Barcelona. Die Separatisten in Katalonien beharren auf der Gültigkeit ihres Unabhängigkeitsreferendums. Nicht nur von außen gibt es dafür Kritik.

Feuerwerksraketen steigen in den Himmel. Der Sprechchor „Unabhängigkeit! Unabhängigkeit!“ schallt durch die Nacht. Katalanische Fahnen und Transparente mit der Aufschrift „Hallo, Republik“ wehen im Wind. Tausende Katalanen feiern in der Nacht zum Montag auf den Straßen und Plätzen der abtrünnigen Region. Auch die spanische Polizei hatte mit ihrem harten Vorgehen das illegale Unabhängigkeitsreferendum nicht stoppen können.

Als der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont auf der Großbildleinwand auftaucht, die auf der Plaça de Catalunya im Zentrum Barcelonas aufgebaut ist, braust Beifall auf. Der Applaus wird noch stärker, als Puigdemont in Siegerpose verkündet, das der einseitigen Volksabstimmung schon bald die einseitige Unabhängigkeitserklärung folgen werde. „Die Bürger Kataloniens haben das Recht gewonnen, einen unabhängigen Staat in Form einer Republik zu gründen.“

Ergebnisse des Referendums sind umstritten

Dabei stört es Separatistenchef Puigdemont nicht, dass dieses fragwürdige Referendum von Spaniens Verfassungsgericht verboten worden war und keine repräsentativen Ergebnisse brachte. 90 Prozent der Menschen hätten für die Unabhängigkeit von Spanien gestimmt, verkündet ein Sprecher der katalanischen Regierung. Nur knapp acht Prozent der Wähler hätten mit Nein gestimmt. Dass die Menschen selbst Wahlzettel ausdrucken und in jedem Wahllokal abstimmen konnten – unabhängig davon, wo sie gemeldet waren –, all das ist vielen Katalanen am Tag danach egal.

EU ruft Madrid und Barcelona zum "Dialog" auf

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    In der letzten Erhebung des offiziellen katalanischen Umfrageinstituts Centre d’Estudis d’Opinió unterstützten nur 41 Prozent der Bevölkerung eine Abspaltung, 49 Prozent waren dagegen. Dieser Riss spiegelt sich auch im katalanischen Parlament, in dem die Separatistenfront mit einer knappen Mehrheit regiert, die sie vor zwei Jahren mit 47,8 Prozent der Stimmen errang.

    Kritik am Vorgehen der Separatisten

    „Es hat kein Referendum stattgefunden, das dieses Wortes würdig ist“, urteilte Kataloniens einflussreichste Zeitung „La Vanguardia“, die in Barcelona erscheint, in einem Leitartikel. Die in Spaniens Hauptstadt Madrid angesiedelten Medien sind sich in ihren Kommentaren einig, dass das einseitige Vorgehen der katalanischen Separatistenregierung wenig mit Demokratie zu tun habe und mehr an einen „Staatsstreich“ erinnere.

    Nach Angaben der katalanischen Gesundheitsbehörden waren knapp 900 Menschen verletzt worden, darunter 33 Polizisten. Kataloniens Ministerpräsident Puigdemont bekräftigte am Montagnachmittag, dass das einseitige Referendum in seinen Augen „gültig und bindend“ sei. Seine Regierung und das katalanische Parlament werden deshalb demnächst die entsprechenden Entscheidungen treffen. Schon vor der Abstimmung hatte das Regionalparlament beschlossen, dass bei einem Sieg der Befürworter innerhalb weniger Tage die Unabhängigkeitserklärung verabschiedet werde.

    Katalonien stimmt für die Unabhängigkeit

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      EU-Kommission ruft beide Seiten zur Mäßigung auf

      Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy will jeden Schritt Richtung Unabhängigkeit mit gesetzlichen Zwangsmaßnahmen und strafrechtlicher Verfolgung beantworten. Puigdemont, gegen den bereits wegen des Verdachts der Rechtsbeugung und Rebellion ermittelt wird, könnte somit schon bald eine formelle Anklage drohen. Zudem könnte die katalanische Region unter Verwaltung der spanischen Zen­tralregierung gestellt werden.

      In Europa war die Sorge groß, dass sich der Konflikt weiter ausweiten könnte. Beide Seiten sollten den Dialog suchen – doch der spanische Nationalstaat sei unantastbar, lautete der Tenor. Die EU-Kommission forderte Madrid und Barcelona zu Gesprächen auf. „Gewalt kann niemals ein Instrument der Politik sein“, sagte ein Kommissionssprecher am Montag in Brüssel. Die EU-Kommission wiederholte ihre Position, wonach die Abstimmung in Katalonien laut
      spanischer Verfassung illegal sei. Das Problem gehöre in den Bereich der spanischen Innenpolitik. „Dementsprechend muss damit in Übereinstimmung mit der spanischen Verfassung umgegangenen werden.“

      Sigmar Gabriel versucht zu schlichten

      Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) appellierte an die Streithähne, eine weitere Eskalation zu stoppen. Der belgische Ministerpräsident Charles Michel forderte Mäßigung. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach sich in einem Telefonat mit Rajoy für die verfassungsmäßige Einheit des Nachbarlandes aus. Die Drähte nach Madrid dürften in den nächsten Tagen weiterhin glühen.