Wuppertal/Sivas. Kadim D. sitzt nach einem angeblichen Anti-Erdogan-Posting auf Facebook in der Türkei fest. Seine Familie ist zurück in Deutschland.

Es sollte ein entspannter Urlaub werden in der alten Heimat, ein Familienbesuch bei seiner Mutter. Mit Frau und Kindern reiste Kadim D. Mitte Juli von Wuppertal in die zentralanatolische türkische Provinz Sivas. An der Grenze nahmen türkische Polizisten den 45-jährigen Familienvater mit türkischem Pass allerdings fest. Der Grund: D. soll Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf Facebook beleidigt haben. Die türkischen Behörden entschieden, dass der Wuppertaler die Türkei nicht verlassen darf.

Mehr als ein Monat ist inzwischen vergangen. Doch an der bedrohlichen Situation für Kadim D. hat sich nichts geändert. „Ich bin am Ende, mir geht es nicht gut“, sagt D. unserer Redaktion. Seine Familie, die zunächst bei ihm geblieben war, ist am Sonntag wieder nach Wuppertal zurückgekehrt. Die Schule in Nordrhein-Westfalen beginnt bald. „Die Kinder müssen zur Schule. Ich darf leider noch nicht nach Hause“, erklärt D.

Wuppertaler droht jahrelange Haftstrafe

Einmal wöchentlich muss er sich bei den Behörden melden – bis zu seinem Prozess. Bis in der Türkei Anklage erhoben wird, können mitunter Jahre vergehen. Bei einer Verurteilung drohen ihm gar mehrere Jahre Haft.

Kadim D. droht in der Türkei ein Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung. Während der Familienvater in der Türkei festgehalten wird, ist seine Familie zurück nach Deutschland gereist.
Kadim D. droht in der Türkei ein Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung. Während der Familienvater in der Türkei festgehalten wird, ist seine Familie zurück nach Deutschland gereist. © fmg

Kadim D. lebt zwar seit rund 40 Jahren in Deutschland, hat aber nur einen türkischen Pass. Der Stadt Wuppertal und dem Auswärtigen Amt in Berlin sind deshalb die Hände gebunden.

Kritische Stimmen werden festgenommen

Der 45-Jährige ist einer von mindestens 20 Menschen, die in Deutschland leben oder deutsche Staatsbürger sind und seit dem vereitelten Putsch in der Türkei eingesperrt sind bzw. das Land nicht verlassen dürfen. Wahlweise beschuldigt die Türkei sie als „Terroristen-Unterstützer“, wie den Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner, der in Istanbul verhaftet wurde. Oder ihnen wird vorgeworfen, deutsche Agenten zu sein, die durch die „Verbreitung ihrer Propaganda“ den inneren Frieden in der Türkei gefährden würden, wie im Falle der beiden Journalisten Mesale Tolu und Deniz Yücel.

Dogan Akhanli ist auf freiem Fuß

Auch der Fall des am Wochenende von spanischen Behörden vorübergehend festgenommenen Kölner Schriftstellers Dogan Akhanli zeugt von der Willkür des türkischen Staates im Kampf gegen kritische Stimmen.

Das sind die Streitpunkte im deutsch-türkischen Verhältnis

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    Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) geht nicht von einer Auslieferung des Kölner Schriftstellers Dogan Akhanli an die Türkei aus. „Ich bin sicher, dass eine Auslieferung nicht erfolgen wird“, sagte Gabriel am Sonntag in Hannover.

    Dieser Artikel ist zuerst auf www.waz.de erschienen.