Berlin. Wachsende Schülerzahlen stellen das deutsche Bildungssystem vor große Herausforderungen. Bildungsexperten warnen vor Personalmangel.

Mehr Schüler, nicht genug Lehrer und sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen: Auf das deutsche Bildungssystem kommen Herausforderungen zu, auf die es nur zum Teil vorbereitet ist. Das ist eine der Kernbotschaften des Bildungsberichts 2018, der am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Erstellt hat ihn das Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und der Kultusminister der Länder.

17,1 Millionen Menschen lernen in Deutschland in einer Bildungseinrichtung – von Kita-Kindern im ersten Lebensjahr bis zu Berufstätigen, die sich weiterbilden. Die Zahl der Lernenden wächst: Die Geburtenrate steigt seit Jahren, immer mehr Kinder besuchen eine Kindertagesstätte und steigen so schon früh in das Bildungssystem ein.

Auch Zuwanderung spielt eine Rolle: Neben Geflüchteten, die hier Schulen und Universitäten besuchen, kommen auch aus dem EU-Ausland viele Menschen nach Deutschland. Rund ein Fünftel der Studienanfänger kam 2016 aus dem Ausland.

Kinder und Jugendliche streben immer höhere Abschlüsse an

Insgesamt war die Zahl der Absolventen, die an die Unis strebten, ungebrochen hoch: Zum fünften Mal in Folge begannen mehr als eine halbe Million Menschen ein Studium. Das hohe Interesse ist laut Kai Maaz, Leiter der Autorengruppe, Teil eines anhaltenden Trends, in dem Kinder und Jugendliche immer höhere Abschlüsse anstreben. So stieg der Anteil der Schüler eines Jahrgangs, die Abitur machen, zwischen 2006 und 2016 von 34 auf 41 Prozent.

Allerdings: Ob man die Möglichkeit bekommt, einen höheren Abschluss zu machen, hängt in Deutschland noch immer zu großen Teilen vom Elternhaus ab. So studieren 79 Prozent der Kinder von Akademikereltern selbst. Unter Jugendlichen, deren Eltern keinen akademischen Abschluss haben, sind es gerade einmal 24 Prozent.

Zudem polarisiert sich das System zunehmend: Zuletzt stieg nicht nur die Zahl der Abiturienten, sondern auch die der Jugendlichen, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Rund 50.000 waren es 2016.

Bei den Erziehern herrscht Personalmangel

„Dieser Bericht ist ein Spiegel, der der Politik vorgehalten wird“, sagte der Leiter der Kultusministerkonferenz, Helmut Holter (Linke). Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) erklärte, Chancengleichheit sei noch immer ein zentrales bildungspolitisches Ziel.

Um dem gerecht zu werden, muss allerdings laut dem Bericht deutlich mehr Personal her: Bis 2025 brauchen allein Kitas 313.000 Fachkräfte mehr. Sollen sie zusätzliche Bildungs- und Erziehungsaufnahmen übernehmen, kommen weitere 270.000 hinzu. Ausgebildet werden bis dahin aber voraussichtlich nur 274.000 Erzieherinnen und Erzieher.

45 Prozent der Lehrer älter als 50 Jahre

Auch auf die Schulen kommen Personalengpässe zu: Der Anspruch auf Ganztagesbetreuung für Grundschüler, den Union und SPD im Koalitionsvertrag verankert haben, erfordert nicht nur mehr Lehrer, sondern auch andere pädagogische Fachkräfte, wie Holter betonte. Doch schon jetzt ist in manchen Regionen jeder Dritte neue Lehrer ein Seiteneinsteiger. Und die große Pensionierungswelle kommt noch.

45 Prozent der Lehrer und Lehrerinnen sind älter als 50 Jahre, in einigen Regionen sind es noch deutlich mehr. In Thüringen seien zwei Drittel der Lehrkräfte über 50 Jahre alt, erklärte Holter, der Bildungsminister des Landes ist.

Doch nicht alle Schulen stehen vor dem Problem zu vieler Schüler: Hauptschulen haben in den vergangenen Jahrzehnten drastisch an Attraktivität und Schülern verloren. Ihre Zahl hat sich seit 1995 mehr als halbiert, weniger als 3000 Hauptschulen gibt es noch im Bundesgebiet. Beliebt sind stattdessen Schularten, die mehrere mögliche Abschlüsse anbieten. Nach dem Gymnasien sind diese Schulen die beliebteste Wahl für Schüler nach der Elementarstufe. So hat sich die Zahl der integrierten Gesamtschulen seit Mitte der 90er-Jahre mehr als verdoppelt.