Berlin. Die Finanzen der Fraktionen gehören auf den Prüfstand. Kaum jemand nimmt von ihnen Notiz. Doch mehr Transparenz wäre dringend geboten.

Die Demokratie ist uns lieb und teuer. Die Frage ist weniger, was sie kostet, sondern was sie uns wert ist. Viel.

Das positive Vorurteil gegenüber dem Parteiensystem sollte uns nicht blind machen. Die Finanzierung der Bundestagsfraktionen wirft Fragen auf, die man nicht vom Tisch wischen darf.

Das beginnt bei ihrer letzten Erhöhung, die auch im Hohen Haus hoch umstritten war und verdächtig üppig ausfiel, immerhin um 30 Prozent. Dabei haben einige Fraktionen schon erstaunlich viel (Steuer-)Geld auf der hohen Kante, vor allem die Christdemokraten. Es ist keine üble Nachrede, wenn der Steuerzahlerbund argwöhnt, dass die Fraktionen „überfinanziert“ seien. Der Verdacht liegt auf der Hand.

Auch der Umfang der Zuschüsse ist kritikwürdig

Im Vergleich zu jeder Diätenerhöhung, die von Misstrauen begleitet wird, nimmt kaum jemand Notiz von den Finanzen der Fraktionen. Und die verfahren nach dem Motto „Geld hat man, darüber redet man nicht“.

Mehr Öffentlichkeit aber wäre dringend nötig. Kritikwürdig ist vieles, angefangen mit der Größenordnung der Zuschüsse von mittlerweile 115 Millionen Euro im Jahr. Es fehlen nachvollziehbare Maßstäbe für die Bedarfsermittlung. Diskutabel ist auch, dass sie unbegrenzt Geld zurücklegen können, nur vage und intransparent Rechenschaft leisten, selbst gegenüber dem Bundesrechnungshof. Kontrolle kommt zu kurz.

Vor allem gibt es keine Sanktionen, wenn eine Fraktion Rücklagen zweckentfremdet – wie die FDP im Wahljahr 2013. Sie hat damals keine Vorsorge betrieben, sondern mit dem „Notgroschen“ ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärkt. Es war das reinste Casino-Gebaren: Die Liberalen setzten Millionen auf diese eine Wahl. Alles oder nichts.

Die Lösung ist nicht einfach

Wären die Liberalen in den Bundestag eingezogen, wäre es noch einmal gut gegangen. So aber blieb nicht genug Geld übrig, um die Altersvorsorge ihrer Mitarbeiter zu garantieren. Streng genommen ist bis heute ungeklärt, ob eine Fraktion insolvenzfähig werden darf oder nicht; wer aus welchen Töpfen für Ansprüche geradesteht.

Der neue Bundestag - ein Parlament der Rekorde

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    Eine Lösung ist nicht so einfach. Schreibt der Bundestag den Fraktionen vor, jedes Jahr ihre Zuschüsse auszugeben, bricht ein bekanntes Phänomen aus: das „Dezemberfieber“. Mit vorausschauendem Handeln hat es wenig zu tun. Werden die Fraktionen verpflichtet, das Geld innerhalb der Legislaturperiode auszugeben, gibt man dem Affen Zucker.

    Je näher ein Wahljahr rückt, desto größer ist die Versuchung, mit teuren Kampagnen indirekt jeweils für die eigene Partei zu werben.

    Besser Rückstellungen als Rücklagen

    Besser wäre es, die Fraktionen würden künftig gar keine Rücklagen, sondern nur Rückstellungen bilden, also Geld nur noch zweckgebunden für klar definierte Aufgaben zurücklegen. Wenn tatsächlich mal was passiert, was unvorhersehbar war, ließen sich die finanziellen Folgen mit einem Sonderzuschlag regeln.

    Vor allem muss das Controlling so geregelt werden, dass Rückstellungen nicht zweckentfremdet werden können. Solche Missbrauchsfälle sind keine Bagatellen. Für die Akzeptanz der Politik ist allein der Verdacht der Selbstbedienung verheerend.

    Niemand kann dem Bundestag eine Regelung der Fraktionsfinanzen abnehmen. Er muss selbst die Kraft aufbringen, Systemlücken zu erkennen, zu benennen und anzugehen. Diese Diskussion anzustoßen und anzuführen – eine Übung in politischer Hygiene –, wäre eine lohnende Aufgabe für den Bundestagspräsidenten. Herr Schäuble, übernehmen Sie?