Berlin. Die neuen Klimaauflagen für die Autoindustrie sind mit hohem Risiko behaftet – für die Branche, aber auch für den Standort Deutschland.

Das ist ein Schlag für die deutsche Autoindustrie: Die Hersteller haben schon mit den geltenden europaweiten Grenzwerten für das klimaschädliche Kohlendioxid ihre liebe Not – wegen des Einbruchs beim Dieselabsatz und des Trends zum SUV werden die strengen Vorschriften für das Jahr 2021 wohl zum Teil verfehlt, einigen Pkw-Produzenten drohen satte Milliardenstrafen. Und nun legt die europäische Politik ungerührt die Latte für das kommende Jahrzehnt erneut drastisch höher.

Die Autobauer sollen bei ihrer Neuwagen-Flotte bis ins Jahr 2030 den CO so haben es die EU-Umweltminister gerade beschlossen.

Dass die Ministerrunde damit ursprüngliche Pläne verschärft hat, war wohl nicht mal das letzte Wort: Gut möglich, dass in den finalen Verhandlungen mit dem gern zu Übertreibungen neigenden EU-Parlament eine weitere Schippe draufgelegt wird. Der jüngste Klimabericht scheint den Befürwortern ehrgeiziger Grenzwerte Auftrieb zu geben.

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    Die deutsche Wirtschaft hängt maßgeblich von der Autoindustrie ab

    Aber wissen sie wirklich, was sie tun? Der neue Kurs ist eine enorme Herausforderung nicht nur für die Fahrzeugbauer, sondern für den Standort Deutschland, dessen wirtschaftliches Wohlergehen zum Gutteil von der Autoindustrie abhängt. Die wird jetzt in Europa mit drastischen Mitteln zum eiligen Technologiebruch gezwungen: Die neuen Grenzwerte sind wohl nur mit einem schnellen Umstieg auf das Elektroauto einzuhalten.

    So wünschenswert dieser Durchbruch zum Null-Emissionsauto ist: Dass er gelingt, ist nicht sicher. Und er liegt nur zum Teil in den Händen der Hersteller. Ob es schnell genug zu Fortschritten in der Batterietechnologie kommt, ob die Kunden ihre Abneigung gegen die Stromer überwinden, ob es genügend Ladesäulen gibt – all das ist ungewiss. Die Vorgaben ohne jede Vorsichtsmaßnahme oder Überprüfungsklausel sind ein beträchtliches Risiko für die Branche und eine Last im scharfen internationalen Wettbewerb.

    Die Konzerne sind selbst schuld

    Freilich, die Fahrt ins technologische Abenteuer haben sich die Konzerne zum Gutteil selbst zuzuschreiben: Vor allem der skrupellose Betrug, der als Dieselskandal bekannt wurde und bei dessen Aufarbeitung die Spitzenmanager bis heute einen erstaunlichen Hochmut an den Tag legen, hat zu einem massiven Vertrauensverlust in Brüssel und Berlin geführt. Die Neigung, den Argumenten der Hersteller zu folgen, ist arg zurückgegangen.

    Zugleich müssen sich die Unternehmen fragen lassen, ob sie in Europa wirklich noch ausreichend in Forschung und Entwicklung investieren – oder die Elektromobilität nicht lieber gleich in Asien vorantreiben.

    Die Bundesregierung reagiert in dieser Lage nur bedingt hilfreich: Reichlich spät hat sich die Kanzlerin dazu durchgerungen, mit Rücksicht auf die heimischen Konzerne in Brüssel auf die Bremse zu treten. Da hatten sich längst andere Allianzen gebildet. Die Überzeugungskraft der Kanzlerin hat gelitten.

    Die neuen Ziele zur CO2-Minderung gelten nur für den Autobau

    Es ist aber auch bezeichnend, dass die Umweltminister sich nicht darauf einigen konnten, generell schärfere Ziele für die Kohlendioxidminderung festzulegen. Nur beim Autobau, der in den meisten EU-Staaten keine große Rolle spielt, sollen Zeichen gesetzt werden. Ausgang ungewiss.

    Nach all den Fehlleistungen der letzten Jahre braucht man kein Mitleid mit den Autobossen zu haben – aber trotzdem kann man sich nur wünschen, dass dieses Experiment gut geht. Es steht viel auf dem Spiel, nicht nur für die Autobauer, sondern für den Industriestandort Deutschland.