Berlin. Am Freitag entscheiden die CDU-Delegierten über den neuen Parteivorsitz. Wer die Wahl gewinnt, wird wohl auch der nächste Kanzler.

Es sind noch wenige Stunden, und die Volkspartei CDU hat einen neuen Chef – oder wieder eine Chefin. 18 Jahre hat Angela Merkel die Partei geführt und auf den allerletzten Drücker das Amt freigemacht: Bevor das gekommen wäre, was sie immer vermeiden wollte: ein hässlicher Abschied mit erzwungenem Rücktritt vom Amt.

Es war richtig, den Druck vom Kessel zu nehmen. Deutschland und die Welt erlebt zurzeit eine Regierungschefin, die gelöst ist wie seit Jahren nicht. Nicht einmal Notlandungen oder verpasste Gipfel scheinen sie zu beeindrucken. Der Respekt für ihre Leistung ist an die Stammtische und in die Leitartikelspalten zurückgekehrt.

Wahrscheinlich muss sich Angela Merkel in unbeobachteten Momenten kneifen, um zu realisieren: Nein, es ist kein Traum. Sogar die schärfsten Kritiker, Friedrich Merz und Jens Spahn, loben die Kanzlerin in den höchsten Tönen. Dass sie damit auch eigennützig auf das merkeltreue Lager zugehen wollen – geschenkt.

Die CDU ist nach außen und innen wieder interessant geworden

Aber nicht nur für die Kanzlerin hat sich der Schritt gelohnt. Auch die Volkspartei CDU zeigt seit Wochen, wie viel Leben noch in ihr steckt, und lässt die Konkurrenz gleichzeitig noch älter aussehen. Sicher, nicht jede Regionalkonferenz war ein Angebot für politische Feinschmecker. Aber man spürt: Die Partei ist durch den Diskurs und ein breiteres personelles Angebot wieder interessant geworden – nach außen wie nach innen.

Und ganz egal, wie das Rennen um den CDU-Vorsitz am Ende ausgeht, können sich alle Bewerber am Ende zwar nicht als Sieger, aber immerhin als Gewinner fühlen.

Annegret Kramp-Karrenbauer, die sich überzeugend emanzipiert hat. Weg von der angeblichen „Mini-Merkel“ hin zu einer Politikerin, die für ihre Ziele hohes persönliches Risiko geht und für die Begriffe wie „Bewahren“ und „Politik für die Mitte“ keine Schimpfwörter sind. Damit liegt sie in Umfragen zwar vorne, aber es fehlt noch an echter Emotion.

Friedrich Merz, der mit seiner Kandidatur alle überraschte, hat bewiesen: Klare wirtschaftspolitische Kante, liberaler Geist und rhetorisches Talent wirken wie Turbo-Dünger auf ausgezehrten politischen Boden. Sein vielleicht größtes Verdienst ist, dass er die Herausforderung durch die AfD begriffen und angenommen hat.

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Seine größte Chance: Er hat das Zeug für eine historische Brandrede, mit der er die Delegierten für sich entflammt. Dass auch die graue Eminenz der CDU, Wolfgang Schäuble, jetzt offen für ihn wirbt, macht das Finish besonders spannend.

Und dann noch Jens Spahn. Auch der Kandidat, dem nicht mal mehr Außenseiterchancen eingeräumt werden, hat sich Respekt verschafft. Er hat nicht gleich hingeschmissen, sondern ist sich treu geblieben: Das Amt kommt nicht zum Manne – man muss es sich erkämpfen. Spahn hat bewiesen, dass er ein Steher ist und auch den unbequemen Weg geht.

Wer CDU-Vorsitzender wird, ist automatisch Kanzlerkandidat

Bei der SPD war die letzte Kanzlerkandidatur wie die berühmte heiße Kartoffel. Keiner wollte sie haben – und der Letzte verbrannte sich übel die Finger an ihr. Dabei ist es weder peinlich noch eine Schande, wenn einer früh und mutig sagt: Ja, ich will Kanzler werden! Für Spahn ist eine Niederlage kein Drama. Mit 38 Jahren kann man auf die nächste Chance warten, ohne in Torschlusspanik zu geraten.

Jetzt liegt es an den 1001 Delegierten, die beste Entscheidung zu treffen. Ihre Verantwortung ist groß. Denn wer am Freitag im Hamburg nach der Wahl als Sieger die Arme hochreißt, wird auch ziemlich wahrscheinlich der oder die nächste Kanzler/in sein. Alles andere wäre ein kleines politisches Wunder.