Berlin. Barley und Giffey fordern größere Anstrengungen bei Gleichstellung. Die SPD-Politikerinnen wollen Ministerien mit mehr Frauen besetzen.

Gleichstellung in Führungspositionen? Die Bilanz der neuen Bundesregierung fällt hier mager aus. Die Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden haben sich deswegen mit einem Brief an Angela Merkel (CDU) gewandt: Sie bitten die Bundeskanzlerin, sich dafür einzusetzen, dass mehr Führungsjobs in Ministerien mit Frauen besetzt werden. Zwei von Merkels Ministerinnen schalten sich jetzt in die Debatte ein.

Die Protestwelle schwillt an, seit Innenminister Horst Seehofer sein Spitzenteam für die Arbeit in Berlin vorstellte: Keine einzige Frau, sondern ausschließlich Männer posierten auf dem Foto, das den CSU-Politiker im Kreis seiner acht Staatssekretäre zeigt. Doch Seehofer ist nicht der Einzige, der auf eine reine Männermannschaft an der Spitze setzt.

Mehr Gleichstellung im öffentlichen Dienst vereinbart

In Kanzlerin Angela Merkels viertem Kabinett stehen neun Minister gerade mal sechs Ministerinnen gegenüber, bei den Staatssekretären ist das Ungleichgewicht noch größer: Unter den Staatsministern und Staatssekretären aller Ministerien der Bundesregierung befanden sich zuletzt 45 Männer und nur 18 Frauen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley fordert deswegen mehr Konsequenz von ihren Kabinettskollegen: „Was von den Unternehmen erwartet wird, muss auch für einen selbst Maßstab sein“, sagte die SPD-Politikerin dieser Redaktion. „Das gilt aus meiner Sicht vor allem auch für die Besetzung von Führungspositionen in den Bundesministerien.“ Im Koalitionsvertrag sei mehr Gleichstellung im öffentlichen Dienst vereinbart. Dazu gehöre, dass Leitungsfunktionen zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt werden sollen.

Im Familienministerium sind Frauen in der Überzahl

„Damit müssen wir heute anfangen“, forderte Barley. Sie habe kein Verständnis dafür, wenn in einem Betrieb oder in einer Behörde Frauen systematisch von Führungspositionen ausgeschlossen würden.

Neben dem Innenministerium gelten auch die Ministerien für Wirtschaft und Verkehr als besonders „männerlastig“. Unter den Staatsministern und Staatssekretären gibt es dort keine einzige Frau. Auch in Julia Klöckners (CDU) Landwirtschaftsministerium ist kein einziger Spitzenposten mit einer Frau besetzt – außer dem Ministeramt selbst. Im Kanzleramt, im Arbeits­ministerium und im Familienministerium sind Frauen auf den höchsten Führungsebenen dagegen in der Überzahl.

Ziel ist 50 Prozent Frauen in Führungspositionen im Bund

Laut Koalitionsvertrag wollen CDU, CSU und SPD „die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes bis 2025 erreichen“. Nicht nur Justizministerin Barley macht nun Druck. Auch Frauenministerin Franziska Giffey ist unzufrieden: „In einigen Ministerien gibt es durchaus Verbesserungsbedarf“, sagte die SPD-Politikerin dieser Redaktion. „Dass es Häuser gibt, in denen in den obersten Führungsetagen nur Männer sitzen, halte ich für nicht mehr zeitgemäß.“

Der allererste Brief, den sie als Ministerin geschrieben habe, ging an ihre Kabinettskollegen. „Es ging genau um dieses Thema. Meine Bitte: Denken Sie daran, dass wir uns etwas vorgenommen haben. 50 Prozent Frauen in Führungspositionen im Bund – das ist das Ziel bis 2025.“ Sie ärgere sich über die gängige Erklärung, es gebe nicht die richtigen Bewerberinnen: „Mir ist es zu simpel, wenn jemand sagt: Für diese oder jene Aufgabe gibt es keine gute Frau.“

Große Unterschiede zwischen den einzelnen Behörden

Insgesamt lag der durchschnittliche Frauenanteil in den Führungs­ebenen der Bundesbehörden nach dem Gleichstellungsbericht der Bundesregierung 2017 zwar im Durchschnitt bei 35 Prozent. Doch es gibt große Unterschiede zwischen den einzelnen Behörden. Im Bundesfamilienministerium kamen Frauen in Führungsebenen auf einen Anteil von 56 Prozent. Der Bundesrechnungshof war dafür nur mit 23 Prozent weiblichen Führungskräften besetzt. Zehn der 23 obersten Bundesbehörden lagen unter dem Schnitt. Und: Der Frauenanteil in den Bundesbehörden sinkt, je weiter es nach oben geht.

Dasselbe gilt für die Wirtschaft. Hier greift zwar seit 2016 die gesetzliche Frauenquote für die Aufsichtsräte von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Sie schreibt 104 Großunternehmen vor, einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent einzuhalten. Zudem müssen sich rund 3500 große Unternehmen Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in den obersten Managementebenen setzen. Allerdings ist auch die Zielgröße Null zulässig.

Im Bundestag liegt der Frauenanteil bei 31 Prozent

Die Wirkung dieser Selbstverpflichtung ist jedoch gering. Auf Vorstandsebene der 104 Unternehmen liegt der Frauenanteil weiterhin unter zehn Prozent. Justizministerin Barley hatte sich als Frauenministerin bereits Anfang des Jahres für eine Frauenquote in den Unternehmensvorständen ausgesprochen. „Ansonsten wird sich in von Männern dominierten Führungsetagen nichts ändern“, so die SPD-Politikerin.

Im neuen Bundestag liegt der Frauenanteil mit 31 Prozent seit der letzten Wahl sogar noch niedriger als in den vergangenen vier Wahlperioden. Eine Ursache dafür ist der Einzug der AfD – nur zehn der 92 Abgeordneten der Fraktion sind weiblich. Auch bei Union und FDP dominieren die Männer, und selbst bei der SPD kommen immerhin noch 89 Männer auf nur 64 Frauen. Bei Grünen und Linkspartei dagegen sind jeweils die Frauen in der Mehrheit.