soll und der ihm bei der nächsten Bundestagswahl gefährlich werden könnte. „Hendrik Wüst ist jemand, den man gern unterschätzt, was in der Politik ja immer ein Risiko ist“, sagt Tyrock. „Ihm ist der Generationswechsel in der CDU Nordrhein-Westfalen gelungen, er führt die Regierung mit den Grünen relativ geräuschlos und er ist ein Experte darin, Fehler zu vermeiden.“

Wüst werde aber alles versuchen, sich die „Kanzlerambitionen so lange wie möglich vom Leib zu halten: Er würde niemals von sich aus der Deckung kommen.“ Aber natürlich müsse sich der Ministerpräsident von NRW zutrauen, eines Tages Kanzlerkandidat zu werden. „Hendrik Wüst wird nie sagen, dass er nicht nach Berlin geht. Das war einer der großen politischen Fehler der früheren SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.“ Die hatte für sich einen Wechsel nach Berlin ausgeschlossen und musste sich dann den Vorwurf der „Selbstverzwergung“ vorwerfen lassen.

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Den Erstzugriff auf die Kanzlerkandidatur der CDU habe aber Friedrich Merz: „Hendrik Wüst wird keine Kampfansage aus dem eigenen Landesverband in Richtung des Parteivorsitzenden schicken.“ Er werde abwarten und beobachten, wie die Chancen von Friedrich Merz auf das Bundeskanzleramt sind, je näher die Wahl rückt. „Er ist ein sehr strategisch denkender Politiker, jemand der zudem gut vernetzt ist“, sagt Tyrock. „Hendrik Wüst wird kommen, er hat aber keinen Zeitdruck, muss nicht nach vorn preschen.“ Und anders als Daniel Günther, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und der zweite CDU-Kanzlerkandidat im Wartestand, käme er auch bei den Konservativen in der Partei gut an.

Sicher sei, so Tyrock, dass der Kanzlerkandidat der CDU für 2025 aus NRW kommen würde. Friedrich Merz bediene dabei mit seiner klaren, schneidigen Art das Bild, das die Partei früher ausgemacht habe und in den konservativen Parteikreise nach der Merkel-Zeit auch herbeigesehnt werde: „Er schwächelt aber im Ansehen von Frauen und von Menschen mit Migrationshintergrund. Es wird entscheidend sein, ob er diese Zielgruppen erreichen kann, er versucht ja schon, sich etwas lockerer zu geben.“

Wie schlägt sich Olaf Scholz als Bundeskanzler? Was läuft hinter den Kulissen der Ampel-Regierung, wie kommen die Grünen mit den Liberalen zurecht und umgekehrt? Und warum kommunizieren die Regierung und ihr Chef so, wie sie kommunizieren? Das sind ein paar der Fragen, denen wir in unserer Reihe „Das Scholz-Update“ nachgehen. Einmal die Woche spricht Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider mit Politikerinnen und Politikern, Journalistinnen und Journalisten oder anderen Experten über die aktuelle politische Lage, alle Gespräche können Sie sich in voller Länge als Podcast anhören.

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