München . Markus Söder ist nach seiner Vereidigung als Bayerns Ministerpräsident der starke Mann in der CSU. Ein zweites Amt dürfte bald folgen.

Es ist ein geläuterter Markus Söder, der da am Rednerpult im Maximilianeum steht. Ein Mann der sanften Töne. Gerade ist Söder im Landtag zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt worden, das zweite Mal in seiner Karriere. Die Freude über die Wahl ist dem 51-Jährigen anzusehen. Der CSU-Politiker erhielt 110 der 202 abgegebenen Stimmen. Das war eine Stimme weniger, als Abgeordnete der neu gebildeten Koalition von CSU und Freien Wählern anwesend waren. Von den insgesamt 112 Fraktionsmitgliedern der Koalition fehlte ein Abgeordneter aus Krankheitsgründen.

Der harte bayerische Wahlkampf, der Absturz, erst in den Umfragen, dann – etwas abgemildert – im Wahlergebnis, die Koalitionsverhandlungen: All das hat Spuren hinterlassen, mehr innerliche als äußerliche. Söder, der gern den starken Mann gibt, hat sein Image in dieser Zeit überarbeitet.

Der einstige Scharfmacher Söder wirbt nun um Respekt

Die sanften Töne kommen von einem, der als Scharfmacher in die Politik gezogen war. Dessen Ehrgeiz legendär, die Methoden jedoch durchaus umstritten waren. Der Vater von vier Kindern polarisierte in der Vergangenheit mit seinem ausgeprägten Machtwillen und seiner oft polternden Art.

Doch nun wirbt der Nürnberger für einen anderen Stil im Landtag, für mehr positives Denken. „Lassen Sie uns optimistischer an all die Probleme herangehen. Nicht nur das Negative herauskehren, sondern das Beste für unser Land schaffen“, sagt er an die Abgeordneten gewandt. In der Politik werde in der Sache immer hart diskutiert werden müssen, aber: „Wer andere schlechtmacht, wird selber nie erfolgreich sein.“

Nur das Ringen um das Beste mache den Parlamentarismus stark, „nicht das Verächtlichmachen des anderen“. Söder wirkt staatsmännisch, betont versöhnlich, gibt sich als Landesvater, gleichzeitig als Hüter der politischen Kultur im Landtag. Ausgerechnet er, der zuvor seine Reden im Landtag oft abgewandt von der Opposition hielt.

Koalitionsvertrag verlangt der CSU nicht allzu viel ab

Nun steht er sehr aufrecht am Rednerpult, Rücken durchgedrückt, und lässt seinen Blick nach links und rechts schweifen. Auf der einen Seite sieht er rechts außen die AfD sitzen und nicht mehr seine Fraktion. Denn auch wenn Söder souverän zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, die CSU muss künftig die Macht mit den Freien Wählern und deren Vorsitzendem Hubert Aiwanger teilen. Der Trost: Es ist eine bürgerliche Mehrheit entstanden, der Koalitionsvertrag hat der CSU nicht allzu viel abverlangt. So schäkern Aiwanger und er vor seiner Wahl miteinander, Söder blickt auch mehrmals zu seiner Frau Karin empor, die im Landtag auf der Tribüne sitzt.

Hubert Aiwanger, Landesvorsitzender der Freien Wähler.
Hubert Aiwanger, Landesvorsitzender der Freien Wähler. © dpa | Sven Hoppe

Er ist erleichtert, erneut in der bayerischen Staatskanzlei zu sitzen, man sieht es an seinem Grinsen. Bereits am Abend der Landtagswahl konnte Söder trotz des schwächsten Ergebnisses der CSU in Bayern seit fast 70 Jahren seine Erleichterung nicht verbergen. Es hätte noch eine schlimmere Abstrafung geben können. Und nun ist er froh, dass ihm seine neue Koalition bei der geheimen Wahl zum Ministerpräsidenten kein Bein gestellt hat.

Und er weiß, dass er der neue starke Mann der CSU ist. Söder hatte den CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer im März nach langem Machtkampf zwischen den beiden als Ministerpräsident abgelöst. Damals war Söder im Landtag vom Parlament mit ebenso vielen Stimmen gewählt worden, wie Abgeordnete der CSU anwesend waren. Ein Triumph: „Ab 50 beginnt im Leben eines Mannes die Zeit der Ernte“, zitiert er gern seinen Vater.

Seehofer und Söder pflegen gegenseitige Abneigung

Auch die Rivalität zwischen Seehofer und Söder ist in der CSU legendär, ebenso wie die gegenseitige Abneigung. Bereits vor Jahren warf Seehofer dem jüngeren Söder „charakterliche Schwächen“ und einen „pathologischen Ehrgeiz“ vor. Söder, damals immerhin Finanzminister im bayerischen Kabinett von Seehofer, leiste sich „zu viele Schmutzeleien“, ließ Seehofer Journalisten wissen. Wenn er abtreten müsse, dann ziehe er Söder mit, soll Seehofer noch vor Kurzem in Berlin geraunt haben.

Doch nun könnte es anders kommen. Es ist nun Söder, der als Anwärter auf den Parteivorsitz gilt. Seehofer, kein Freund schneller Entschlüsse, hat angekündigt, sich in der nächsten Woche zur zukünftigen Aufstellung der CSU erklären zu wollen. Die meisten in der Partei rechnen mit seinem Rückzug.

Seehofer versteht zwar nicht, dass er allein für das schlechte Wahlergebnis verantwortlich gemacht wird. Söder hat nach der Wahl jedoch eine kluge Strategie gewählt. Er müsse sich voll auf die Regierungsbildung in Bayern konzentrieren, sagte er, gab kaum Interviews, nur vereinzelt kurze Äußerungen zum Stand der Verhandlungen mit den Freien Wählern, kein Spekulieren über den Parteivorsitz. Diese Zeit habe er souverän durchgezogen, bescheinigen ihm auch kritischere Stimmen in München.

Merkel hat sich mit Söder arrangiert

Auch in der großen Koalition rechnet man damit, dass der neue starke Mann in der CSU Söder heißen wird. Manfred Weber, ebenso ehrgeizig wie Söder, würde auch gern nach dem Vorsitz greifen. Doch er stellt sich in dieser Woche als EVP-Spitzenkandidat in Helsinki zur Wahl, will langfristig EU-Kommissionspräsident werden.

Manfred Weber (CSU), Fraktionsvorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament.
Manfred Weber (CSU), Fraktionsvorsitzender der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament. © dpa | Sven Hoppe

Diese Brüsseler Ambitionen mit dem CSU-Vorsitz zu verknüpfen ist in den Augen der Basis eher schwierig. Auch im Kanzleramt hat man sich mit Söder arrangiert – es ist keine große Herzlichkeit, aber Angela Merkel traf Söder und seine Frau im bayerischen Wahlkampf. Im Zweifel ist Söder gerade das kleinere Übel für eine Kanzlerin, die nach dem Rückzug der erneuten Kandidatur um den CDU-Vorsitz um ihre Macht an der Regierungsspitze kämpfen muss.

Seehofer sagte nach der bayerischen Wahl, er hänge nicht an seinen Ämtern, er habe Söder bereits zweimal den CSU-Vorsitz angeboten. Doch Söder habe abgelehnt. Von Söder gibt es dazu offiziell kein Wort, doch jetzt soll er intern signalisiert haben, dass er bereit ist, auch dieses Amt zu übernehmen.

An Söder vorbeizukommen wird schwer in der CSU

Söder hat seine Gesellenzeit als Ministerpräsident bereits hinter sich. Im Sommer befeuerte er an der Seite von Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den erbitterten Streit mit der CDU um Zurückweisungen an den Grenzen. Doch als klar wurde, dass das Migrationsthema die Seele der bayerischen Wähler nicht komplett erreicht, vielmehr der Streit für negativ befunden wurde, änderte er die Tonlage. Mit Erfolg.

Schon 2017 erklärte Söder schmunzelnd den Song der Rolling Stones „Time Is On My Side“ (die Zeit läuft für mich) zu einem seiner Lieblingstitel. Er hat recht behalten.