Berlin. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat weitreichende Folgen. Gefährder können eher abgeschoben werden. Auch Sami A. aus Bochum?

Dieses Urteil sehnte Innenminister Horst Seehofer (CSU) seit Tagen herbei. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt entschieden, dass islamistische Gefährder auch dann in ihr Heimatland abgeschoben werden dürfen, wenn die Todesstrafe droht. Entscheidend ist, dass sie nicht vollstreckt wird. Kurzum: Dass in einem Herkunftsstaat die Todesstrafe droht, ist allein noch kein Abschiebehindernis.

Die Karlsruher Entscheidung, am Freitag gefällt, aber erst am Montag veröffentlicht, ist nicht nur für den Kläger, den terrorverdächtigen Tunesier Haikel S., relevant. Sie dürfte auch in einem weiteren Fall entscheidend sein, der Seehofer politisch noch viel mehr umtreibt. Es geht um Sami A. aus Bochum, ebenfalls Tunesier und als Gefährder eingestuft, angeblich war er zeitweise sogar Leibwächter des Top-Terroristen Osama Bin Laden.

Für Gefährder Sami A. könnte es eng werden

Der Fall Sami A. ist ein Lehrbeispiel für das Hindernisrennen der deutschen Abschiebepraxis. 2007 wurde sein Asylantrag als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt – seitdem wehrte er sich erfolgreich gegen die Rückführung. Vollblutpolitiker Seehofer begriff sofort, was für eine Signalwirkung vom Fall ausgeht. „Ich habe mich entschlossen, weiter dran zu sein und mich darum zu kümmern“, erzählt der Innenminister. „Es liegt nicht allein in meiner Hand“, weiß er.

Zuständig sind die Behörden in Nordrhein-Westfalen. Doch sei er der Meinung, „dass wir alle rechtsstaatlich zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen müssen“. Er trat sein Amt mit dem Versprechen einer strengeren Abschiebepraxis an. Seine Partei, die CSU, fordert das massiv ein.

Für Sami A. könnte es eng werden. Innen-Staatssekretär Helmut Teichmann geht davon aus, dass in den nächsten Tagen die neuerliche Abschiebung verkündet wird und im Sommer die Rückführung ansteht.

Mutmaßlicher Terrorist aus Tunesien gab sich als Syrer aus

Im aktuellen Fall unterlag in Karlsruhe ein Tunesier, der 2015 unter falschem Namen als angeblicher syrischer Flüchtling nach Deutschland gekommen war. Ihm wird vorgeworfen, als Angehöriger einer terroristischen Organisation in Tunesien an der Planung und Umsetzung von Anschlägen mit vielen Todesopfern beteiligt gewesen zu sein.

Auch hierzulande wurde gegen ihn wegen des dringenden Tatverdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Er sollte abgeschoben werden und wehrte sich dagegen mit dem Hinweis darauf, dass ihm in seiner Heimat die Todesstrafe drohe.

Sami A. muss sich täglich bei der Polizei melden

Mit der gleichen Argumentation war auch Sami A. erfolgreich. Zweimal hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen seine Abschiebung verhindert, 2009 und 2016. Auch das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in Münster schloss sich 2017 der Begründung an. Der 42-jährige A. muss sich jeden Tag bei der Polizei melden.

Er und seine Familie leben in Bochum und beziehen monatlich 1168 Euro nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Seit 1997 war er in Deutschland – der Tunesier kam als Student –, bis zum Jahr 2005 blieb er unauffällig. Nachdem er 2006 in einem Terrorprozess belastet worden war, stellte der Mann einen Asylantrag.

Innenministerium: Keine Hinweise auf Folter in Tunesien

Seit zwölf Jahren wird die Todesstrafe in Tunesien nicht vollzogen. Auch gebe es keine Hinweise auf Folter, behauptet das Innenministerium. Für alle Fälle will Seehofer amtlich in Tunesien die Zusicherung einholen, dass Sami A. weder gefoltert noch hingerichtet wird.

Für Haikel S. liegt sie vor. Der terrorverdächtige Tunesier wehrt sich nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wie das Gericht in Straßburg mitteilte, ging seine Klage am Montag ein. Es ist noch nicht zu Ende.