La Malbaie. Die führenden Wirtschaftsnationen sind untereinander zerstritten wie selten zuvor. Besonders der Handelsstreit belastet das Klima.

Bevor Angela Merkel zu internationalen Treffen reist, setzt sie ihre Delegation ins Bild über ihre Einschätzung der Weltlage. Auf dem Hinflug zum G7-Treffen ins kanadische La Malbaie, einem Küstenort in der Nähe der Stadt Quebec, war ihre Miene diesmal verschlossen, die Stimmung gedrückt.

Denn seit US-Präsident Donald Trump auf der internationalen Bühne mitmischt, hat sich vieles verändert. Gegenseitige Drohungen. Persönliche Angriffe. Ein Twitter-Krieg. Merkel sollte zunächst recht behalten: Das am Freitagabend gestartete Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada, Japan und den USA war bereits vor Beginn von Eklats überschattet, die es in der mehr als 40-jährigen Geschichte der G7 so noch nicht gegeben hat.

Trump will Russland wieder in den Gipfelkreis holen

Als der amerikanische Präsident im ehrwürdigen Tagungshotel „Le Manoir Richelieu“ am Ufer des Sankt-Lorenz-Stroms aufschlug, war das Gesprächsklima schon massiv eingetrübt. Darüber konnte auch das Händeschütteln vor spektakulärer Kulisse zwischen dem Gastgeber, Kanadas Premier Justin Trudeau nebst Gattin, und dem schwierigen Besucher nichts ändern.

Ein Grund: Trump forderte die Wiederaufnahme von Russland (seit der Annektierung der Krim vor vier Jahren ausgeschlossen) in den G 7-Kreis. Merkel machte dezidiert auch vor Ort keine gute Miene zum bösen Spiel: „Ich habe das zur Kenntnis genommen und bin trotzdem zum jetzigen Zeitpunkt anderer Meinung“, sagte sie spitz in Richtung des US-Präsidenten.

An einer anderen Front konnte sie allerdings einen Erfolg vermelden. Die Europäer hatten sich am Freitag vor dem eigentlichen Gipfel, kurz nach Merkels Landung, zur Abstimmung einer gemeinsamen Strategie getroffen. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, Merkel, die britische Premierministerin Theresa May und der neue italienische Regierungschef Giuseppe Conte kamen mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratschef Donald Tusk zusammen. Der Italiener ist neu im Klub und fand Trumps Vorstoß zu Russland zunächst gut.

Rückkehr Russlands zu G7 für Merkel unmöglich

Doch nach dem Treffen machte Merkel klar, dass die anderen dem Italiener klar gemacht haben, dass das keine gute Idee ist. „Wir sind uns einig, dass eine Rückkehr Russlands zum G-7 Format nicht möglich ist“, solange es keine substanziellen Fortschritte bei der Krim-Problematik gebe. Der Italiener war eingefangen. Zur ersten Arbeitssitzung meinte die Kanzlerin, dass „lebhaft und“ diskutiert worden sei. Doch die großen Brocken Handel und Klima waren da noch nicht begonnen worden.

Seit dem letzten G7-Gipfel im sizilianischen Taormina, bei dem das Klima schon reichlich vergiftet war, hat sich das Beziehungsdrama zwischen den USA und ihren europäischen Bündnispartnern weiter zugespitzt. Diesmal würde es bereits als Erfolg gelten, wenn überhaupt noch eine gemeinsame Abschlusserklärung zustande käme, was als ungewiss galt. Die Unterhändler hatten jedenfalls bis einen Tag vor dem Gipfel mit dem Aushandeln des Abschlussdokuments noch nicht begonnen.

Besonders die von Trump erhobenen Strafzölle auf Stahl und Aluminium hatten den Handelsstreit mit der EU und Kanada eskalieren lassen. Von Klimaschutz redet schon gar keiner mehr.

Auch Einigung unter sechs Staaten möglich

Zuvor hatten Macron und Trudeau den Gast aus Washington wegen dessen Strafzöllen frontal angegriffen. „Unakzeptabel“, „beleidigend“ und „lachhaft“ sei es, dass Trump seine protektionistische Maßnahme damit begründet, die „nationale Sicherheit“ der USA sei gefährdet. Als Reaktion auf die Äußerung eines Journalisten, Trump sei es egal, wenn er isoliert sei, sagte Macron: „Sie sagen, dass es dem US-Präsidenten völlig egal ist. Vielleicht – aber niemand von uns währt ewig.“

Dann legt er mit Worten nach, die in der G7 so noch nie zu hören waren. „Dem amerikanischen Präsidenten mag es egal sein, isoliert zu sein, aber auch uns ist es egal, wenn wir nur eine Einigung unter sechs Staaten unterzeichnen, wenn es nötig ist“, sagte der vor wenigen Wochen beim Staatsbesuch in Washington noch als Trump-Liebling behandelte Franzose. Diese sechs Staaten, so Macron warnend, stünden für „Werte, Märkte“ und verfügten international über „viel Einfluss“.

Trump droht Kanada und Frankreich

Trump reagierte, wie so oft, wenn er angegriffen wird: eine Gewichtsklasse höher – und härter. In beißenden Twitter-Tiraden warf er Kanada und Frankreich (und damit der EU) vor, die USA mit „massiven Handelshemmnissen“ zu traktieren. So gebe es etwa 300 Prozent-Aufschläge bei Agrar-Produkten, was die amerikanische Landwirtschaft „tötet“.

Trump drohte in Richtung EU und Kanada offen damit (abseits von Stahl und Aluminium), noch drastischere Strafmaßnahmen zu verhängen. „Nehmt eure Zölle und Handelsbarrieren runter, oder wir werden mehr tun, als nur mit euch gleichzuziehen.“ Den Gastgeber – Trudeau – kanzelte Trump indirekt als larmoyantes Weichei ab, das ständig „entrüstet“ tue, wenn es im Verhältnis beider Staaten knirscht.

Der US-Präsident will auch viele Stunden vor den anderen Staatsgästen vorzeitig aus Kanada abreisen. Ein offener Affront. Seine Begründung: Er müsse sich auf den nächsten Dienstag in Singapur stattfindenden Atom-Gipfel mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un vorbereiten. Steht das G7-Format vor dem Aus?

Merkel hält an G7 fest

Was eine Spaltung des Westens bedeuten könnte, hat die Kanzlerin kürzlich in China besichtigt. Dort setzt die Staats- und Parteiführung auf eine Totalüberwachung der Bevölkerung und pfeift auf die Menschenrechte. Auch deswegen hält Merkel trotz allen Ärgers über Trump bisher an den G7-Runden fest - als Wertegemeinschaft in solch kleiner Runde über Weltpolitik zu reden, das gibt es sonst nirgends.