Berlin. Die Bayern-Wahl zeigte, dass die SPD sehr tief gefallen ist. Die Wahl in Hessen wird schicksalhaft für die Partei – und für die GroKo.

Die Analysen der Meinungsforscher, die Andrea Nahles nach der Bayern-Wahl auf ihren Konferenztisch gelegt bekommen hat, müssen für die SPD-Vorsitzende neben dem einstelligen Ergebnis eine erschreckende Lektüre gewesen sein. Als einziger Partei (!) im Freistaat gelang es den Sozialdemokraten nicht, bisherige Nichtwähler zu überzeugen, bei der SPD ihr Kreuzchen zu machen. Dabei stieg die Wahlbeteiligung von 64 auf fast 73 Prozent.

Die Partei Willy Brandts, Helmut Schmidts und Gerhard Schröders hat im Südwesten und in Bayern ihren Status als Volkspartei an die Grünen verloren, die urbane Mitte in Metropolen wie München hat die SPD abgeschrieben. Grüne führen die Proteste im Hambacher Forst und beim Diesel an. Die SPD wirkt ewig gestrig, verloren im Indus­triezeitalter.

Der Absturz geschieht so rasant, dass der Führung schwindlig wird. Bitter dabei ist, dass die Dauerzündler von der CSU letztlich glimpflicher davongekommen sind als die Genossen.

Der Abstieg der SPD erinnert an die FDP

Das alles erinnert an die FDP, die 2013 aus dem Bundestag flog. Noch bewegt sich die SPD auf einem höheren Niveau. Aber der Spruch, den der Liberale Wolfgang Kubicki seinerzeit auf den eigenen Laden münzte, gilt nun ungeschönt für die Sozialdemokratie: „Die Marke SPD ist in Verschiss.“ Dass der Niedergang bereits mit den Hartz-Reformen begann und die Linke in ganz Europa schwindsüchtig ist, macht die Analyse für Nahles & Co. nicht erträglicher.

Die Hessen-Wahl in zwölf Tagen wird für die 48-Jährige, die erst sechs Monate im Amt ist, vielleicht schon ein Endspiel. Sollten die vor Selbstbewusstsein strotzenden Grünen mit dem Rückenwind aus Bayern die alte Dame SPD auch an Rhein und Main abhängen und einen Regierungswechsel verhindern, wird sich der Frust in der SPD Bahn brechen.

Raus aus der Todesspirale GroKo, das ist inzwischen über das Lager der Linken hinaus der Hilfeschrei einer gedemütigten Partei. Wenig tröstlich für Nahles ist, dass auch Angela Merkel massiv unter Druck steht. Erst ging ihr Vertrauter Volker Kauder über Bord, wählte die Unionsfraktion den Finanzpolitiker Ralph Brinkhaus an ihre Spitze, um Merkel Beine zu machen.

Ein Sieg in Hessen könnte Befreiungsschlag für Merkel sein

Verliert nun auch Volker Bouffier, der ihr in der Flüchtlingspolitik stets zur Seite stand, nach fast zwei Jahrzehnten CDU-Dominanz die Macht in Hessen, braucht sich Merkel beim Parteitag im Dezember nicht um eine Verlängerung ihres bereits 18 Jahre währenden Vorsitzes zu bemühen.

Gewinnt Bouffier, könnte das für Merkel ein Befreiungsschlag sein. Zumal CSU-Quälgeist Horst Seehofer vorerst damit beschäftigt sein dürfte, dahoam in Bayern seinen Kopf zu retten. Selbst wenn die SPD nach Hessen die Koalition fluchtartig verlassen sollte, was Nahles noch verhindern will, würde sich für die Kanzlerin anbieten, in einer Minderheitsregierung gemeinsam mit den Grünen zu regieren – das würde nebenbei die SPD vor Neuwahlen bewahren. In der Kohlekommission werden bereits schwarz-grüne Weichen gestellt, um den Ausstieg aus dem Klimakiller vorzubereiten.

Selbst ein neuer Anlauf für Jamaika wäre denkbar. FDP-Chef Christian Lindner will zwar nur auf die Regierungsbank, wenn die CDU Merkel opfert. Aber wer weiß? Noch einmal kann sich Lindner der staatspolitischen Räson nicht verweigern.

Vielleicht bleibt nach Hessen auch alles beim Alten. Die Koalition, die sich selbst verzwergt hat, wird nicht mehr aus dem Knick kommen. Maaßen, Diesel, die nächste Krise kommt bestimmt. Da verwundert es nicht, dass der Chor der GroKo-Kritiker immer lauter wird.