Paris/Berlin. Frankreichs Präsident Macron ist über den EU-Kurs der Kanzlerin enttäuscht – dennoch braucht er Berlin für Erfolge auf der EU-Bühne.

Frankreichs Präsident gönnt sich über Allerheiligen einen außerplanmäßigen Kurzurlaub. Er brauche dringend ein wenig Erholung, heißt es aus seiner Entourage. Aber vielleicht wurde Emmanuel Macron auch von einer politischen Herbstdepression eingeholt. Durchaus möglich, dass der sonst so dynamisch auftretende Chef des Élysée-Palasts eine Verschnaufpause benötigt. Die Nachricht, dass Angela Merkel auf eine erneute Kandidatur für den CDU-Parteivorsitz verzichtet, ist für ihn ein Rückschlag.

Wie in Berlin stellt man sich in Paris die Frage, ob nun ein vorzeitiges Ende von Merkels Kanzlerschaft droht. Eine Perspektive, die „nichts Beruhigendes“ habe, wie Macron öffentlich einräumte. Die Sorge des Franzosen ist nachvollziehbar. Mit Merkel würde nach dem abgewählten italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni die zweite Führungspersönlichkeit von der Bühne treten, die Macron ursprünglich als die wichtigsten Verbündeten in seinem Bemühen um eine tiefgreifende Reform der EU ansah.

Es ging ihm dabei vor allem um eine tiefere Integration der Eurozone mit einem eigenen Budget für den Währungsverband. Seit seinem Amtsantritt führt Macron einen Zwei-Fronten-Krieg. Doch während er in der Heimat bislang eine innenpolitische Reform nach der anderen durchboxte, scheint sich seine große Euro-Initiative festgefahren zu haben.

In Paris hofft man auf kleinere Fortschritte, etwa bei einer Bankenunion

Ein Grund hierfür: Die von Merkel erwartete Rückendeckung fiel eher halbherzig aus. Macron schmerzte dies. Doch er hielt seine Enttäuschung zurück und schickte stattdessen seinen Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire vor, der immer wieder gegen die lasche Antwort aus Deutschland stichelte.

Nach dem Teil-Rückzug von Merkel sei die Lage „nicht einfach“, heißt es in französischen Regierungskreisen. Der Präsident bemühe sich nun, in der EU „neue Allianzpartner“ zu finden. So habe er eine „gute Chemie“ mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. Doch Macron ist realistisch: Ohne eine Achse mit Berlin und ohne einen halbwegs vernünftigen Schulterschluss mit Merkel wäre die Situation noch schwieriger. Statt einem üppigen Eurozonen-Budget hofft man in Paris auf kleinere Fortschritte, etwa bei einer europäischen Bankenunion.

Macron braucht dringend vorzeigbare Ergebnisse, um den Euroskeptikern im eigenen Land das Wasser abzugraben. Die Rechtsextremistin Marine Le Pen stellte bereits triumphierend fest, dass „Macron immer weniger Verbündete in Europa“ habe und diese „immer schwächer“ würden. Wobei jüngste Umfragen mit Blick auf die Europawahlen im Mai 2019 Le Pens in „Rassemblement National“ (RN) umgetauften Front National derzeit beinahe gleichauf mit der Präsidentenpartei „La République En Marche“ (LREM) sehen. Anders gesagt: Im Frühjahr geht es nicht nur um Europas Zukunft, sondern auch um Macrons Glaubwürdigkeit.