Paris/Berlin. Energiekrise, Rentenreform, Politikfrust, Europa: Diese Baustellen muss Macron nun anpacken, um Frankreich aus der Krise zu führen.

Die Zeiten stabiler politischer Mehrheiten sind in Frankreich ein für alle Mal vorbei. Von Charles de Gaulle über François Mitterrand, Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy bis hin zu François Hollande stellten Konservative oder Sozialisten – die ehemaligen Volksparteien – jahrzehntelang den Präsidenten. 2017 gründete der Ex-Sozialist Emmanuel Macron die neue Partei En Marche und zog mit einem fulminanten Wahlsieg in den Élysée-Palast ein.

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Der Glanz des Neuen ist verblasst. Macron konnte nach ersten Hochrechnungen die zweite und entscheidende Runde der Präsidentschaftswahl am Sonntag zwar klar für sich entscheiden – doch sicher ist: Frankreich ist politisch gespalten wie nie zuvor. Drei Blöcke stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Exklusiv-Interview: Macron warnt vor Nuklearwaffen im Ukraine-Krieg

Frankreich-Wahl: Der Trend geht zum Extremen

Der bisherige Präsident Emmanuel Macron erreichte im ersten Wahlgang vor zwei Wochen knapp 28 Prozent. Die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen und der Ultrarechte Éric Zemmour kamen auf rund 30 Prozent. Der linkspopulistische Anwärter Jean-Luc Mélenchon brachte es auf 22 Prozent. Besorgniserregend: Links- und Rechtspopulisten zusammengerechnet stellten mit 52 Prozent die Mehrheit der französischen Wahlbevölkerung.

Macrons Herausforderin Le Pen hatte es geschafft, ihre Wählerbasis deutlich zu erweitern. Sie erhielt nicht nur Stimmen von Geringverdienern, Arbeitslosen und Bauern. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Institut français d’opinion publique (ifop) kommt sie mittlerweile auch bei Angestellten, Handwerkern, Gewerbetreibenden und sogar Unternehmenschefs an.

Hintergrund: Lesen Sie hier, wie das französische Wahlsystem funktioniert.

Macron punktet mit vorzeigbarer Wirtschaftsbilanz

Macron hat seine Klientel vor allem in den großen Städten, bei gut Ausgebildeten und Rentnern. Um die Stimmen des Linkspopulisten Mélenchon buhlten sowohl Macron als auch Le Pen. Mélenchon hatte für ein Programm der sozialen Gerechtigkeit und Ökologie geworben und zog viele Jugendlichen an.

Macron galt vor fünf Jahren noch als Mitte-links-Kandidat. Er versprach milliardenschwere staatliche Investitionsprogramme und die Förderung von Ausbildung und beruflicher Qualifizierung. Mittlerweile hat der frühere Investmentbanker den Ruf, eine Mitte-rechts-Politik zu betreiben. Eines seiner wichtigsten ersten Vorhaben war die Lockerung des Kündigungsschutzes. Das trug ihm bei Links- und Rechtspopulisten scharfe Kritik ein.

Doch die fünfjährige Wirtschaftsbilanz von Macron ist vorzeigbar. In seiner Amtszeit wurden 1,2 Millionen neue Stellen geschaffen. Die Arbeitslosenrate sank von knapp zehn auf 7,4 Prozent. Bei folgenden Politikfeldern drohen künftig Auseinandersetzungen zwischen Rechts- und Linkspopulisten sowie dem Mitte-Lager um Macron.

Emmanuel Macron bei der Stimmabgabe in Le Touquet
Emmanuel Macron bei der Stimmabgabe in Le Touquet © dpa

Le Pen konnte die Energiekrise für sich nutzen

Energiekrise: Von den anziehenden Energiepreisen angesichts der Lieferkettenengpässe infolge der Pandemie und des Ukraine-Krieges waren Macrons Erfolge zuletzt überschattet worden. Zwar deckelte der Präsident die Preise für Strom und Gas.

Doch Le Pen gelang es, sich als „Präsidentin der Kaufkraft“ und Anwältin der kleinen Leute zu präsentieren. Sie versprach, die Mehrwertsteuer auf Energie und Grundnahrungsmittel herunterzufahren oder zu streichen.

Kommentar: Macrons Wiederwahl – Warum dieser Sieg so wichtig ist

Kann Macron die Rente reformieren?

Rentenreform: Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren – und es gibt 42 verschiedene Rentensysteme. Macron will das Rentenalter auf 65 anheben und die Sondersysteme abschaffen. Er erklärte, dass die Rente mit 65 „kein Dogma“ sei.

Le Pen sagt: Arbeitnehmer, die zu Beginn ihres Arbeitslebens jünger als 20 waren und dann 40 Jahre gearbeitet haben, sollen mit 60 bei vollen Bezügen in Rente gehen können. Der Rest mit 62.

Frankreich: Macron muss die jungen Wähler zurückgewinnen

Politikfrust und Extremismus: Vor allem bei jungen Menschen herrscht Politikverdrossenheit. Studierende an der Pariser Universität randalierten und besetzten Teile des Gebäudes, weil sie sowohl mit Macron als auch mit Le Pen unzufrieden waren.

Ukraine-Krieg bestätigt Macrons Europapolitik

Europapolitik: Für Macron war die Europapolitik ein Schwerpunkt seiner ersten Amtszeit. Der Ukraine-Krieg hat Macron in seinem Engagement für eine gemeinsame Verteidigung bestärkt. Le Pen hat zwar ihre früheren Forderungen nach einem Austritt aus EU und Eurozone aufgegeben. Sie tritt jedoch für ein „Europa der Nationen“ ein und liebäugelt mit den Brüssel-Skeptikern in der polnischen und ungarischen Regierung.

Dieser Artikel erschien zuerst auf waz.de