Berlin. Die SPD hat in einem dramatischen Akt eine weitere Parteichefin demontiert. Und Olaf Scholz? Wirbt bei „Anne Will“ um ein „weiter so“.

Der Rücktritt von Andrea Nahles als SPD-Vorsitzende und Fraktionschefin ist einerseits das dramatische Ende einer langen politischen Karriere. Andererseits könnte daraus noch viel Größeres folgen: Schon steht erneut die große Koalition zur Debatte. Wie lange kann die SPD das noch aushalten?

Diese zentrale Frage stellte am Sonntagabend auch Anne Will – unter anderem an SPD-Finanzminister Olaf Scholz. Außerdem mit in der Runde:

• Norbert Röttgen (CDU),
• die Klimaaktivisten Luisa Neubauer und
• die Journalistinnen Claudia Kade und
• Cerstin Gammelin.

„Anne Will“: Olaf Scholz ist ziemlich ratlos

Tatsächlich war Olaf Scholz ein denkbar geeigneter Gesprächspartner. Immerhin war er eigentlich mit Nahles gemeinsam angetreten, die SPD auch in der großen Koalition zu einer Erneuerung zu führen. Passiert ist nichts, deswegen musste die Parteichefin gehen. Und Scholz? Ist offenbar nicht gewillt, seinen Teil der Verantwortung zu tragen. In der Debatte legte er stattdessen die erwartbare Platte auf.

Andrea Nahles verkündete am Sonntag ihren Rücktritt von der Parteispitze der SPD:
Andrea Nahles verkündete am Sonntag ihren Rücktritt von der Parteispitze der SPD: © dpa | Wolfgang Kumm

Man müsse nun den Übergang organisieren und analysieren, wie man zu besseren Wahlergebnissen kommen könne, sagte der SPD-Vizekanzler. Ernsthaft? Ist das die Reaktion der Sozialdemokraten auf die Demontage einer weiteren Vorsitzenden? Auf die krachende Niederlage bei der Europawahl?

Das sagt die Kanzlerin zum Nahles-Rücktritt – und so geht s weiter

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    Auch sonst leierte Scholz nur das Übliche runter. Die Grundrente hält er für wichtig, beim Klimaschutz sollen in diesem Jahr alle wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Es waren die üblichen Worthülsen, deren grundlegender Ansatz schon seit Jahren nicht mehr verfängt.

    Immerhin, in einer Hinsicht war der Vizekanzler klar: Nahles Nachfolger will Scholz nicht werden. „Es wäre unangemessen, wenn ich das als Vizekanzler und Finanzminister machen würde“, sagte er. Eine Doppelspitze oder eine Trennung von Fraktions- und Parteichef – alles sei möglich.

    Wo war der Finanzminister nur?

    Glaubwürdig wirkte Scholz, als er seine Trauer über Nahles‘ Rückzug zum Ausdruck brachte. „Ich habe ihr nicht den Rückhalt verweigert“, stellte er klar. Und kritisierte zu Recht, dass Teile der Attacken gegen sie so nicht gegen männliche Vorsitzende formuliert worden wären.

    Scholz will ein „weiter so“.
    Scholz will ein „weiter so“. © dpa | Wolfgang Borrs

    Allein, wo war Scholz bloß all die Tage? Briefe, lasche Bekundungen: Im lauten Getöse der innerparteilichen Attacken gegen Andrea Nahles war er allenfalls ein leises Stimmchen der Unterstützung.

    Die schonungslose Analyse

    Schonungsloser mit der eigenen Partei ging in der Debatte Norbert Röttgen um. „Wir sind nicht auf Höhe der Zeit“, bescheinigte der CDU-Außenpolitiker der Union. Auf die Rasanz der Entwicklungen habe man keine Antworten. Es gebe ein klares Kompetenzproblem – ein Seitenhieb gegen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die nach der Europawahl innerparteilich ebenfalls zu kämpfen hat. Erfrischend, aber natürlich auch einfach, wenn man nicht in führender Position ist.

    Gemeint war mit dieser Kritik insbesondere die Klimapolitik der großen Koalition. Die wurde in der Debatte auch von der Fridays-For-Future-Aktivistin Luisa Neubauer attackiert. Allerdings zeigte sich dabei eindrücklich, wie frei Menschen sind, die sich einer Sache voll verschreiben können: Volksparteien, die den Anspruch haben, möglichst viele Milieus zu repräsentieren, können das nicht so einfach.

    Das Fazit der „Anne Will“-Sendung

    Norbert Röttgen machte bei Anne Will eine deutlich bessere Figur als Scholz.
    Norbert Röttgen machte bei Anne Will eine deutlich bessere Figur als Scholz. © dpa | Wolfgang Borrs

    Über die Zukunft der großen Koalition wurde in dieser Ausgabe von „Anne Will“ kaum diskutiert. Dafür wurde manches andere deutlich. Zum Beispiel, dass die großen Parteien wegen ihres allumfassenden Anspruchs in polarisierten Zeiten eventuell tatsächlich ein Auslaufmodell sind.

    Kommentar zur Lage der SPD: Warum die SPD aus der Groko raus muss

    Ganz sicher gilt das für Politiker wie Olaf Scholz, die zwar fachlich gut sind, aber zu sehr im alten machtpolitischen Politikmodus hängen. „Weiter so“ bis zur nächsten Schmach bei den Landtagswahlen im Osten: Der SPD-Finanzminister zeigte an diesem Abend, dass er den Schuss noch immer nicht gehört hat.

    „Anne Will“-Wiederholung in der Mediathek anschauen

    Zur Ausgabe von „Anne Will“ in der ARD-Mediathek.