Berlin. Von der Trümmerfrau zur Prügelfrau: Nach dem Rücktritt von Andrea Nahles muss die SPD sich um sich kümmern – und raus aus der Groko.

Nun hat sie also selbst das Elend beendet. Andrea Nahles gibt den Partei- und Fraktionsvorsitz ab, weil sie es nicht geschafft hat, den Abwärtstrend der Sozialdemokraten zu stoppen. Die Europawahl und die Bremen-Wahl waren ein Desaster und bei den kommenden Landtagswahlen im Osten könnte es sogar noch schlimmer kommen.

Die 14 Monate des Vorsitzes waren mehr Last als Lust. Nahles startete nach dem Bundestagswahl-Niederlage und dem Abgang des Hoffnungsträgers Martin Schulz als Trümmerfrau der Partei. Schnell wechselte sie in die Rolle der Prügelfrau, die es keinem Recht machen konnte. Der Frau, die als Ministerin große Erfolge für die SPD errang, wurde von den Parteifreunden der Boden unter den Füßen weggezogen. Alle Entwicklungen nach dem Rücktritt von Andrea Nahles im Newsblog.

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SPD nach Nahles-Rücktritt: Wer soll es richten?

Hätte Nahles nicht selbst schon mit Ellenbogen Machtpolitik betrieben, könnte man vom Mobbing gegen die Parteivorsitzende sprechen. In keiner Firma wäre ein solches Verhalten wie an der Spitze der SPD geduldet gewesen. Dass Andrea Nahles sogar ihr Bundestagsmandat zurück gibt zeigt, wie fertig sie mit ihrer Partei ist.

Jetzt muss es also ein Neuer oder eine Neue richten. Die Zahl derer, die „hier“ beim Parteivorsitz rufen, ist begrenzt. Viel Personal hat die SPD für diesen Job nicht mehr. Zu viele haben keine Lust auf das Himmelfahrtskommando und zu viele sind es selbst schon gewesen.

SPD muss sich von Grund auf erneuern

Malu Dreyer, die als Übergangsvorsitzende gehandelt wird, könnte es. Sie hat das Zeug dazu die SPD in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Sie polarisiert wenig und genießt Respekt als jemand, der einen Wahlsieg errungen hat, mit dem niemand gerechnet hatte. Dazu kommt ihre Regierungserfahrung und die Tatsache, dass sie politisch geschmeidig ist. Dass sie sowohl mit den Grünen als auch mit der FDP kann, muss sie in Mainz jeden Tag beweisen.

Aber die SPD wird nicht aus der Krise kommen, wenn sie nur den Vorsitz und die Fraktionsspitze austauscht. Die Partei muss sich von Grund auf erneuern und sich ohne Ansehen der eigenen Geschichte und handelnder Personen die Frage stellen: Wozu braucht man uns? Warum soll im Jahr 2019 jemand SPD wählen?

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Die SPD muss raus aus der unseligen Groko

Es ist offenkundig, dass die SPD in den vergangenen Wahlkämpfen nicht die Themen gefunden hat, die ihr natürliches Klientel sonderlich interessiert. Neben den alten Traditionalisten gibt es einen Haufen Junge und Wechselwähler, die auf lange Parteitradition pfeifen. Sie wollen Lösungen für konkrete Probleme wie unbezahlbare Mieten oder eine miserable Schulsituation. Wer da nicht liefert, wird nicht mehr gewählt.

Kurzum: Die SPD muss auch raus aus dieser unseligen Groko. Sie schrumpft darin wie Schnee in der Frühlingssonne und kommt dem Wähler gemeinsam mit der Union auch noch teuer. Politik nach dem Motto „wenn die Union was Teures durchsetzt, müssen wir auch was kriegen“ ist keine verantwortungsvolle Politik.

Was die Sozialdemokraten brauchen ist eine neue Vision, an die sie selbst und ihre Wähler wirklich glauben. Juniorpartner in einer Großen Koalition zu sein, ist vielleicht staatstragend. Aber es ist keine Vision, und Dankbarkeit gibt es dafür schon gar nicht.

SPD muss sich jetzt erst um sich selbst kümmern

Wenn die SPD überleben will, muss sie sich jetzt zuerst um sich selbst kümmern. Sie muss ihre Programmatik modernisieren und die ganz Jungen mal ranlassen. Es darf auch kein Kriterium mehr sein, dass man möglichst lange in Parteiversammlungen durchgehalten haben muss, um mit einem Amt bedacht zu werden.

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Die Partei braucht dringend Leute, die direkt aus dem echten Leben kommen. Sie braucht Köpfe mit Charisma, mit echter Lebenserfahrung jenseits der klassischen Parteikarriere. Sie benötigt Kommunikationstalente, die auch einen Youtuber Rezo mit guten Argumenten alt aussehen lassen.

Das alles dauert, daher muss sich die SPD ans Werk machen und die Nahles-Nachfolge zügig regeln. Denn viel Zeit bleibt den Sozialdemokraten für ihre Operation Neuanfang nicht mehr.