Idlib/Washington. Die CIA hatte einen Informanten in der Führungsspitze der IS-Terroristen. IS-Chef Bagdadi vertraute dem Mann sogar seine Familie an.

„Schaut ihn euch an – hundert Prozent, das ist er – Jackpot“, hört man über Funk den Kommandeur, als seine Soldaten im Erdreich den Kopf des Gesuchten finden. Kaum hat sich das US-Spezialkommando den Weg auf das ummauerte Grundstück freigesprengt, flüchtet Abu Bakr Al-Bagdadi hinab in einen der Tunnel unter dem Haus, mit sich zwei Kinder, die er als menschliche Schutzschilde missbraucht.

Ein Hund der nächtlichen Angreifer, die mit acht Kampfhubschraubern gekommen sind, jagt dem selbst ernannten Kalifen in das Dunkel nach. Als das Tier den bärtigen Mann am Kopfende des Geheimganges stellt, zündet dieser den Sprengstoffgürtel, den er stets umgeschnallt hat, und reißt die zwei Kinder mit in den Tod. Knapp eine Woche nach der spektakulären Aktion des US-Militärs bestätigt nun auch die IS-Terrormiliz in einer Audiobotschaft: Ihr Anführer Abu Bakr al-Bagdadi ist tot.

Der Informant beschaffte sich eine Unterhose Bagdadis

Kurz vor dem Angriff: Das US-Verteidungsministerium veröffentlichte Luftaufnahmen von Bagdadis Anwesen.
Kurz vor dem Angriff: Das US-Verteidungsministerium veröffentlichte Luftaufnahmen von Bagdadis Anwesen. © VIA REUTERS | Department Of Defense

Kurz zuvor hat das US-Militär Fotos und Videos des gefährlichen Einsatzes im Nordwesten Syriens veröffentlicht. Auch weitere Einzelheiten zu dem Angriff vom Wochenende gaben die Streitkräfte bekannt. „Er kroch mit zwei kleinen Kindern in ein Loch und jagte sich in die Luft. Daraus lässt sich schließen, was für eine Person Al-Bagdadi gewesen ist“, erklärte der Kommandeur der US-Streitkräfte im Nahen Osten, General Kenneth McKenzie, vor Journalisten.

Diese Veröffentlichungen zeigen zudem: Die US-Einsatzkräfte besaßen außerordentlich präzise Informationen über das Versteck des meistgesuchten Mannes der Welt. Sie kannten jeden Raum in dem Wohnkomplex am Rand des 3000-Einwohner-Dorfes Barisha. Sie besaßen einen genauen Plan des Tunnelsystems unter dem Grundstück, aus dem es offenbar keinen Ausgang nach draußen gab.

Sie kannten die Zahl der Wachposten sowie alle Mitbewohner in dem zwischen Olivenhainen liegenden Gehöft in der Provinz Idlib. Und sie wussten, dass der rundliche Mann tatsächlich Bagdadi und in der entscheidenden Nacht im Hause anwesend war.

Bagdadi-Vertrauter erhält Millionen Dollar Kopfgeld

Möglich wurde dies durch einen seltenen Glücksfall im Spionagegeschäft. Nach einem Bericht der „Washington Post“ gelang es den syrischen Kurden zusammen mit der CIA, einen der engsten Vertrauten des extrem misstrauischen IS-Chefs umzudrehen und als Informanten anzuwerben. Dieser Maulwurf in der IS-Führungsspitze, dessen Nationalität bisher nicht bekannt ist, lebte mit in Bagdadis Unterschlupf, in dem sich der Terrorchef in seinen letzten drei Monaten aufhielt.

Nach kurdischen Angaben beschaffte er eine Unterhose und einen Blutfleck des Gesuchten für einen Vorab-Gentest. Ihm vertraute Bagdadi sogar die eigenen Familienmitglieder an, wenn sie zum Arzt gefahren werden mussten.

Bei dem nächtlichen US-Angriff auf das Gelände war auch der Informant vor Ort. Zwei Tage später wurde er zusammen mit seiner Familie von den Amerikanern in Sicherheit gebracht und soll nun einen Großteil des 25-Millionen-Dollar-Kopfgelds erhalten, das die USA ausgesetzt hatten.

Operation wurde mehrmals in letzter Minute abgeblasen

Nach Informationen der „Washington Post“, die sich auf US-Stellen beruft, soll es sich bei dem Abtrünnigen um einen sunnitischen Araber handeln, der zunächst enthusiastischer Anhänger des „Islamischen Kalifates“ war, sich dann aber innerlich abwendete, als Dschihadisten einen seiner Verwandten umbrachten.

Dieses Dokument, das vom Verteidigungsministerium der USA veröffentlicht wurde, soll die Identifizierung Al-Bagdadis beweisen.
Dieses Dokument, das vom Verteidigungsministerium der USA veröffentlicht wurde, soll die Identifizierung Al-Bagdadis beweisen. © dpa | Uncredited

Die CIA blieb ihm gegenüber lange misstrauisch. Unvergessen ist das Desaster von Khost 2009 in Afghanistan. Damals sprengte sich ein jordanischer Informant, der angeblich genaue Informationen über den Aufenthaltsort von Osama bin Laden preisgeben wollte, bei einem Geheimtreffen in die Luft und tötete sieben CIA-Mitarbeiter.

Im September jedoch wurden die Angaben des Bagdadi-Informanten so präzise, dass die Amerikaner sich ihrer Sache sicher waren und den Zugriff zu planen begannen. Mindestens dreimal wurde die riskante Operation, bei der der IS-Chef nach Möglichkeit lebend gefasst werden sollte, in letzter Minute abgeblasen. Dann verdichteten sich vergangene Woche plötzlich die Anzeichen, dass Bagdadi umziehen wollte in ein neues Versteck. Und das Pentagon gab grünes Licht.

Bagdadis Überreste wurden inzwischen von den Amerikanern geborgen und auf See bestattet – wie übrigens auch 2011 bei Al-Kaida-Gründer Osama bin Laden. Zweifelsfrei geklärt sei auch die Identität Bagdadis, erklärte US-General Kenneth McKenzie. Das US-Militär habe seine DNA mit einer Probe aus dem Jahr 2004 verglichen, als Bagdadi in einem US-Gefängnis im

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