Berlin. Es gab viel Harmonie beim Gipfel zwischen Angela Merkel und Pedro Sánchez. Doch die Steuerung der Migration klappt nicht wirklich.

Schöne Bilder erreichen uns aus Andalusien. Bundeskanzlerin Angela Merkel stapft mit dunkelblauer Freizeitbluse durch den goldgelben Sand, Gatte Joachim Sauer läuft in kurzen Hosen neben ihr. Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez tänzelt in Jeans durch die Strandlandschaft, begleitet von Ehefrau Begoña Gómez, ebenfalls in lockerem Sommer-Dress. Merkel sieht entspannt aus – manchmal zumindest. Der vor wenigen Wochen aufflammende Asylstress mit Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer scheint in diesen Momenten weit weg.

Die Polizei in Marokko soll aufgerüstet werden

Unter der Sonne Südspaniens erwartet die Kanzlerin ein Polit-Festival der Harmonie. Merkel und Sánchez wollen sich der Welle der Fremdenfeindlichkeit, die über Teile Europas schwappt, entgegenstemmen. Beide befürworten eine solidarische Verteilung der Migranten – wobei unklar ist, was das für welches Land genau bedeutet. Darüber hinaus machen sie sich für einen größeren Schutz der EU-Außengrenzen stark. Und: Die Polizei in Marokko, von wo mittlerweile die meisten Flüchtlinge Richtung Europa in See stechen, soll mit deutlich mehr Brüsseler Geldern aufgerüstet werden.

Merkel besucht Sánchez in Spanien

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Mitte August Spaniens Premierminister Pedro Sánchez besucht, um eine gemeinsame Linie in der Migrationspolitik zu finden. Schon der Empfang in der Gemeinde Sanlucar rund 50 Kilometer südwestlich der andalusischen Regionalhauptstadt Sevilla war sehr herzlich.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Mitte August Spaniens Premierminister Pedro Sánchez besucht, um eine gemeinsame Linie in der Migrationspolitik zu finden. Schon der Empfang in der Gemeinde Sanlucar rund 50 Kilometer südwestlich der andalusischen Regionalhauptstadt Sevilla war sehr herzlich. © REUTERS | MARCELO DEL POZO
Merkel reiste mit ihrem Ehemann Joachim Sauer (2. v. l.) an, Pedro Sánchez empfing die beiden zusammen mit seiner Ehefrau Begona Gomez.
Merkel reiste mit ihrem Ehemann Joachim Sauer (2. v. l.) an, Pedro Sánchez empfing die beiden zusammen mit seiner Ehefrau Begona Gomez. © dpa | Javier Fergo
Merkel und Sánchez beim Gartenspaziergang. Sowohl deutsche als auch spanische Journalisten berichteten, dass die Chemie zwischen den beiden stimmt.
Merkel und Sánchez beim Gartenspaziergang. Sowohl deutsche als auch spanische Journalisten berichteten, dass die Chemie zwischen den beiden stimmt. © dpa | Laura Leon
Bei einer Pressekonferenz am Ende des ersten Tages erklärten Merkel und Sánchez, dass sie künftig gemeinsam den Flüchtlingszuzug aus Marokko eindämmen wollen.
Bei einer Pressekonferenz am Ende des ersten Tages erklärten Merkel und Sánchez, dass sie künftig gemeinsam den Flüchtlingszuzug aus Marokko eindämmen wollen. © dpa | Javier Fergo
Auch eine Bootstour stand auf dem Programm. Das Treffen war auch anberaumt worden, weil in den letzten Monaten immer mehr Flüchtlinge aus Afrika den Weg an die spanischen Küsten gesucht hatten.
Auch eine Bootstour stand auf dem Programm. Das Treffen war auch anberaumt worden, weil in den letzten Monaten immer mehr Flüchtlinge aus Afrika den Weg an die spanischen Küsten gesucht hatten. © dpa | Laura Leon
Die Reisegruppe machte am Tag darauf einen Abstecher in den nahegelegenen Nationalpark Donana.
Die Reisegruppe machte am Tag darauf einen Abstecher in den nahegelegenen Nationalpark Donana. © dpa | Laura Leon
Merkel und ihr Ehemann sind zu dieser Jahreszeit nicht selten in Österreich auf privater Wandertour. Statt Alpenpanorama gab es nun spanischen Sand. Joachim Sauer griff immerhin zu gewohnter Garderobe.
Merkel und ihr Ehemann sind zu dieser Jahreszeit nicht selten in Österreich auf privater Wandertour. Statt Alpenpanorama gab es nun spanischen Sand. Joachim Sauer griff immerhin zu gewohnter Garderobe. © dpa | Laura Leon
Die Tour führte auch am Zuchtzentrum El Acebuche vorbei, das im Nationalpark liegt. Ob der Luchs im Käfig die Debatte beeinflusste, ist nicht bekannt.
Die Tour führte auch am Zuchtzentrum El Acebuche vorbei, das im Nationalpark liegt. Ob der Luchs im Käfig die Debatte beeinflusste, ist nicht bekannt. © dpa | Laura Leon
In Spanien kam der Besuch der Kanzlerin gut an. „Sánchez und Merkel stärken die Achse gegen die Ausländerfeindlichkeit in Europa“, titelte am Sonntag auf Seite eins zum Beispiel „El País“, die linksliberale Renommierzeitung.
In Spanien kam der Besuch der Kanzlerin gut an. „Sánchez und Merkel stärken die Achse gegen die Ausländerfeindlichkeit in Europa“, titelte am Sonntag auf Seite eins zum Beispiel „El País“, die linksliberale Renommierzeitung. © dpa | Laura Leon
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Das sind wohlklingende Absichtserklärungen. In der Praxis gibt es aber nur wenige Fortschritte. Auch das gerade unterzeichnete Rücknahme-Abkommen zwischen Deutschland und Spanien ist de facto eine Nullnummer. Demnach sollen Migranten, die in Spanien bereits Asyl beantragt haben und an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden, innerhalb von 48 Stunden zurückreisen. Seit Mitte Juni traf dies aber auf keinen einzigen Fall zu. Die Rücknahme-Vereinbarung ist reine Symbolpolitik.

Wirklich wichtig wäre eine Rücknahme-Abkommen mit Italien

Eine derartige Regelung wäre vor allem mit Italien erforderlich. Doch Innenminister Matteo Salvini von der rechtsnationalen Lega-Partei würde nur dann Asylbewerber aus Deutschland zurücknehmen, wenn er im Gegenzug mehr Flüchtlinge aus Italien nach Norden abschieben könnte. Diese Rechnung wäre allerdings in Deutschland nur schwer zu vermitteln.

Das Grundproblem besteht darin, dass der Dublin-Vertrag der EU nicht funktioniert. Er besagt, dass Migranten in dem Staat Asyl beantragen, in dem sie erstmals EU-Territorium betreten. Dieses Einmaleins der europäischen Flüchtlingspolitik wurde nie umgesetzt. Auch alle von Brüssel beschlossenen Verteilquoten waren nicht haltbar, da sich EU-Mitgliedsstaaten querlegten. Zuerst in Osteuropa, dann aber auch in Österreich und Italien.

Die Beschlüsse des EU-Gipfels vom Juni sind eine Luftbuchtung

Der Feuerwehr-Kompromiss beim EU-Gipfel Ende Juni erwies sich ebenfalls als Luftbuchung. Er sieht den Ausbau des Grenzschutzes, Sammellager für Flüchtlinge in Nordafrika sowie geschlossene Asylzentren in Europa vor. Alles auf der Basis der Freiwilligkeit. Der Haken an der Sache: Niemand hat bislang den Finger gehoben, nicht einmal die Regierung in Spanien.

Ob sich das bald ändert, darf bezweifelt werden. Die EU wird wohl ihre Hoffnung auf Marokko setzen und die dortige Küstenwache mit neuen Helikoptern, Patrouillenbooten und neuem Gerät ausstatten. Die Rede ist von rund 130 Millionen Euro statt wie bisher von 35 Millionen Euro.

Marokko wäre bei der Kontrolle der Migration eine Art vorgeschobener Grenzposten der EU – ähnlich, wie das bereits mit Libyen und der Türkei praktiziert wird. Beim nächsten Gipfel am 20. September in Salzburg muss die EU beweisen, dass sie mehr als hehre Worte liefern kann. Falls nicht, dürfte Innenminister Seehofer wieder den Knüppel nationaler Alleingänge bei der Zurückweisung von Flüchtlingen schwingen. Wenige Wochen vor der Landtagswahl in Bayern wäre die Wahrscheinlichkeit jedenfalls hoch.