Helsinki. Der Ukraine-Krieg hat die Finnen aufgeschreckt. Das Land bereitet sich mit einer gigantischen Anlage auf einen möglichen Angriff vor.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) besucht an diesem Montag Finnland, das mit Macht in die Nato drängt. Die Regierung hat unter den Schockwellen des Ukraine-Krieges ihre traditionelle außenpolitische Neutralität aufgegeben. Das Land teilt eine rund 1340 Kilometer lange Grenze mit Russland. Von der Hauptstadt Helsinki sind es nur 300 Kilometer Luftlinie bis nach St. Petersburg, das komplette finnische Staatsgebiet liegt in der Reichweite russischer Raketen.

Am späten Nachmittag besucht Baerbock die Zivilschutzanlage Merihaka im Nordosten Helsinkis. Finnland ist beim Zivilschutz führend. Seit den 70er- Jahren, als während des Kalten Krieges eine atomare Konfrontation zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion drohte, entsteht in Helsinki eine Stadt unter der Stadt. Auf einer Fläche von rund zehn Millionen Quadratmetern – größer als der Tegernsee – wächst ein weit verzweigtes unterirdisches System von mehr als 90 Bauwerken. In Friedenszeiten sind es Schwimmbäder, Sporthallen, Konzertsäle, Theater oder Einkaufszentren.

Tunnelanlagen bis in die Baltischen Staaten

Viele dieser Einrichtungen sind vorbereitet auf den Fall der Fälle. So kann ein unterirdischer Sportplatz binnen 72 Stunden in eine Bunkeranlage inklusive Dekontaminationsduschen umgerüstet werden. 900.000 Personen finden in dem unterirdischen Zivilschutz-Labyrinth Platz – zusätzlich zu den rund 630.000 Einwohnern von Helsinki könnten auch Menschen aus dem Umland aufgenommen werden.

Und gebuddelt, gesprengt, gebohrt wird weiter. In Zukunft sollen unter anderem der „Garden Helsinki" für Veranstaltungen, ein weiteres Museum und sogar ein Tunnel ins 100 Kilometer entfernt Tallin in Estland unter der Ostsee hindurch entstehen.

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Finnland: Dient das Land als Vorbild beim Zivilschutz?

Kriegsgefahren sind jedoch nicht der einzige Grund, warum Helsinki auch nach unten wächst. Die Erdwärme wird von dem Granitgestein gehalten. Der Energieverbrauch für die unterirdischen Bauwerke ist niedrig. Viele der Einrichtungen dienen auch der normalen Versorgung der Bevölkerung: etwa Parkhäuser oder U-Bahnen.

Ein energiesparendes Zivilschutz-System, von dem die Grünenpolitikerin Baerbock nur träumen kann. Deutschland ist in dieser Hinsicht ein Entwicklungsland. Knapp 600 Bunker gibt es zwischen Flensburg und Freilassing. Doch von heute auf morgen nutzbar sind alle nicht. Bund und Länder haben 2007 beschlossen, die Schutzräume nicht weiter instand zu halten. „Die Wiederinbetriebnahme dieser Bunker könnte je nach Zustand zwei Tage, zwei Wochen oder zwei Jahre dauern. Das hängt auch davon ab, mit wie viel Aufwand und Geld die Instandsetzung betrieben würde“, lautet das lakonische Urteil des Zivilschutzexperten Jörg Diester.