Madrid. Beim Spanien-Besuch der Kanzlerin stimmt die Chemie zwischen ihr und Regierungschef Sánchez. Sie wollen bei der Migration kooperieren.

Während Bundeskanzlerin Angela Merkel am Samstagvormittag in Südspanien einschwebte, wo ihr Jet auf der Militärbasis Rota an der andalusischen Küste landete, fischte unten im Meer der Seenotrettungsdienst gerade etliche Menschen aus dem Wasser. Ein Schlauchboot mit Flüchtlingen war in den Wellen gekentert, neun Schiffbrüchige konnten gerettet werden. Kurz zuvor landete ein weiteres Migrantenboot an einem Strand im südspanischen Cádiz, wo die Auffanglager überfüllt sind. Am Vortag waren vor der südspanischen Küste 270 Immigranten gerettet worden.

So gesehen war der Ort, an dem sich Merkel und Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez trafen, passend gewählt, um ihre strategische Allianz in der Migrationskrise zu stärken. Die andalusische Kleinstadt Sanlúcar de Barrameda, wo sich die beiden zusammensetzten, liegt gerade einmal 60 Kilometer von Cádiz entfernt – einem der Migrationsbrennpunkte an der Küste.

Die Chemie stimmt zwischen Merkel und Sánchez

Sánchez verbringt ganz in der Nähe, im berühmten Doñana-Nationalpark, seinen Sommerurlaub. Dort logiert er im staatlichen Palast Marismillas, in dem auch Merkel übernachtet. Es ist Merkels zweiter Spanienbesuch in diesem Jahr: Ostern war sie auf der Kanaren­insel La Gomera.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird nach ihrer Ankunft in Sanlucar de Barrameda von Spaniens Premierminister Pedro Sánchez begrüßt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wird nach ihrer Ankunft in Sanlucar de Barrameda von Spaniens Premierminister Pedro Sánchez begrüßt. © REUTERS | MARCELO DEL POZO

Die Chemie zwischen der Christdemokratin und dem Sozialisten stimmt. Merkel, die von ihrem Ehemann Joachim Sauer begleitet wurde, und Sánchez sprachen über eine Reform der Dublin-Verordnung der EU. Nach dieser Regelung müssen Flüchtlinge eigentlich in dem Mitgliedsland ihren Asylantrag stellen, in dem sie europäischen Boden betreten – was aber oft nicht geschieht.

Viele jener, die in Spanien ankommen, ziehen schon nach kurzer Zeit weiter Richtung Norden – vor allem nach Frankreich und Deutschland. Wenn die Immigranten dann zum Beispiel in Deutschland einen Asylantrag stellen und die deutschen Behörden Spanien auf Rücknahme dieser Flüchtlinge drängen, wird das Gesuch meist abgelehnt. Mit Italien und Griechenland sieht es ähnlich aus. Im Falle Spaniens hatte Deutschland 2017 genau 2312 Dublin-Rückführungen beantragt, bei denen die spanischen Behörden aber nur in 217 Fällen zustimmten. Hier drängte Merkel auf Fortschritte.

Sánchez will EU-Hilfe bei der Versorgung der Flüchtlinge

Sánchez wünscht derweil, dass die Europäische Union sein Land stärker bei der Absicherung der Seegrenze und bei der Versorgung der Ankommenden unterstützt. Spaniens aktuelle Migrationskrise erfordere „eine gemeinsame europäische Politik“. Das sah auch Merkel so: „Wir sind stärker, wenn wir gemeinsam handeln.“ Es müsse ein „gerechtes System der Verteilung“ der Flüchtlinge gefunden werden, meinten beide Regierungschefs.

Seit Jahresanfang kamen nach UN-Angaben mehr als 29.000 Menschen an der andalusischen Küste oder in den spanischen Nordafrika-Exklaven Ceuta und Melilla an. In Italien waren es im gleichen Zeitraum knapp 19.000. Die meisten kamen über Marokko, das zusammen mit Libyen zum wichtigsten nordafrikanischen Transitland geworden ist.

Schon beim letzten Treffen mit Merkel, das im Juni in Berlin stattfand, bot Sánchez an, im Namen Europas mit Marokko ein Kooperationsabkommen auszuhandeln. Inzwischen laufen die Gespräche mit Rabat. Spanien habe hier die Federführung, betonte Merkel. Dabei geht es im Kern um finanzielle und materielle EU-Hilfen für Marokkos Küstenwache, die im Gegenzug die Abfahrt der Migrantenboote bremsen soll.

Marokko will mehr Hilfe von der EU

Rund 30 Millionen Euro hatte die EU bereits bereitgestellt, doch Marokkos König Mohammed VI. will offenbar mehr: Wie die spanische Zeitung „El País“ berichtete, verlangt Marokko Pa­trouillenschiffe, Hubschrauber, Nachtsichtgeräte und weitere Ausrüstung für den Grenzschutz im Wert von 130 Millionen Euro.

Kein Fortschritt zeichnete sich bei der Idee ab, in Südspanien große Ankunftszentren für Flüchtlinge zu eröffnen, in denen mit EU-Hilfe zentral über Bleiberechte und Abschiebungen entschieden wird. Dies ist ein Vorschlag, der in den Beschlüssen des EU-Asylgipfels Ende Juni in Brüssel enthalten ist. Aus diesen „kontrollierten Zentren“ sollen Schutzbedürftige in andere EU-Länder verteilt und Nichtbleibeberechtigte in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden.

Doch hier hatte Sánchez bereits vor dem Treffen mit Merkel klargestellt, dass solche „kontrollierten Zen­tren“ für Spanien derzeit nicht infrage kommen. Dabei spielt auch die Sorge eine Rolle, dass große Migrantenlager in Spanien für weiteren sozialen und politischen Zündstoff sorgen könnten. Spaniens konservative Oppositionsparteien feuern bereits scharf gegen Sánchez, dem sie vorwerfen, in der Flüchtlingspolitik zu weich zu sein.