Barcelona. Wieder treibt die Katalonien-Frage die Spanier auf die Straße. Unterdessen weist Ministerpräsident Rajoy Aufrufe zum Dialog zurück.

Hunderttausende Menschen haben in Katalonien die Pläne der Regionalregierung zur Abspaltung von Spanien mit einer eindrucksvollen Großkundgebung gekontert. Auf ihrem Marsch durch das Zentrum der Regionalhauptstadt Barcelona skandierten die Demonstranten am Sonntag unter anderem „Ich bin Spanier“ und „Viva España“.

Tosender Jubel brach in der Menge aus, als der peruanisch-spanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa zum Abschluss der Kundgebung kämpferisch rief: „Keine separatistische Verschwörung wird die spanische Demokratie zerstören können.“

Kundgebung der „schweigenden Mehrheit“

Zur Kundgebung der „schweigenden Mehrheit“ hatte die Katalanische Zivilgesellschaft aufgerufen, die 2014 als Gegenbewegung zum zunehmenden Separatismus ins Leben gerufen wurde. Der Vizepräsident der Organisation, Alex Ramos, gab die Zahl der Teilnehmer mit „930.000 bis 950.000“ an. Die Stadtpolizei sprach von rund 350.000 Demonstranten.

Der peruanisch-spanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa Peruvian sprach zum Abschluss der Kundgebung.
Der peruanisch-spanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa Peruvian sprach zum Abschluss der Kundgebung. © REUTERS | ERIC GAILLARD

Die Menschen forderten lautstark die Festnahme von Regionalregierungschef Carles Puigdemont. Es waren in der großen Mehrheit Katalanen, viele Teilnehmer waren aber aus anderen Regionen Spaniens in Dutzenden von Bussen und Zügen angereist.

Rajoy lehnt Dialog mit Separatisten ab

Puigdemont hatte am vorigen Sonntag ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid ein

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Bei der von den Abspaltungsgegnern mehrheitlich boykottierten Befragung gewann das „Ja“-Lager mit rund 90 Prozent. Puigdemont berief für Dienstag eine Sitzung des Regionalparlaments ein, bei der möglicherweise die Unabhängigkeit ausgerufen werden soll.

Katalonien will Unabhängigkeit erklären

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    In einem Interview der Zeitung „El País“ wies Ministerpräsident Mariano Rajoy die Aufrufe zum Dialog mit den Separatisten erneut scharf zurück. „Spanien wird nicht geteilt werden und die nationale Einheit wird erhalten bleiben“, fügte er hinzu.

    Die Menschen schenkten katalanische und spanische Fahnen.
    Die Menschen schenkten katalanische und spanische Fahnen. © dpa | Nicolas Carvalho Ochoa

    „Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden gesetzgeberischen Instrumente nutzen, um das sicherzustellen.“ Er halte es auch nicht für ausgeschlossen, Artikel 155 der Verfassung anzuwenden, um Katalonien die Autonomie abzuerkennen. „Ich schließe nichts innerhalb der Gesetze aus.“

    Rajoy-Partei unterstützt Demonstration

    Die erste große Kundgebung der Unabhängigkeitsgegner überhaupt in Katalonien fand unter dem Motto „Basta! Kehren wir zur Vernunft zurück“ statt. Auch Rajoys konservative Volkspartei (PP) sowie deren parlamentarische Verbündete Ciudadanos unterstützen die Demonstration. Mehrere Teilnehmer sagten der Deutschen Presse-Agentur, sie seien Katalanen, wollten aber keine Unabhängigkeit. Sie hätten am vorigen Sonntag nicht gewählt, weil es da nicht mit rechten Dingen zugegangen und das Referendum illegal gewesen sei.

    Die Demonstranten trugen unzählige spanische, aber auch sehr viele katalanische Fahnen und sogar einige der EU. Es gab Plakate mit Aufschriften wie „Gemeinsam sind wir stärker“, „Katalonien bleibt spanisch“ oder „Nie wieder Schweigen“.

    Demos für Dialog am Samstag

    Es lässt ihn nicht sehr intelligent aussehen, das Herz. Aber die Botschaft ist sympathisch: Ja zu Europa, zu Spanien und zu Katalonien.
    Es lässt ihn nicht sehr intelligent aussehen, das Herz. Aber die Botschaft ist sympathisch: Ja zu Europa, zu Spanien und zu Katalonien. © REUTERS | ALBERT GEA

    Bei der Abschlusskundgebung vor dem Bahnhof Estació de França rief Vargas Llosa in Anspielung auf eine in Katalonien einsetzende Firmenflucht: „Wir wollen nicht, dass Unternehmen aus Barcelona fliehen, als handele es sich um eine im Mittelalter von der Pest belagerten Stadt.“

    Am Samstag hatten Menschen in zahlreichen Städten Spaniens für einen

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    So demonstrieren die Spanier für Dialog

    Dialog statt Konfrontation: Eine Woche nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien fordern – wie hier in Barcelona – Zehntausende Menschen, die verhärteten Fronten aufzubrechen.
    Dialog statt Konfrontation: Eine Woche nach dem umstrittenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien fordern – wie hier in Barcelona – Zehntausende Menschen, die verhärteten Fronten aufzubrechen. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    Auf zahlreichen Schildern rufen sie die Politiker der Zentralregierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona auf, wieder miteinander zu reden.
    Auf zahlreichen Schildern rufen sie die Politiker der Zentralregierung in Madrid und der Regionalregierung in Barcelona auf, wieder miteinander zu reden. © REUTERS | GONZALO FUENTES
    Die meisten Demonstrierenden haben sich ganz in Weiß gekleidet.
    Die meisten Demonstrierenden haben sich ganz in Weiß gekleidet. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    Einige Menschen haben zudem weiße Luftballons mitgebracht.
    Einige Menschen haben zudem weiße Luftballons mitgebracht. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    „Lass und reden“ und „Dialog“ steht auf den Plakaten dieser beiden Demonstranten in Barcelona.
    „Lass und reden“ und „Dialog“ steht auf den Plakaten dieser beiden Demonstranten in Barcelona. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    Das Symbol für Frieden hat sich diese Frau auf die Wangen gemalt. Während des Referendums waren Polizisten zum Teil gewaltsam gegen Wähler vorgegangen. Hunderte Menschen wurden verletzt.
    Das Symbol für Frieden hat sich diese Frau auf die Wangen gemalt. Während des Referendums waren Polizisten zum Teil gewaltsam gegen Wähler vorgegangen. Hunderte Menschen wurden verletzt. © REUTERS | ERIC GAILLARD
    Auch in Madrid kommen Menschen zusammen, die sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien aussprechen.
    Auch in Madrid kommen Menschen zusammen, die sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien aussprechen. © dpa | Carola Frentzen
    Hier bestimmen spanische Flaggen das Bild.
    Hier bestimmen spanische Flaggen das Bild. © dpa | Paul White
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    Die katalanische Linkspolitikerin Nuria Gibert hatte die Großkundgebung der Unabhängigkeitsgegner im Vorfeld kritisiert. Selbstverständlich hätten alle das Recht, ihre Meinung zu äußern, aber es entspreche einer „kolonialen Logik“, dass auch viele Menschen aus anderen Teilen Spaniens zum Demonstrieren nach Barcelona kämen, sagte die Sprecherin der linksradikalen Partei CUP der dpa.

    Ex-Ministerpräsident kritisiert katalanische Führung

    Spaniens Ex-Ministerpräsident Felipe González hätte die katalanische Führung unter Puigdemont wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums nach eigenen Angaben schon lange abgesetzt. „Ich hätte den Artikel 155 (der spanischen Verfassung) angewendet, um die Verfassung und das Statut (über Kataloniens Autonomie) zu verteidigen“, sagte der Sozialist, der das Land von 1982 bis 1996 regiert hatte, am Samstag bei einem Besuch in Berlin.

    Medienberichten zufolge will Puigdemont am Dienstagabend vor dem Parlament in Barcelona Stellung zur „aktuellen politischen Lage“ beziehen. Ob er dabei tatsächlich die Unabhängigkeit ausrufen oder lediglich das weitere Vorgehen seiner Regierung vorstellen will, blieb vorerst offen. Eine für Montag geplante Parlamentssitzung, bei der die Erklärung der Unabhängigkeit erwartet worden war, war vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden und wurde abgesagt. (dpa)

    Verfassungsrichter verbieten Sitzung des katalanischen Parlaments

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