Paris/Frankfurt. Der französische Präsident Macron eröffnet mit Kanzlerin Merkel die Frankfurter Buchmesse. Wieviel Politik steckt in dem Kultur-Termin?

Emmanuel Macron hat es eilig. Der mit 39 Jahren jüngste französische Staatspräsident aller Zeiten ist kaum fünf Monate im Amt und hat bereits einen ehrgeizigen Plan zur Reform der EU vorgelegt. Seine erste Auslandsreise, die nur der Kultur gewidmet ist, führt den sozialliberalen Spitzenpolitiker zur Frankfurter Buchmesse. Gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel wird der Staatschef am Dienstag den weltgrößten Branchentreff eröffnen. Frankreich ist dieses Mal Ehrengast.

Warum kommt Macron nach Frankfurt?

Kultur hat einen wichtigen Stellenwert in seinem Programm. „Was Europa am stärksten zusammenhält, werden immer die Kultur und das Wissen sein“, sagte er vor zwei Wochen in der Pariser Sorbonne-Universität. Europa solle aus seiner Sprachenvielfalt einen Vorteil machen und diese nicht beklagen, lautet sein Credo.

Seine Forderung: Mehr europäischen Austausch für Studenten und Auszubildende. Kultur ist zudem ein Aushängeschild Frankreichs. Der große Auftritt des Landes in Frankfurt mit zahlreichen Autorinnen und Autoren wurde jahrelang vorbereitet.

Ist der Besuch in Deutschland auch ein politisches Signal?

Über Macrons Europa-Vorstoß wurde auch in Deutschland viel diskutiert. Dazu gehören ein eigener Haushalt, ein Parlament und ein Finanzminister für die Eurozone. Der Senkrechtstarter schlug Deutschland zudem eine „neue Partnerschaft“ vor. Sein Plan lautet, schon im Januar kommenden Jahres – also zum 55. Jubiläum – einen erneuerten Élysée-Freundschaftsvertrag mit Berlin zu vereinbaren.

Macron mahnt EU-Reform an

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    In Berlin gibt es bisher keine neue Regierung, wie soll das gehen?

    Auch in Paris wird gesehen, dass die Regierungsbildung dauern kann. Wir pochen nicht auf Termine, auch nicht Jubiläumstermine, heißt es inzwischen in Élyséekreisen. Falls es nicht im Januar möglich sein, könne der neue Vertrag auch später im kommenden Jahr vereinbart werden. Unter dem Strich ist die Pariser Machtzentrale mit der Aufnahme von Macrons EU-Offensive aber zufrieden.

    Wie sind die Kontakte zwischen Paris und Berlin?

    Es wird vor und hinter den Kulissen viel miteinander gesprochen. Erst in der zurückliegenden Woche war der scheidende Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Élyséepalast. Seine Botschaft an Macron lautete: Am Ende wird es in Berlin „eine sehr gute und auch proeuropäische Regierung“ geben. Gemeint war eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen.

    Wie hat Merkel auf Macrons Vorschläge reagiert?

    Mit einiger Verzögerung, dann aber wohlwollend. Auf dem EU-Sondergipfel Ende September in Tallinn stellte die Kanzlerin ein „Höchstmaß an Übereinstimmung zwischen Deutschland und Frankreich“ fest. Macron habe Dynamik in die Debatte gebracht. Über Details müsse natürlich noch gesprochen werden.

    Aber genau dort steckt bekanntermaßen der Teufel: Merkel lehnt einen eigenen Eurozonen-Haushalt und einen Finanzminister nicht generell ab. Doch stellt sie sich die Beiträge und Kompetenzen erheblich kleiner vor als Macron. Von dessen visionärem Pathos ist sie sehr weit entfernt – nur als Bremserin will sie aber auch nicht erscheinen.

    Was heißt das für die Regierungsbildung in Berlin?

    Vor allem die FDP und ihr künftiger Einfluss auf die Außen- und Europapolitik werden in der Umgebung des Präsidenten mit großer Sorge gesehen. „Wenn Merkel sich mit den Liberalen verbündet, bin ich tot“, soll Macron gesagt haben. Die FDP bemüht sich um Freundlichkeit, inhaltlich aber gibt es klare Konfliktlinien – wie beim Eurozonen-Budget.

    Parteichef Christian Lindner, der als künftiger Finanzminister gehandelt wird, wollte schon Griechenland aus der Euro-Zone entlassen. Jetzt warnt er vor einer „Geldpipeline“ aus Deutschland in andere Länder.

    Die Karriere von Präsident Macron

    Europa im Blick: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für eine Neugestaltung der Politik der Europäischen Union stark. Bilder seiner Karriere.
    Europa im Blick: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für eine Neugestaltung der Politik der Europäischen Union stark. Bilder seiner Karriere. © REUTERS | POOL
    Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident Frankreichs. Mit 39 Jahren wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt. Die Stichwahl am 14. Mai 2017 entschied er klar für sich. Auch bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni erreichte seine Partei die absolute Mehrheit.
    Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident Frankreichs. Mit 39 Jahren wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt. Die Stichwahl am 14. Mai 2017 entschied er klar für sich. Auch bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni erreichte seine Partei die absolute Mehrheit. © Getty Images | Aurelien Meunier
    Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bislang nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-Up-Unternehmen.
    Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bislang nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-Up-Unternehmen. © dpa | Michel Spingler
    Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn der damalige Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister.
    Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn der damalige Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister. © REUTERS | FRANCOIS LENOIR
    Anschließend ist Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast getreten, hat eine politische Blitzkarriere gemacht und den Sozialisten beerbt.
    Anschließend ist Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast getreten, hat eine politische Blitzkarriere gemacht und den Sozialisten beerbt. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
    Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein.
    Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein. © REUTERS | REUTERS / JEAN-PAUL PELISSIER
     Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal.
    Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal. © REUTERS | BENOIT TESSIER
    Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ...
    Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ... © REUTERS | POOL
    ... noch bei Tieren.
    ... noch bei Tieren. © dpa | Eric Feferberg
    Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede.
    Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede. © Getty Images | Aurelien Meunier
    Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron. Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit.
    Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron. Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit. © dpa | Eric Feferberg
    Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron.
    Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron. © dpa | Christophe Ena
    Das ungewöhnliche Paar bringt Glamour in den Élysée-Palast.
    Das ungewöhnliche Paar bringt Glamour in den Élysée-Palast. © dpa | Yoan Valat
    Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Frankreichs Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Erneuerer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will.
    Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Frankreichs Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Erneuerer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will. © dpa | Eric Feferberg
    Der haushohe Sieg bei der Parlamentswahl gibt Macron ausreichend Rückhalt für sein Reformprogramm.
    Der haushohe Sieg bei der Parlamentswahl gibt Macron ausreichend Rückhalt für sein Reformprogramm. © Getty Images | Sylvain Lefevre
    Der achte Präsident der Fünften Republik will die französische Wirtschaft wieder in Schwung bringen.
    Der achte Präsident der Fünften Republik will die französische Wirtschaft wieder in Schwung bringen. © dpa | Valentin Flauraud
    Dafür plant er unter anderem eine Lockerung des Arbeitsrechts.
    Dafür plant er unter anderem eine Lockerung des Arbeitsrechts. © dpa | Etienne Laurent
    Ob das an seiner Beliebtheit kratzen wird?
    Ob das an seiner Beliebtheit kratzen wird? © REUTERS | POOL
    Macron, die mächtigste Frau Europas und der mächtigste Mann der Welt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der US-Präsident Donald Trump sind zwei Spitzenpolitiker, an denen Macron seit seinem Amtsantritt ganz wesentlich seine Selbstdarstellung ausgerichtet hat.
    Macron, die mächtigste Frau Europas und der mächtigste Mann der Welt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der US-Präsident Donald Trump sind zwei Spitzenpolitiker, an denen Macron seit seinem Amtsantritt ganz wesentlich seine Selbstdarstellung ausgerichtet hat. © REUTERS | REUTERS / POOL
    Auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Belgien) am 28. Juni 2018 zeigte der selbstbewusste junge Staatschef demonstrativ die Nähe zu Merkel.
    Auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Belgien) am 28. Juni 2018 zeigte der selbstbewusste junge Staatschef demonstrativ die Nähe zu Merkel. © dpa | Geert Vanden Wijngaert
    Auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump traf Macron 2017.
    Auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump traf Macron 2017. © Getty Images | Matt Cardy
    In Frankreich trifft Macron auch auf viel Widerstand mit seiner Politik. Hier protestieren in Paris Demonstranten gegen Macrons Plan für eine Justizreform.
    In Frankreich trifft Macron auch auf viel Widerstand mit seiner Politik. Hier protestieren in Paris Demonstranten gegen Macrons Plan für eine Justizreform. © dpa | Francois Mori
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    Vorbehalte gibt es auch in der CSU?

    Die CSU befürchtet, dass Macrons Reformpläne für Deutschland teuer werden könnten. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann etwa sagte: „Was Macrons finanzpolitische Vorstellungen angeht, bin ich sehr, sehr skeptisch. Es läuft letztendlich auf mehr Transfer hinaus.“ Das ist eben die große, manchmal irrationale Sorge auch vieler Bürger: dass am Ende immer Deutschland bezahlen muss. Dass die Griechenland-Krise sogar Geld in die deutschen Kassen gespült hat, wird dabei oft vergessen.

    Ist Macron ein Leser?

    Ja. Auf seinem offiziellen Foto, das in jeder französischen Amtsstube hängt, sind Bücher zu sehen, unter anderem die Memoiren des Weltkriegshelden und Staatspräsidenten Charles de Gaulle. (dpa)