Berlin. Ab dem 20. März gelten neue Corona-Regeln. Diese Maßnahmen sind jedoch ein Kompromiss mit vielen Fragezeichen, meint Julia Emmrich.

Karl Lauterbach hätte sich mehr gewünscht. Das sieht man ihm an. Schmallippig erklärt der Gesundheitsminister diesmal die neuen Corona-Regeln, die vom 20. März an gelten sollen: Seit Lauterbach nicht mehr auf eigene Rechnung unterwegs ist, sondern in einer Regierung mit der FDP sitzt, muss Deutschlands Corona-Mahner Nummer 1 Kompromisse schließen.

Dass es keinen Spaß macht, Dinge zu vertreten, die man selbst nur zähneknirschend mittragen kann – geschenkt. Bei Lauterbach dürfte hinzukommen, dass an diesem Kompromiss viele Fragezeichen kleben, die Antworten darauf aber erst in den kommenden Wochen und Monaten zu erwarten sind. Allein schon deshalb, weil das Sars-CoV-2-Virus unberechenbar ist.

Corona-Regeln sind ein Kompromiss

Klar ist: Die neuen Regelungen sind so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Team Vorsicht und Team Freiheit. Und klar ist auch: Ohne einen Kompromiss wären sämtliche Regeln nach dem 19. März ausgelaufen. Dass es jetzt ein halbwegs solides Paket geben soll, das den Ländern ermöglicht, regional auf eine Verschärfung der Pandemielage zu reagieren, zeigt immerhin die Kompromissfähigkeit im Ampel-Kabinett.

Denn: Bei den Liberalen gab es viele, die am liebsten alle Regeln gestrichen hätten. Bei SPD und Grünen dagegen gab es viele, die sich deutlich mehr Basisschutz in der Öffentlichkeit gewünscht hätten. Was genau ab dem 20. März gilt – das entscheidet künftig jedes Land für sich. Wann ein Land vom Normalmodus wieder in den Krisenmodus schaltet – auch das ist jetzt ausdrücklich Ländersache. Bundesweit einheitliche Krisenregeln? Fehlanzeige.

Ampel-Regierung wirft auch erprobte Corona-Maßnahmen über Bord

Der Realitätscheck beginnt in wenigen Tagen: Als Basismaßnahmen sind Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Masken- und Testpflichten etwa zum Schutz vulnerabler Gruppen vorgesehen.

Sollte sich die Lage verschärfen, durch eine neue Virusvariante oder eine drohende Überlastung des Gesundheitssystems, können die Länderparlamente die Maskenpflicht ausweiten und wieder 2G- oder 3G-Regeln einführen. Was dagegen ohne einen erneuten Bundestagsbeschluss nicht mehr möglich ist, sind Obergrenzen für private Treffen oder Schließungen von Schulen und Betrieben.

Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin.
Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin. © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Die FDP freut sich, dass das Land nun „weitgehend zur Normalität zurück“ kehre. Viele werden die Freude teilen. Ähnlich viele dürften sich aber zurecht fragen, warum die Ampel kluge, erprobte Maßnahmen über Bord wirft: Eine generelle Maskenpflicht in Geschäften zum Beispiel würde niemandem schaden, aber alle weiterhin schützen.

Neue Corona-Regeln: Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren

Die Ampel will die Regeln zunächst bis zum 23. September befristen. Das ist klug. Aber nicht deshalb, um Team Freiheit einen Termin für den endgültigen Freedom Day zu geben. Sondern um das klare Signal zu setzen: Alles, was wir jetzt über die Entwicklung der Pandemie zu wissen glauben, kann im Spätsommer schon wieder überholt sein.

Unsicherheitsfaktoren gibt es viele: Virusvarianten, nachlassender Impfschutz, die unkalkulierbaren Folgen der Lockerungen. Aktuell steigen die Inzidenzen bereits wieder – und selbst der sonst so optimistische FDP-Justizminister Marco Buschmann räumt ein, dass sich der Trend verändern könnte – und man entsprechend handeln müsse.

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Auf Sicht fahren – das war bislang das klügste Prinzip der Pandemiepolitik. Das zweite ist: Schnell reagieren können. Man kann nur hoffen, dass die Länder das beherzigen. Am 20. März beginnt ein neuer Corona-Großversuch.