Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron startet an diesem Dienstag eine Europa-Initiative. Was steckt dahinter? Die wichtigsten Punkte.

  • Macron will nicht warten, bis eine deutsche Regierungskoalition steht
  • Direkt nach der Bundestagswahl stößt er eine Europadebatte an
  • Doch Macrons weitreichenden Reformpläne für Europa stoßen auch auf Kritik

Frankreich meldet sich auf der europäischen Bühne zurück. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone ist zwar wirtschaftlich immer noch erholungsbedürftig und kämpft gegen eine hohe Arbeitslosigkeit. Paris will aber nach Jahren der Krise wieder mit dem großen Partner Deutschland auf Augenhöhe sprechen und Europas Zukunft mitgestalten.

Gut vier Monate nach Amtsantritt stellt Präsident Emmanuel Macron an diesem Dienstag in der traditionsreichen Sorbonne-Universität seine Europa-Pläne vor. Darum geht es:

Warum meldet sich Macron gerade jetzt zu Wort?

Paris hält den Zeitpunkt direkt nach der Wahl in Deutschland für günstig. Macron wolle nicht abwarten, bis in Berlin ein Koalitionsvertrag unter Dach und Fach ist, dann sei es möglicherweise zu spät, die Europadebatte zu beeinflussen, heißt es. Nach der Wahl in Deutschland öffne sich für Europa ein neues Kapitel, die Debatte müsse sofort beginnen, es sei keine Zeit zu verlieren, lautet das Credo im Élyséepalast.

Die Karriere von Präsident Macron

Europa im Blick: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für eine Neugestaltung der Politik der Europäischen Union stark. Bilder seiner Karriere.
Europa im Blick: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für eine Neugestaltung der Politik der Europäischen Union stark. Bilder seiner Karriere. © REUTERS | POOL
Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident Frankreichs. Mit 39 Jahren wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt. Die Stichwahl am 14. Mai 2017 entschied er klar für sich. Auch bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni erreichte seine Partei die absolute Mehrheit.
Emmanuel Macron ist der jüngste Präsident Frankreichs. Mit 39 Jahren wurde er zum Staatsoberhaupt gewählt. Die Stichwahl am 14. Mai 2017 entschied er klar für sich. Auch bei der Wahl zur Nationalversammlung im Juni erreichte seine Partei die absolute Mehrheit. © Getty Images | Aurelien Meunier
Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bislang nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-Up-Unternehmen.
Hinter Macron steht die von ihm 2016 gegründete politische Bewegung „En Marche!“ (In Bewegung). Einen klassischen Parteiapparat hat er bislang nicht. Macron führte sein Wahlkampfteam wie ein Start-Up-Unternehmen. © dpa | Michel Spingler
Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn der damalige Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister.
Der Arztsohn war bis 2012 gut bezahlter Investmentbanker bei Rothschild & Cie., dann holte ihn der damalige Präsident François Hollande als Berater in den Elysée-Palast. Von 2014 bis 2016 war er Wirtschaftsminister. © REUTERS | FRANCOIS LENOIR
Anschließend ist Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast getreten, hat eine politische Blitzkarriere gemacht und den Sozialisten beerbt.
Anschließend ist Macron aus dem Schatten seines Mentors im Elysée-Palast getreten, hat eine politische Blitzkarriere gemacht und den Sozialisten beerbt. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein.
Macron ist unkonventionell, er will „weder rechts noch links“ sein. © REUTERS | REUTERS / JEAN-PAUL PELISSIER
 Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal.
Er gilt als Mitte-Links-Politiker, seine Ausrichtung ist sozialliberal. © REUTERS | BENOIT TESSIER
Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ...
Berührungsängste hat er jedenfalls nicht. Weder bei den französischen Bürgern, ... © REUTERS | POOL
... noch bei Tieren.
... noch bei Tieren. © dpa | Eric Feferberg
Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede.
Manche nennen den Politjungstar den „französischen Kennedy“. Schon vor der Wahl war von einer „Macromania“ die Rede. © Getty Images | Aurelien Meunier
Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron. Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit.
Verheiratet ist Macron seit 2007 mit Brigitte Macron. Die beiden kennen sich seit seiner Schulzeit. © dpa | Eric Feferberg
Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron.
Brigitte Macron war damals seine Französischlehrerin. Sie hat drei Kinder aus erster Ehe, zwei davon älter als Macron. © dpa | Christophe Ena
Das ungewöhnliche Paar bringt Glamour in den Élysée-Palast.
Das ungewöhnliche Paar bringt Glamour in den Élysée-Palast. © dpa | Yoan Valat
Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Frankreichs Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Erneuerer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will.
Macron ist wie so viele andere Spitzenpolitiker Frankreichs Absolvent der Elite-Hochschule ENA. Doch er sieht sich nicht als Teil des politischen Establishments, sondern als Erneuerer, der Frankreich aufrütteln und modernisieren will. © dpa | Eric Feferberg
Der haushohe Sieg bei der Parlamentswahl gibt Macron ausreichend Rückhalt für sein Reformprogramm.
Der haushohe Sieg bei der Parlamentswahl gibt Macron ausreichend Rückhalt für sein Reformprogramm. © Getty Images | Sylvain Lefevre
Der achte Präsident der Fünften Republik will die französische Wirtschaft wieder in Schwung bringen.
Der achte Präsident der Fünften Republik will die französische Wirtschaft wieder in Schwung bringen. © dpa | Valentin Flauraud
Dafür plant er unter anderem eine Lockerung des Arbeitsrechts.
Dafür plant er unter anderem eine Lockerung des Arbeitsrechts. © dpa | Etienne Laurent
Ob das an seiner Beliebtheit kratzen wird?
Ob das an seiner Beliebtheit kratzen wird? © REUTERS | POOL
Macron, die mächtigste Frau Europas und der mächtigste Mann der Welt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der US-Präsident Donald Trump sind zwei Spitzenpolitiker, an denen Macron seit seinem Amtsantritt ganz wesentlich seine Selbstdarstellung ausgerichtet hat.
Macron, die mächtigste Frau Europas und der mächtigste Mann der Welt: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der US-Präsident Donald Trump sind zwei Spitzenpolitiker, an denen Macron seit seinem Amtsantritt ganz wesentlich seine Selbstdarstellung ausgerichtet hat. © REUTERS | REUTERS / POOL
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Belgien) am 28. Juni 2018 zeigte der selbstbewusste junge Staatschef demonstrativ die Nähe zu Merkel.
Auf dem EU-Gipfel in Brüssel (Belgien) am 28. Juni 2018 zeigte der selbstbewusste junge Staatschef demonstrativ die Nähe zu Merkel. © dpa | Geert Vanden Wijngaert
Auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump traf Macron 2017.
Auch den amerikanischen Präsidenten Donald Trump traf Macron 2017. © Getty Images | Matt Cardy
In Frankreich trifft Macron auch auf viel Widerstand mit seiner Politik. Hier protestieren in Paris Demonstranten gegen Macrons Plan für eine Justizreform.
In Frankreich trifft Macron auch auf viel Widerstand mit seiner Politik. Hier protestieren in Paris Demonstranten gegen Macrons Plan für eine Justizreform. © dpa | Francois Mori
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Wie sieht das Deutschland?

Nikolaus Meyer-Landrut, deutscher Botschafter in Paris, begrüßt die Vorlage der Pläne und eine öffentliche Debatte. „Deutschland wird aber derzeit nicht in der Lage sein, auf die Vorschläge im Detail zu antworten, denn dafür ist eine Mehrheit, eine Regierung nötig“, resümierte der Spitzendiplomat beim Nachrichtensender BFMTV.

Wie lautet Macrons Vision für Europa?

Er will für die Eurozone einen eigenen Haushalt mit Hunderten Milliarden Euro, ein eigenes Parlament und einen Finanzminister. Das ist ein ambitionierter Plan. In Deutschland spricht Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar auch von einem Euro-Finanzminister und einem eigenen Haushalt, meint damit aber „nicht Hunderte Milliarden Euro, sondern erst einmal kleine Beträge“. Auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wendet sich gegen weitreichende Reformpläne. In Paris warnen Experten vor einer Angstdebatte: Wir wollen reden, Arbeitsgruppen mit willigen Partnern einrichten, wir kommen nicht mit ausformulierten Texten, die von anderen unterzeichnet werden müssen – so ist die Herangehensweise.

Wie sieht es aus mit anderen Themen?

Macron will in der Sorbonne den Bogen weit spannen. Für ein „souveränes Europa“ sieht der Präsident fünf Herausforderungen: den Kampf gegen den Klimawandel, die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Migration, die digitale Revolution sowie Wirtschafts- und Handelsfragen – dazu gehöre auch eine gestärkte Wirtschafts- und Währungsunion.

Welche Rolle spielen die Rechtspopulisten?

Bei der Präsidentenwahl im Frühjahr ist Macron gegenüber dem rechtsextremen Front National (FN) ohne Wenn und Aber als Europabefürworter angetreten. Das sei eine Antwort gewesen, die die Menschen erwartet hätten, heißt es in Élyséekreisen. Die Linie habe ihm Recht gegeben: Er setzte sich mit sehr deutlichem Vorsprung gegen die europafeindliche Rechtspopulistin Marine Le Pen durch, die in der Stichwahl aber immerhin über zehn Millionen Stimmen einfuhr. Das Land ist immer noch gespalten – und der mit gesunkenen Umfragewerten konfrontierte Macron muss liefern und zeigen, dass sich sein europafreundlicher Kurs tatsächlich auszahlt. Daran hat auch Deutschland ein Interesse.

Ziehen Berlin und Paris in der Flüchtlingspolitik am selben Strang?

Macron und Merkel waren beide Ende August bei einem Migrations-Gipfel in Paris, wo auch afrikanische Staaten am Tisch saßen. Die Europäer zeigten sich dabei offen, manchen Schutzbedürftigen aus Afrika einen legalen Weg nach Europa zu ermöglichen. Allerdings koppelten sie dies daran, illegale Migrationsströme über das Mittelmeer zu stoppen. Macron will in der Migrationsdebatte auf jeden Fall aktiver auftreten als sein Amtsvorgänger François Hollande. Viele werfen dem Sozialisten immer noch vor, Merkel in der Flüchtlingskrise alleingelassen zu haben, beispielsweise bei den schwierigen Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. (dpa)