Berlin. Der Unionsfraktionsvize Linnemann will Kinder später einschulen, wenn sie kaum Deutsch sprechen. Die Idee stößt auf wenig Gegenliebe.

Mit seinem Vorstoß, Kinder erst später einschulen zu lassen, wenn sie kaum Deutschkenntnisse haben, ist der CDU-Politiker Carsten Linnemann auf viel Kritik gestoßen. Der Vize-Fraktionsvorsitzende von CDU und CSU im Bundestag hatte der „Rheinischen Post“ gesagt: „Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen“.

Linnemann schlägt für betroffene Kinder eine Vorschulpflicht vor. Notfalls müsse eine Einschulung auch zurückgestellt werden, sagte er.

Linnemann-Vorstoß – Kritiker verweisen auf Schulpflicht

Die Kritik folgte prompt – und kam von vielen Seiten. Kritiker warfen Linnemann unter anderem vor, im rechten Lager auf Stimmenfang gehen zu wollen. Dazu dürfte eine Umsetzung wohl nicht ohne weiteres möglich sein.

Die Lehrergewerkschaft etwa nannte eine Zurückstellung der Kinder „nicht sinnvoll“. Auch dann nicht, „wenn Eltern verpflichtet würden, ihre Kinder in eine Vorschule zu schicken“, sagte Ilka Hoffmann vom Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kinder lernten am besten gemeinsam in der Grundschule, sofern dort das Angebot stimme.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung verwies auf die geltende Schulpflicht. An der gebe es „nichts zu rütteln“, sagte Annette Widmann-Mauz (CDU) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“: Es brauche stattdessen gezielte Sprachförderung von Anfang an.

• Kommentar: Warum die Debatte über Schulpflicht purer Populismus ist

Ziemiak für verbindliche Sprachtests vor Einschulung

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak bezeichnete ausgelöste Debatte indes als „wichtiges Thema“. Auf Twitter schrieb Ziemiak am Dienstagabend weiter: „Damit alle Kinder in der Schule mitsprechen und gleichberechtigt teilhaben können, brauchen wir gezielte Sprachförderung im Kindergarten, überall verbindliche Sprachtests vor der Einschulung. Bei erkannten Defiziten verpflichtende Förderung und schulbegleitende Sprachprogramme.“

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Linken-Chefin Kipping: Linnemann geht auf rechten Stimmenfang

Mehrere Twitter-Nutzer reagierten ebenfalls auf das Linnemann-Interview. So etwa Starpianist Igor Levit.

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Linke-Chefin Katja Kipping sagte der Deutschen Presse-Agentur: Mit seinen Äußerungen zu Grundschulkindern gehe Linnemann auf „Stimmenfang im rechten Sumpf“.

Kipping warf dem CDU-Politiker vor, das Thema mit Meldungen über Gewalttaten von Erwachsenen zu vermengen. Linnemann hatte seine Forderung in Zusammenhang mit der angeblichen Entstehung von Parallelgesellschaften gestellt. Er nannte als Beispiele Polizeieinsätze in Freibädern, das Tötungsdelikt am Frankfurter Hauptbahnhof und die Schwertattacke in Stuttgart.

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Deutschkenntnisse in der Grundschule: Schulgesetze regeln die Schulpflicht

Hamburgs Schulsenator Ties Rabe sagte: „Ich finde das furchtbar, denn in Wahrheit stellt sich doch die Frage, wo sie sonst Deutsch lernen sollten, wenn nicht in der Schule.“ Zudem gehe es um Kinder. „Und ich möchte doch alle Politiker bitten, Kinder herauszuhalten aus den ganzen ausländerpolitischen Spielchen, die es da gibt.“

Ähnlich reagierten die Ministerkollegen in Schleswig-Holstein und Brandenburg. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien (CDU) nannte den Vorstoß einen „populistischen Unfug“ und „den völlig falschen Weg“. Diese Kinder gehörten vielmehr „im Rahmen der Regelbeschulung“ in Deutsch-als-Zweitsprache-Klassen, sagte sie. Kinder wegen mangelnder Sprachkenntnisse den Schulbesuch zu verweigern, würde aktuell wohl gegen geltendes Recht verstoßen.

Ihre Kollegin aus Brandenburg Britta Ernst (SPD) nannte es einen „schrecklichen“ Vorschlag.

Die Bundesländer regeln die Schulpflicht im Detail in ihren Schulgesetzen. Wie das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt, wird die Integration von Kindern ohne Deutschkenntnisse dort explizit erwähnt. Die Schulpflicht ist also explizit nicht daran gekoppelt, ob ein Kind Deutsch spricht oder nicht.

Zuletzt war diskutiert werden, ob Kinder von der Schulpflicht entbunden werden können, die nicht gegen Krankheiten wie Masern geimpft sind. Deutschstunden wiederum sind nicht nur für Kinder ein Thema – warum viele Flüchtlinge an Sprachkursen scheitern. (dpa/ac)

• Bericht „Rheinische Post“ zum Vorstoß von Carsten Linnemann

• Bericht „Süddeutsche Zeitung“ mit Aussagen von Karin Prien

• Hintergrund: Das Schulgesetz von Nordrhein-Westfallen im Wortlaut