In Katalonien stehen die Tage der Entscheidung bevor
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Von Ralph Schulze
Madrid. Das katalanische Parlament will die Unabhängigkeit von Spanien erklären. Madrid droht deshalb mit der Absetzung der Regionalregierung.
Europa schaut am Dienstag auf die spanische Region Katalonien, in der ein Unabhängigkeitskonflikt brodelt. Am Abend, ab 18 Uhr, will das katalanische Parlament zusammentreten. Laut offizieller Tagesordnung, damit der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont „über die aktuelle politische Lage“ informieren kann. Damit ist die Situation nach dem illegalen Referendum am 1. Oktober gemeint, bei der die Mehrheit nicht mitmachte, aber 90 Prozent der Abstimmenden für die Unabhängigkeit votierten.
Es wird nicht ausgeschlossen, dass das Parlament, in dem die Separatisten eine knappe absolute Mehrheit haben, im Anschluss an Puigdemonts Rede eine einseitige Unabhängigkeitserklärung verabschiedet. Auch wenn noch nicht klar war, ob bereits der definitive Bruch mit Spanien oder nur eine Absichtserklärung beschlossen werden soll.
Hunderttausende protestieren für und gegen die Abspaltung
Der heftige Gegenwind der vergangenen Tage hat offenbar Spuren in der Unabhängigkeitsbewegung hinterlassen und eine interne Debatte darüber provoziert, ob tatsächlich schon der Zeitpunkt gekommen ist, um die unilaterale Abtrennung durchzuziehen: Hunderttausende Menschen hatten am Sonntag in der katalanischen Regionalhauptstadt Barcelona gegen eine Abspaltung demonstriert und klargemacht, dass die Katalanen nicht „ein vereintes Volk“ sind, wie Puigdemont behauptet, sondern in ein prospanisches und ein antispanisches Lager geteilt sind.
Zudem könnte ein einseitiger Bruch mit Spanien heftige politische wie wirtschaftliche Turbulenzen provozieren: Die EU erkennt das vom Verfassungsgericht verbotene Referendum nicht an und will auch eine einseitige Unabhängigkeitserklärung nicht akzeptieren. Kataloniens prominenteste Unternehmen kündigten an, dass sie ihre Firmensitze in andere Regionen verlegen wollen.
Nationale Notstand könnte ausgerufen werden
Auch völkerrechtlich ist das Vorgehen der katalanischen Separatisten fragwürdig. In der Charta der Vereinten Nationen ist zwar von der „Selbstbestimmung der Völker“ die Rede. Ein Recht auf einseitige Abspaltung lässt sich daraus jedoch nur ableiten, wenn ein Volk massiv unterdrückt wird. Das EU-Mitglied Spanien gilt jedoch als demokratischer Staat, in dem die Menschenrechte uneingeschränkt gelten. Zudem steht dem Selbstbestimmungsrecht das Recht eines jeden Staates gegenüber, seine territoriale Integrität zu verteidigen und separatistischen Bestrebungen entgegenzutreten.
So demonstrieren die Spanier für Dialog
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Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy hat angedroht, dass der spanische Staat mit „allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Rechtsstaates“ auf eine unilaterale Abspaltung antworten wird. Dazu gehört laut Rajoy, dass die Zentralregierung befristet die politische Kontrolle in Katalonien übernimmt, die dortige Regionalregierung absetzt und dann Neuwahlen ansetzt. Zudem könnte der nationale Notstand ausgerufen werden, mit dem die Befugnisse von Regierung, Polizei und Militär ausgeweitet und die Bürgerrechte, etwa das Demonstrations- und Streikrecht, eingeschränkt werden. Der offene Rechtsbruch der katalanischen Regierung könnte auch mit einer Anklage der Verantwortlichen vor Gericht enden.
Katalanen stimmen über Unabhängigkeit ab
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Unabhängig davon zeigen alle Umfragen in Katalonien, dass sehr wohl eine große Mehrheit der Bevölkerung dafür ist, dass in einem offiziellen regionalen Volksentscheid – ähnlich wie 2014 in Schottland – über die Zukunft Kataloniens verbindlich abgestimmt wird.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
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