Ein „Weiter so“ könnte für sie zum Problem werden: Angela Merkel muss hohe Ämter in CDU und Regierung auch mit jungen Köpfen besetzen.

Es gibt einen Satz vom Tag nach der Bundestagswahl, der Angela Merkel noch eine Weile verfolgen wird: „Ich sehe nicht, was wir anders machen sollten“, sagte die Bundeskanzlerin nach dem dramatischen Stimmenverlust der Union von deutlich mehr als 40 auf knapp 33 Prozent. Zwei Wochen mussten nun vergehen, bis Merkel beim Deutschlandtag der Jungen Union zumindest versprach, das Desaster der Bundestagswahl innerhalb der CDU aufarbeiten zu wollen.

Nach 17 Jahren an der Spitze der Partei und zwölf Jahren als Kanzlerin kennt man inzwischen diese Art der „Aufarbeitung“: Sie droht auch diesmal genauso unkonkret zu werden wie nach früheren Wahlkämpfen der Parteivorsitzenden. Es sei denn, die „Aufarbeitung“ mündet in der Erkenntnis eines personellen Aufbruchs. Dass die Kanzlerin bisher kein Interesse daran gezeigt hat, beweist die geradezu selbstverständliche Nominierung von Volker Kauder als Chef der CDU/CSU-Fraktion. Kauder ist wie Merkel seit 2005 im Amt, er ist die Personifizierung des Ich-sehe-nicht-was-wir-anders-machen-sollten-Mantras.

Sehnsucht nach mehr als neuen Inhalten

Doch bald könnten die Dinge anders verlaufen, als es der Kanzlerin lieb ist. In den vergangenen zwei Wochen hat sich außerhalb des merkelschen Dunstkreises eine Sehnsucht entwickelt, die nach mehr verlangt als nach inhaltlicher Justierung. Neues Personal soll her. „Wir brauchen junge, unverbrauchte Köpfe in Regierung, Fraktion und Partei“, fordert der Chef der Jungen Union, Paul Ziemiak.

Dass eine solche Ermahnung von einem Nachwuchspolitiker kommt, überrascht nicht weiter. Bemerkenswert ist, dass in dieser Phase arrivierte Persönlichkeiten wie der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, in die gleiche Kerbe schlagen und einen Generationenwechsel verlangen. „Wir sind alle in einem Alter, ich auch, wo es zu unserer Verantwortung gehört, dafür zu sorgen, dass es mit der CDU auch nach uns weitergeht“, ist Haseloff überzeugt. Er ist 63 Jahre alt – genau wie Merkel. Sie wird verstanden haben, was er ihr damit sagen wollte.

Spahn traut sich schon jetzt aus der Deckung

Wenn die Parteichefin nicht selbst diesen Wechsel der Generationen an den Schaltstellen der Macht einleitet, werden es andere tun. Und sie werden sich wieder zu Wort melden, wenn entgegen der Ankündigung der Kanzlerin vor der Jungen Union künftig doch keine „neuen Köpfe“ am Kabinettstisch sitzen.

Nur wenige aus der zweiten Reihe trauen sich bisher, ihre Unabhängigkeit von Merkel offen zur Schau zu stellen. Jens Spahn, der 37 Jahre alte Staatssekretär im Finanzministerium, besitzt diese Freiheit. Er weiß, dass er noch in vier Jahren zur ganz großen Karriere ansetzen kann.

Dann gibt es den neuen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, der mit seinen 44 Jahren auch zu den jungen Wilden der CDU gezählt wird. Kaum im Amt, wagte er es im Sommer mitten in Merkels Wahlkampf von der „Nach-Merkel-Ära“ zu sprechen und sich selbst als Führungskraft für neue Zeiten zu empfehlen. Selbst eine Annegret Kramp-Karrenbauer, die 55-jährige Ministerpräsidentin des Saarlands, hält sich für die Post-Merkel-Ära bereit. Ohne die Kanzlerin direkt anzugreifen, hat sie ihren Wahlkampf mit deutlichen Worten kritisiert.

Solange keine neue Regierung im Amt ist, so lange Merkel nicht vom Bundestag erneut zur Kanzlerin gewählt worden ist, werden die Absetzbewegungen noch zaghaft bleiben. Schon im neuen Jahr dürfte sich das ändern. Dann wird die CDU sich fragen: Gelingt es der Chefin, den Übergang zu organisieren – oder werden andere sie dazu treiben?

Den Leitartikel zum Thema lesen Sie hier: Die Bürde des Übergangs

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