Berlin. Das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel ist eines zwischen Normalität und historischer Bürde. Das ist eine gute Errungenschaft.

Das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel ist vielschichtig, schwierig – und trotz der historischen Bürde zumindest in Teilen von Normalität geprägt. Zwei Kerndaten unterstreichen dies: Vor knapp 80 Jahren zündeten Nazis mehr als 1400 Synagogen an. Tausende Geschäfte und Wohnungen von Juden wurden in der „Reichskristallnacht“ zerstört. Am Donnerstag fanden in Jerusalem die siebten Regierungskonsultationen zwischen beiden Ländern statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die Ehrendoktorwürde der Universität Haifa erhalten hatte, sprach angesichts dieser Entwicklung von einem „Wunder“.

Und dennoch kann die Vergangenheit aus der politischen Alltagsroutine nicht weggedacht werden. Den „Zivilisationsbruch der Shoah“ verbindet Merkel mit einer moralischen Verpflichtung: „Daraus erwächst die immerwährende Verantwortung Deutschlands, an dieses Verbrechen zu erinnern und Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, Hass und Gewalt entgegenzutreten.“

In Merkels Worten schwingt eine Mahnung mit

Dies ist nicht nur eine messerscharfe Abgrenzung von am rechtsextremen Rand fischenden Populisten wie AfD-Chef Alexander Gauland; der hatte das Dritte Reich als „Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ verharmlost. Dahinter steckt auch eine Mahnung zu permanenter Wachsamkeit mit Blick auf die wachsende Zahl antisemitischer Vorfälle hierzulande.

Gleichwohl gibt es Bereiche, in denen die Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel immer besser läuft. Die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur oder bei der Cyber-Sicherheit – hier ist Israel weltweit führend – wird erfreulicherweise noch enger.

Die Fassade der Normalität kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide Länder in wichtigen politischen Punkten Differenzen haben. Am deutlichsten ist dies in der Iran-Frage: Die Regierung in Jerusalem unterstützt US-Präsident Donald Trump beim Ausstieg aus dem internationalen Atomabkommen mit Teheran. Die Kanzlerin hält dagegen. Ihre Botschaft: Nur der Vertrag biete hinreichend Gewähr, dass der Iran keine Kernwaffen entwickle. Dies sei die einzige Möglichkeit, ein nukleares Wettrüsten in der Krisenregion Nahost zu verhindern.

Auch bei Israels unverändert betriebener Siedlungspolitik im Westjordanland und in Ost-Jerusalem gibt es Reibungspunkte. Ganz zu schweigen von der Zwei-Staaten-Lösung, die Jerusalem stillschweigend beerdigt hat, wie man in Berlin kritisch vermerkt.

Israel zeigt sich besorgt über Entwicklungen in Deutschland

Israel weist dies zurück und schaut mit Sorge auf die neuesten Entwicklungen in Deutschland. Premier Benjamin Netanjahu warnt vor einer Vermischung des neuen Antisemitismus, etwa durch radikalisierte Muslime, mit dem klassischen Antisemitismus der Rechtsradikalen.

Die Verhärtung der Standpunkte mag zum einen am Rechtsruck in der israelischen Politik und Gesellschaft liegen. Netanjahu führt seit 2015 eine religiös-nationalistische Koalition, die einen Ausgleich mit den Palästinensern ganz hinten auf die Agenda gerückt hat. Zum anderen sieht sich Israel in einer feindlichen Umgebung bedroht wie kaum ein anderes Land. In der EU, aber auch in Deutschland fehlt es gelegentlich an Verständnis und Einfühlungsvermögen für diese heikle Lage.

Dennoch: Es sollte nicht gering geschätzt werden, dass Deutsche und Israelis ihre Meinungsverschiedenheiten offen benennen können. Und zwar ohne öffentliche Zurechtweisung und moralische Besserwisserei. Das ist angesichts der Schatten der Vergangenheit ein beachtlicher Fortschritt.