Bonn. Der deutsche Streit bei den Jamaika-Sondierungsgesprächen über den Kohleausstieg überschattet den Start der Klimakonferenz in Bonn.

Die Streitigkeiten über die zukünftige Ausrichtung der deutschen Energiepolitik haben den Auftakt des UN-Klimagipfels in Bonn überschattet. Während die geschäftsführende Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in ihrer Eröffnungsrede im Plenum der Konferenz versprach, dass Deutschland seine Klimaschutzziele einhalten werde, stellte die FDP bei den Sondierungsgesprächen in Berlin die Sinnhaftigkeit dieser Anstrengungen infrage. Beobachter sprechen von einer handfesten Blamage.

Gleich zwei Inseln dürften die internationalen Klimaverhandlungen im ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages an der Bonner Rheinaue in den kommenden Tagen auf Schritt und Tritt begleiten. Die eine liegt im Pazifik und gilt in Bonn als moralischer Appell: Das vom Anstieg des Meeresspiegels bedrohte Fidschi übernahm am Montag die Präsidentschaft der zweiwöchigen Konferenz, die das Regelbuch für den 2015 geschlossenen Pariser Weltklimavertrag erarbeiten soll.

Als Krieger gekleidete Insulaner führten im Plenum eine traditionelle Begrüßungszeremonie auf, ehe Premier und Konferenzpräsident Frank Bainimarama die Delegationen daran erinnerte, dass Nichtstun im Klimaschutz das Überleben seines Volkes gefährde. Jamaika indes steht mit seinen Farben für die vier möglichen Partner einer neuen Bundesregierung, von denen sich in den Sondierungen in Berlin drei dagegen stemmen, mit dem Kohleausstieg in Deutschland Ernst zu machen.

Deutschland ist einer der größten Geldgeber

Vertreter der Fidschi-Inseln bei ihrer Begrüßungszeremonie zur Eröffnung der Weltklimakonferenz in Bonn.
Vertreter der Fidschi-Inseln bei ihrer Begrüßungszeremonie zur Eröffnung der Weltklimakonferenz in Bonn. © dpa | Oliver Berg

Die Delegationsteilnehmer aus mehr als 195 Staaten hatten am frühen Morgen noch nicht ihre Jacken ausgezogen, da waren sie schon zu spüren, die Dissonanzen zwischen Hendricks und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU). Gemeinsam kündigten sie an, dass die Bundesregierung arme Länder bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels mit zusätzlichen 100 Millionen Euro unterstützen werde.

Aktuell fließen 3,4 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt in den internationalen Klimaschutz – Deutschland ist damit einer der größten Geldgeber. Doch als Müller hervorhob, dass seine Klimaschutzprojekte im Ausland „zu der gleichen CO2-Minderung führe wie das Abschalten von 100 Kohlekraftwerken“, lag sie wieder auf dem Tisch: Die Frage, wie Deutschland mit der Kohle umgeht.

„Ich sage es allen Verhandlern in Berlin, die sich jetzt einen schlanken Fuß machen wollen: Deutschland hat sich im Pariser Vertrag verpflichtet, bis 2030 eine CO2-Minderung von minus 55 Prozent zu erreichen“, sagte Hendricks mit Verve. Um das zu erreichen, müsse die Bundesregierung, die demnächst in die Verantwortung komme, 2018 die Entscheidung über einen Kohleausstieg treffen. „Das steht so im Klimaschutzplan, den die Bundesregierung beschlossen hat. Und das geht auch ohne eine Versorgungsunsicherheit in der Stromversorgung“, sagte Hendricks. Sie hob damit auf FDP-Chef Christian Lindner ab, der an der „physikalischen Machbarkeit“ eines schnellen Ausstiegs aus der Kohleverstromung zweifelt.

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    Christoph Bals von der Umweltorganisation Germanwatch und langjähriger Beobachter der Klimadiplomatie, sieht nun bei den Verhandlungen in Bonn einen „nie dagewesenen“ internationalen Druck auf Deutschland. Die Delegationen in Bonn wüssten, dass die deutschen Klimaziele auf der Kippe stehen. Sie spürten aber, dass sie bei einem schnellen Einstieg in den Kohleausstieg noch erreichbar seien.

    „Es ist Zeit zu handeln“, mahnte die Weltwetterorganisation (WMO), die am Montag zur Konferenzeröffnung die wichtigsten Punkte ihres neuesten Berichts zum Zustand des Klimasystems vorstellte. Danach sei es „sehr wahrscheinlich“, dass 2017 zu den drei heißesten bisher gemessenen Jahren gehöre. Das bisher wärmste sei 2016 gewesen.

    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bei ihrer Eröffnungsrede.
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bei ihrer Eröffnungsrede. © Getty Images | Sean Gallup

    Von Januar bis September sei es im globalen Durchschnitt rund 1,1 Grad Celsius wärmer als zu vorindustriellen Zeiten gewesen, sagte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas. Im Pariser Weltklimavertrag haben sich die Staaten darauf verständigt, die globale Erwärmung unter zwei Grad halten zu wollen.

    Mit der Erwärmung gingen Wetterkatastrophen einher. Taalas: „Wir haben außergewöhnliche Wetterereignisse erlebt – Temperaturen von über 50 Grad in Asien, Rekorde aufstellende Hurrikane, verheerende Monsunniederschläge und eine unbarmherzige Dürre in Ostafrika.“ Die Ausdehnung des arktischen Meereises liege weit unter dem Durchschnitt, hieß es in dem Bericht. Nach einem ungewöhnlich warmen Winter sei das jährliche Maximum so gering wie nie zuvor seit Beginn der Satellitenmessungen Ende der 1970er-Jahre ausgefallen. Das Fenster der Möglichkeiten schließe sich.

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