Madrid. Das katalanische Parlament will die Unabhängigkeit von Spanien erklären. Madrid droht deshalb mit der Absetzung der Regionalregierung.

Europa schaut am Dienstag auf die spanische Region Katalonien, in der ein Unabhängigkeitskonflikt brodelt. Am Abend, ab 18 Uhr, will das katalanische Parlament zusammentreten. Laut offizieller Tagesordnung, damit der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont „über die aktuelle politische Lage“ informieren kann. Damit ist die Situation nach dem illegalen Referendum am 1. Oktober gemeint, bei der die Mehrheit nicht mitmachte, aber 90 Prozent der Abstimmenden für die Unabhängigkeit votierten.

Es wird nicht ausgeschlossen, dass das Parlament, in dem die Separatisten eine knappe absolute Mehrheit haben, im Anschluss an Puigdemonts Rede eine einseitige Unabhängigkeitserklärung verabschiedet. Auch wenn noch nicht klar war, ob bereits der definitive Bruch mit Spanien oder nur eine Absichtserklärung beschlossen werden soll.

Hunderttausende protestieren für und gegen die Abspaltung

Der heftige Gegenwind der vergangenen Tage hat offenbar Spuren in der Unabhängigkeitsbewegung hinterlassen und eine interne Debatte darüber provoziert, ob tatsächlich schon der Zeitpunkt gekommen ist, um die unilaterale Abtrennung durchzuziehen: Hunderttausende Menschen hatten am Sonntag in der katalanischen Regionalhauptstadt Barcelona gegen eine Abspaltung demonstriert und klargemacht, dass die Katalanen nicht „ein vereintes Volk“ sind, wie Puigdemont behauptet, sondern in ein prospanisches und ein antispanisches Lager geteilt sind.

Zudem könnte ein einseitiger Bruch mit Spanien heftige politische wie wirtschaftliche Turbulenzen provozieren: Die EU erkennt das vom Verfassungsgericht verbotene Referendum nicht an und will auch eine einseitige Unabhängigkeitserklärung nicht akzeptieren. Kataloniens prominenteste Unternehmen kündigten an, dass sie ihre Firmensitze in andere Regionen verlegen wollen.

Hunderttausende Unabhängigkeitsgegner demonstrieren in Barcelona

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    Nationale Notstand könnte ausgerufen werden

    Auch völkerrechtlich ist das Vorgehen der katalanischen Separatisten fragwürdig. In der Charta der Vereinten Nationen ist zwar von der „Selbstbestimmung der Völker“ die Rede. Ein Recht auf einseitige Abspaltung lässt sich daraus jedoch nur ableiten, wenn ein Volk massiv unterdrückt wird. Das EU-Mitglied Spanien gilt jedoch als demokratischer Staat, in dem die Menschenrechte uneingeschränkt gelten. Zudem steht dem Selbstbestimmungsrecht das Recht eines jeden Staates gegenüber, seine territoriale Integrität zu verteidigen und separatistischen Bestrebungen entgegenzutreten.

    So demonstrieren die Spanier für Dialog

    Dialog statt Konfrontation: Eine Woche nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien fordern – wie hier in Barcelona – Zehntausende Menschen, die verhärteten Fronten aufzubrechen.
    Dialog statt Konfrontation: Eine Woche nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien fordern – wie hier in Barcelona – Zehntausende Menschen, die verhärteten Fronten aufzubrechen. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    Auf zahlreichen Schildern rufen sie die Politiker der Zentralregierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona auf, wieder miteinander zu reden.
    Auf zahlreichen Schildern rufen sie die Politiker der Zentralregierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona auf, wieder miteinander zu reden. © REUTERS | GONZALO FUENTES
    Die meisten Demonstrierenden haben sich ganz in Weiß gekleidet.
    Die meisten Demonstrierenden haben sich ganz in Weiß gekleidet. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    Einige Menschen haben zudem weiße Luftballons mitgebracht.
    Einige Menschen haben zudem weiße Luftballons mitgebracht. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    „Lass und reden“ und „Dialog“ steht auf den Plakaten dieser beiden Demonstranten in Barcelona.
    „Lass und reden“ und „Dialog“ steht auf den Plakaten dieser beiden Demonstranten in Barcelona. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    Das Symbol für Frieden hat sich diese Frau auf die Wangen gemalt. Während des Referendums waren Polizisten zum Teil gewaltsam gegen Wähler vorgegangen. Hunderte Menschen wurden verletzt.
    Das Symbol für Frieden hat sich diese Frau auf die Wangen gemalt. Während des Referendums waren Polizisten zum Teil gewaltsam gegen Wähler vorgegangen. Hunderte Menschen wurden verletzt. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    Auch in Madrid kommen Menschen zusammen, die sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien aussprechen.
    Auch in Madrid kommen Menschen zusammen, die sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien aussprechen. © dpa | Carola Frentzen
    Hier bestimmen spanische Flaggen das Bild.
    Hier bestimmen spanische Flaggen das Bild. © dpa | Paul White
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    Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy hat angedroht, dass der spanische Staat mit „allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Rechtsstaates“ auf eine unilaterale Abspaltung antworten wird. Dazu gehört laut Rajoy, dass die Zentralregierung befristet die politische Kontrolle in Katalonien übernimmt, die dortige Regionalregierung absetzt und dann Neuwahlen ansetzt. Zudem könnte der nationale Notstand ausgerufen werden, mit dem die Befugnisse von Regierung, Polizei und Militär ausgeweitet und die Bürgerrechte, etwa das Demonstrations- und Streikrecht, eingeschränkt werden. Der offene Rechtsbruch der katalanischen Regierung könnte auch mit einer Anklage der Verantwortlichen vor Gericht enden.

    Katalanen stimmen über Unabhängigkeit ab

    In Katalonien haben viele Menschen am Sonntag über die Unabhängigkeit von Spanien abgestimmt.
    In Katalonien haben viele Menschen am Sonntag über die Unabhängigkeit von Spanien abgestimmt. © REUTERS | YVES HERMAN
    Es war ein emotionaler Moment für die Katalanen. Die Befürworter des Referendums haben mit der Beteiligung Zehntausender gerechnet.
    Es war ein emotionaler Moment für die Katalanen. Die Befürworter des Referendums haben mit der Beteiligung Zehntausender gerechnet. © REUTERS | YVES HERMAN
    Eine ältere Frau jubelt, nachdem sie ihre Stimme beim Referendum abgegeben hat.
    Eine ältere Frau jubelt, nachdem sie ihre Stimme beim Referendum abgegeben hat. © dpa | Bob Edme
    Schon am Sonntagmorgen strömten Tausende zu den Wahllokalen. An einigen Orten blockierten Wähler die Türen, um zu verhindern, dass sie von der Polizei abgeriegelt werden. Denn das Referendum wurde vom Verfassungsgericht für illegal erklärt.
    Schon am Sonntagmorgen strömten Tausende zu den Wahllokalen. An einigen Orten blockierten Wähler die Türen, um zu verhindern, dass sie von der Polizei abgeriegelt werden. Denn das Referendum wurde vom Verfassungsgericht für illegal erklärt. © Getty Images | Chris McGrath
    Die katalonische Regierung erklärte, Wähler könnten zu jedem offenen Wahllokal gehen, wenn das eigentlich vorgesehene abgeriegelt sei. Auch Stimmzettel, die zu Hause ausgedruckt wurden, wurden akzeptiert.
    Die katalonische Regierung erklärte, Wähler könnten zu jedem offenen Wahllokal gehen, wenn das eigentlich vorgesehene abgeriegelt sei. Auch Stimmzettel, die zu Hause ausgedruckt wurden, wurden akzeptiert. © REUTERS | YVES HERMAN
    Hunderte von Menschen bildeten in Barcelona eine Menschenkette, um auf die Wahlurnen für das Referendum zu warten.
    Hunderte von Menschen bildeten in Barcelona eine Menschenkette, um auf die Wahlurnen für das Referendum zu warten. © dpa | Nicolas Carvalho Ochoa
    Die Organisatoren der Abstimmung schmuggelten die Urnen in schwarzen Plastiksäcken zu den Wahllokalen.
    Die Organisatoren der Abstimmung schmuggelten die Urnen in schwarzen Plastiksäcken zu den Wahllokalen. © REUTERS | YVES HERMAN
    Auch diese Wahlhelfer trugen eine Wahlurne in einem Plastiksack zum Wahllokal.
    Auch diese Wahlhelfer trugen eine Wahlurne in einem Plastiksack zum Wahllokal. © Getty Images | Chris McGrath
    Zuvor hatte die spanische Zentralregierung Tausende Polizisten in die Region geschickt, die Stimmzettel beschlagnahmten und Wahllokale absperrten.
    Zuvor hatte die spanische Zentralregierung Tausende Polizisten in die Region geschickt, die Stimmzettel beschlagnahmten und Wahllokale absperrten. © Getty Images | Chris McGrath
    Einheiten der Guardia Civil, der spanischen Nationalpolizei, versuchten, Menschen daran zu hindern, ins Wahllokal zu gehen.
    Einheiten der Guardia Civil, der spanischen Nationalpolizei, versuchten, Menschen daran zu hindern, ins Wahllokal zu gehen. © dpa | Emilio Morenatti
    Die Lage war extrem angespannt.
    Die Lage war extrem angespannt. © dpa | Emilio Morenatti
    In den Wahllokalen gaben die Menschen ihre Stimmen ab – teilweise mit emotionalen Gesten.
    In den Wahllokalen gaben die Menschen ihre Stimmen ab – teilweise mit emotionalen Gesten. © REUTERS | YVES HERMAN
    Vor den Wahllokalen positionierten sich die Sicherheitskräfte.
    Vor den Wahllokalen positionierten sich die Sicherheitskräfte. © dpa | Emilio Morenatti
    Sogar Gummigeschosse wurden abgefeuert.
    Sogar Gummigeschosse wurden abgefeuert. © dpa | Emilio Morenatti
    Demonstranten wurden von der Straße entfernt.
    Demonstranten wurden von der Straße entfernt. © REUTERS | SUSANA VERA
    Szenen von Polizeigewalt überschatteten das Referendum.
    Szenen von Polizeigewalt überschatteten das Referendum. © dpa | Francisco Seco
    Hunderte Menschen seien verletzt worden, berichtete das katalonische Gesundheitsministerium.
    Hunderte Menschen seien verletzt worden, berichtete das katalonische Gesundheitsministerium. © dpa | Emilio Morenatti
    Auch der spanische Fußball bekam die Auswirkungen des Referendums zu spüren: Die Spieler des FC Barcelona trugen beim Aufwärmen und für das Mannschaftfoto Trikots in den Farben der katalanischen Flagge.
    Auch der spanische Fußball bekam die Auswirkungen des Referendums zu spüren: Die Spieler des FC Barcelona trugen beim Aufwärmen und für das Mannschaftfoto Trikots in den Farben der katalanischen Flagge. © Getty Images | Alex Caparros
    Das Liga-Spiel FC Barcelona gegen UD Las Palmas wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen.
    Das Liga-Spiel FC Barcelona gegen UD Las Palmas wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen. © REUTERS | ALBERT GEA
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    Unabhängig davon zeigen alle Umfragen in Katalonien, dass sehr wohl eine große Mehrheit der Bevölkerung dafür ist, dass in einem offiziellen regionalen Volksentscheid – ähnlich wie 2014 in Schottland – über die Zukunft Kataloniens verbindlich abgestimmt wird.