Berlin. Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann stellt die Schulpflicht in Frage, wenn Kinder schlecht Deutsch sprechen. Das ist Populismus pur.

Da hat der Populismus wieder voll funktioniert: Carsten Linnemann, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, war bislang kein Lautsprecher der politischen Bühne. Nun hat er es mit einem einzigen Interview geschafft, in die innenpolischen Schlagzeilen zu kommen: Ein Kind, das kaum Deutsch spreche, habe auf einer Grundschule „noch nichts zu suchen“, sagte er der „Rheinischen Post“. Notfalls müsse die Einschulung zurückgestellt werden.

Dabei hat er ja Recht: Es gibt zu viele Schulen, in denen ein ruhiges Lernen kaum möglich ist, weil zu viele Kinder kaum Deutsch sprechen. Doch seine Schlussfolgerung ist völlig falsch: Die Schulpflicht muss nicht im Zweifelsfall ausgesetzt, sondern – im Gegenteil – ausgeweitet werden. Durch eine Vorschule mit gezielter Sprachförderung etwa und viel mehr Förderunterricht. Durch Hausbesuche und Elterngespräche.

Kinder aus sozial schwachen Familien haben es schwer

Das gibt es alles schon, es wird aber oft nur halbherzig und nicht flächendeckend genug eingesetzt. Das betrifft übrigens auch viele Kinder aus sozial schwachen Familien, deren Muttersprache Deutsch ist: Sie haben es im deutschen Bildungswesen ebenfalls schwer, weil ihnen Förderung fehlt.

Nicht umsonst wird Deutschland regelmäßig von der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kritisiert, dass der Bildungserfolg so stark von der sozialen Herkunft abhänge.

Schulbesuch zwingt zur Teilhabe an der Gesellschaft

Abgesehen davon: Der Schulbesuch nimmt Migranten- und Flüchtlingsfamilien in die Pflicht, sich mit der Gesellschaft in Deutschland auseinander zu setzen. Was ist das für ein fatales Signal, sie bei Schwierigkeiten ausgerechnet von der Schule ausgrenzen zu wollen.

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Soll das die von Linnemann geforderte Profilierung der CDU mit Integrationspolitik sein? Erreicht hat der Unions-Fraktionsvize immerhin, dass Bildungsexperten, Parteifreunde und Gegner debattieren. Die meisten distanzieren sich. Das Beste, was nun passieren kann: wenn über die Qualität der Förderung gestritten wird.