Düsseldorf. Für CDU-Vize Armin Laschet ist klar: Der neue CDU-Vorsitzende wird nicht automatisch Kanzlerkandidat. Ob er selber Ambitionen hegt?

Zwei der drei aussichtsreichsten Bewerber um den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz und Jens Spahn, stammen aus Nordrhein-Westfalen. Aber für wen stimmt der Landesvorsitzende Armin Laschet, dem eine politische Nähe zu Annegret Kramp-Karrenbauer nachgesagt wird?

Laschet sitzt auf einem Sofa in seinem Büro und hebt abwehrend die Hände. Der Ministerpräsident will nur sagen, dass er schon weiß, wie er sich am Freitag beim CDU-Bundesparteitag in Hamburg verhalten wird.

„Ich kenne die Kandidaten ja auch schon alle etwas länger.“ Wichtig ist ihm eines: Der neue Parteichef wird nicht automatisch Kanzlerkandidat.

Herr Laschet, wenn Sie tief in die CDU hineinhorchen – welcher Kandidat für den Parteivorsitz hat die Nase vorn?

Armin Laschet: Ich denke, das Rennen ist völlig offen.

In welcher Rolle sehen Sie sich selbst: der des Königsmachers?

Laschet: Ich bin Vorsitzender des größten Landesverbands. Aber die Frage des Vorsitzes der CDU ist keine Frage der regionalen Herkunft, sondern der Persönlichkeit, des Stils und der Inhalte. So gesehen bin ich einer von 1001 Delegierten beim Bundesparteitag in Hamburg.

Wird der neue CDU-Vorsitzende auch der nächste Kanzlerkandidat der Union?

Laschet: Der Parteivorsitzende der CDU hat immer einen natürlichen Anspruch darauf, dass er Kanzler werden kann. Alle drei Kandidaten haben bei den Regionalkonferenzen aber betont, dass es jetzt darum nicht geht. Wenn die Frage ansteht, werden wir sie gemeinsam lösen.

Es kann also noch einen Kanzlerkandidaten Armin Laschet geben.

Laschet: Diese Frage steht jetzt nicht an. Wir entscheiden über den Parteivorsitz.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagt: Laschet hat das Zeug zum Kanzler.

Laschet: Ich lese das immer wieder mal – selbst von Gerhard Schröder, der dies mit der Verbindung meiner Wirtschaftspolitik mit sozialem Engagement begründet. Aber weder der Chef der Liberalen noch der letzte SPD-Kanzler hat Einfluss auf unsere Delegierten.

Sehen Sie die Gefahr, dass der Wettlauf um den Parteivorsitz zu einer Zerreißprobe in der CDU führt?

Laschet: Im Augenblick sind alle ganz begeistert, dass wir drei Bewerber haben, die unterschiedliche Akzente setzen. Dieser Wettbewerb tut uns auch gut, gerade weil die Kandidaten klar in der Sache, aber fair im Umgang sind.

Zwei allerdings werden nicht gewinnen. Deshalb ist der Zusammenhalt nach dem Parteitag fast das Wichtigste. Alle drei werden in Zukunft gebraucht. Das erfordert eine hohe Fähigkeit zum Konsens.

Annegret Kramp-Karrenbauer im Reuters-Interview

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    Welchen Kurs soll die CDU einschlagen?

    Laschet: Der Kurs der Mitte und Vernunft war für unsere Partei in den letzten Jahren erfolgreich – vor allem aber auch erfolgreich für unser Land. Und für die Bundesregierung gilt weiter der Koalitionsvertrag. Daran wird jeder neue Parteichef sich zu orientieren haben.

    Neue Impulse setzen wir im neuen Grundsatzprogramm, das wir 2020 beschließen wollen, und dem dann folgenden Wahlprogramm für 2021.

    Teilen Sie die Einschätzung des Kandidaten Friedrich Merz, die CDU habe den Aufstieg der AfD nicht ernst genug genommen?

    Laschet: Nein. Wir, auch ich persönlich, haben uns immer bemüht, die AfD in der direkten Auseinandersetzung zu entlarven ...

    ... was ohne großen Erfolg geblieben ist. Haben Sie eine neue Idee, wie Sie die AfD wieder zu einer Randerscheinung machen könnten?

    Laschet: Die AfD radikalisiert sich immer mehr. Dass sich eine Partei von ihrer gesamten Jugendorganisation distanziert und diese auflöst, ist ein beispielloser Vorgang. Das lässt ahnen, welche verfassungsfeindlichen Aktivitäten in den Reihen der AfD stattfinden. Dies müssen wir deutlich machen und vor den Gefahren warnen.

    Die Union hat auch viele Wähler an die Grünen verloren. Wie wollen Sie die zurückgewinnen?

    Laschet: Der Erfolg der Grünen erklärt sich auch damit, dass sie nicht in Regierungsverantwortung sind. Die Grünen profitieren im Moment vom schlechten Auftritt der großen Koalition. Man sollte die Grünen wieder mehr in ihrer Widersprüchlichkeit stellen – und nicht an wohlfühligen Auftritten der Vorsitzenden.

    Die Grünen wollen Hartz IV überwinden. Wie lange verteidigt die Union noch die rot-grünen Arbeitsmarktreformen?

    Laschet: Die Sozialreformen, die die SPD vor eineinhalb Jahrzehnten mit den Grünen und mit Unterstützung von Union und FDP durchgesetzt hat, tragen bis heute zu unserem Wohlstand bei. Ich sehe überhaupt keine Notwendigkeit, diese Errungenschaft grundlegend infrage zu stellen.

    Dass Monat für Monat weniger Menschen arbeitslos sind, bestätigt, dass Deutschland auf dem richtigen Weg ist. Die Reformen von Gerhard Schröder haben Millionen Menschen die Chance gegeben, wieder mit eigener Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen und raus aus den Sozialsystemen zu kommen. Dass SPD und Grüne das nicht offensiv vertreten, erschließt sich mir nicht.

    Viele sagen, Hartz IV bedeute Armut.

    Laschet: Wer von Hartz IV leben muss, gilt im normalen Sprachgebrauch als einkommensarm, ja.

    Trotzdem kein Korrekturbedarf?

    Laschet: Vor Hartz IV hatten wir die Sozialhilfe. Und wer davon leben musste, galt ebenfalls als arm. Wir müssen Menschen aus den Sozialsystemen heraushelfen, damit sie sich selbst ernähren können. Das ist das Kunststück, Armut zu bekämpfen. Dies entspricht auch unserem christlichen Menschenbild.

    Kevin Kühnert über die Hartz IV-Debatte

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      Was ist die wichtigste Herausforderung für den nächsten Kanzler – wenn nicht die Reform des Sozialsystems?

      Laschet: Europa ist von entscheidender Bedeutung – gerade nach dem Brexit. Die nächste Kanzlerschaft muss eigene Ideen entwickeln und darf sich nicht darauf beschränken, Antworten zu geben auf Reformvorschläge des französischen Präsidenten. Anders können wir in der Welt nicht bestehen als Europäer.

      Die zweite Frage betrifft alles, was mit künstlicher Intelligenz zusammenhängt. Wir brauchen eine Riesenanstrengung, um mit China mithalten zu können. Und drittens müssen wir neue Arbeitsplätze schaffen, wenn alte mit der Digitalisierung verloren gehen.

      Was bedeutet das konkret – etwa für das neue Mobilfunknetz 5G? Bundesforschungsministerin Anja Karliczek findet, das Netz sei „nicht an jeder Milchkanne“ notwendig ...

      Laschet: Wir brauchen 5G an jeder Milchkanne. Jeder Bauernhof hat heute Hochtechnologie. Und die stärksten Unternehmen und Weltmarktführer sind heute – gerade in Nordrhein-Westfalen – im ländlichen Raum zu finden. Sie sind auf optimale digitale Infrastruktur angewiesen.

      Am besten erreichen wir das mit einem pragmatischen Ansatz: In Nordrhein-Westfalen haben wir Vereinbarungen mit den Netzbetreibern geschlossen, damit wir hier schneller vorwärtskommen. Wir werden das führende Land bei Netzabdeckung und Geschwindigkeit.

      Auf der anderen Seite werden Autofahrer in immer mehr Städten von Diesel-Fahrverboten gebremst. Wann findet die Politik eine Lösung?

      Laschet: Bund, Länder und Kommunen unternehmen viel, um die Luftqualität zu verbessern. Fahrverbote auf Strecken wie der A40 verschärfen das Problem, da sie zu Ausweichverkehren durch die Städte führen. Die Folge sind noch höhere Stick­oxidwerte dort, wo die Menschen leben.

      Es ist klar, dass die Manipulationen mit dem Diesel zwar eine große Sauerei der Konzerne waren, aber nur zum Teil mit den heutigen Fahrverboten zu tun haben. Dennoch sehe ich die Konzerne in der Pflicht, einen stärkeren Beitrag für mehr Luftreinheit zu leisten.

      Die Fahrverbote gehen auf Klagen der Deutschen Umwelthilfe zurück. Wie beurteilen Sie diese Organisation?

      Laschet: Das ist ein klassischer Abmahnverein, finanziert von einem ausländischen Autokonzern, der die deutsche Autoindustrie schwächen will. Wenige Mitglieder, 100 Hauptamtliche – das könnte sich kein Verein und keine Nichtregierungsorganisation erlauben. Aber das Recht zur Klage und zur Durchsetzung des Rechts hat jeder, unabhängig von seiner Motivation.