Berlin. In den vergangenen Wochen ist Verteidigungsministerin von der Leyen durchs Feuer gegangen. Warum sich an ihr die Geister scheiden.

Es heißt oft, die Bundeswehr sei anfällig fürs Autoritäre. Wenn dem so wäre, dann wären die Militärs und ihre Ministerin ein Herz und eine Seele. Denn Ursula von der Leyen macht klare Ansagen, hat einen zackigen Auftritt und die nötige Hitzeresistenz für ein Amt, in dem man durch das Feuer gehen muss. Die vergangenen Wochen und Monate haben es mit dem Hubschrauberabsturz in Mali und den internen Skandalen aufs Neue bestätigt.

Aber der Eindruck ist ein anderer, nämlich dass Dienstherrin und Generäle fremdeln; inzwischen vermutlich mehr die Soldaten mit ihr als umgekehrt. Falls die Analyse falsch sein sollte, sind die Bemühungen um eine Richtigstellung jedenfalls auffällig einseitig. Aus der Mitte der Bundeswehr wird die Frau selten in Schutz genommen, geschweige denn ins Herz geschlossen.

Von der Leyen wird von Wählern gering geschätzt

Von der Leyen ist eine Verteidigungsministerin, die laut einer Umfrage von den Wählern gering geschätzt wird und in der Truppe unbeliebt ist, obwohl sie für sie viel erreicht hat: bessere Arbeitsbedingungen, mehr Vielfalt, Modernität, Geld, Berechenbarkeit bei der Rüstung. Auch ihr Eintreten für eine stärkere Europäisierung ist richtig. Allein die Etaterhöhungen plus die Selbstbindung in der Nato, die Ausgaben auf bis zu zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu steigern, hätten jeden anderen Apparat entzückt.

Wenn die Bundeswehr ein Pro­blem mit von der Leyen haben sollte, dann handelt es sich in erster Linie um eine Vertrauenssache. Die Missstimmung hat maßgeblich mit dem Prozess zu tun, der in dieser Woche in die nächste Runde geht: mit der Diskussion über einen neuen Traditionserlass. Er ist fällig, keine Frage, weil es rechtsextreme Umtriebe in der Truppe gab: den Fall Franco A. Als der Verdacht ruchbar wurde, war nicht viel von „Wir“ die Rede, sondern pauschal von einer Bundeswehr, der ihre eigene Dienstherrin ein „Haltungsproblem“ bescheinigte.

Großer Argwohn gegenüber der Ministerin

Das ist inzwischen mehr als drei Monate her. Von der Leyen hat ihren damaligen Befund längst ergänzt, relativiert und eingeordnet. Und doch hält die Empörung darüber an, ist der Argwohn gegenüber der Ministerin im Parlament so groß, dass der Verteidigungsausschuss sich noch vor der Bundestagswahl in einer Sondersitzung mit ihr auseinandersetzen will und die SPD keine Gelegenheit zur Generalabrechnung auslässt. Man lernt daraus, dass das kollektive Gedächtnis der Militärs lang ist, das Selbstbewusstsein des Parlaments groß – und der Jagdeifer der SPD geweckt ist. Die Partei bedient eine Stimmung, die schon da war.

Bundesverteidigungsministerin: Kein Generalverdacht gegen die Bundeswehr

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      Dass die Truppe es verdient habe, dass sie, von der Leyen, beharrlich für ihre Modernisierung werbe, ist die Erzählung, die sich die Ministerin selbst zurechtgelegt hat: ein Feldzug für die Moderne. Aber ist es wirklich so, dass die Truppe zu ihrem Glück gezwungen werden möchte?

      Vorgänger waren nur zwei Jahre im Amt

      Die Frage, ob die Verteidigungsministerin im Amt bleibt, ob Kanzlerin Angela Merkel sie lässt, ist unabhängig des Wahlausgangs relevant. Wenn von der Leyen ausscheidet, liegt sie mit vier Jahren Amtszeit im Vergleich zu ihren 16 Vorgängern zwar noch im oberen Bereich. Die meisten hat es früher aus dem Sattel geworfen, ihre zwei unmittelbaren Vorgänger brachten es jeweils auf zwei Jahre. Aber von der Leyen hat noch lange nicht ihren Auftrag erfüllt.

      Was sie bewegt hat, ist nicht nachhaltig oder gar politisch unumkehrbar. Wenn die Union die Wahl gewinnt und Merkel die Regierung anführen darf, wird sie sich bei der Besetzung des Verteidigungsministeriums zwei Fragen stellen müssen: Was ist ihr wichtiger, eine Truppe auf Trab oder Ruhe im Karton? Und: Ist von der Leyen Teil der Lösung oder Teil des Problems?