Mexiko-Stadt. Tote bei der Wahl zur Verfassungsversammlung in Venezuela: Die Gräben im Land vertiefen sich, das Ausland isoliert Präsident Maduro.

Der Montag war schon angebrochen, als Präsident Nicolás Maduro auf der zentralen Plaza Bolívar in Caracas vor seine Anhänger trat. Diese Constituyente, die Verfassunggebenden Versammlung, sei gewählt worden, „um Ordnung und Gerechtigkeit zu schaffen und den Frieden zu verteidigen“, rief er mit triumphierender Geste ein paar hundert Anhängern zu. Kurz zuvor hatte der Wahlrat CNE eine angeblich hohe Beteiligung an der Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung am Sonntag ermittelt.

Acht Millionen Venezolaner oder 41,53 Prozent der Wahlberechtigten sollen abgestimmt haben. Die Opposition bestreitet diese Zahlen vehement und sprach vom größten Wahlbetrug der Geschichte. Tatsächlich ist für die linksautoritäre Regierung in Caracas eine hohe Beteiligung wichtig, damit die im In- und Ausland umstrittene „Asamblea Nacional Constituyente“ (ANC) wenigstens Ansätze von Legitimität genießt.

Präsident Maduro droht der Opposition

Im gleichen Atemzug drohte Maduro der Opposition. Wenn diese mit „ihrer Verrücktheit“ weiter mache, würden einige ihrer Führer „in einer Zelle enden“. Der Staatschef beendete seine Ansprache und deutete an, was in den kommenden Tagen in Venezuela passieren wird. „In der Hand der Verfassunggebenden Versammlung liegt die Führung dieses Landes.“

Nach der Explosion eines Sprengkörpers in der Nähe einer Gruppe von Motorradpolizisten zündete die Nationalgarde am Wahltag in Caracas Motorräder der Presse an.
Nach der Explosion eines Sprengkörpers in der Nähe einer Gruppe von Motorradpolizisten zündete die Nationalgarde am Wahltag in Caracas Motorräder der Presse an. © dpa | Ariana Cubillos

Damit endete ein Tag, der für Venezuela einen Wendepunkt bedeutet. Der Sonntag sei ein Markstein gewesen, „der die Existenz der venezolanischen Demokratie in Frage stellt“, sagt David Smilde, vom „Washington Office on Latin America“ (WOLA). Der Venezuela-Experte der Nichtregierungsorganisation sagt für die kommenden Wochen und Monate turbulente Zeiten für den Chaos- und Krisenstaat voraus: „Wir werden mehr Konflikt, mehr Tragödien und noch mehr Schwierigkeiten sehen“.

Experten erwarten „mehr Konflikt, mir Tragödien“

Dabei hat das südamerikanische Land schon seit Jahren genug davon. Spätestens seit dem Tod von Maduros Vorgänger Hugo Chávez vor vier Jahren steigen die Konflikte zwischen Regierung und Opposition in dem Maße an, wie die Wirtschaftslage sich verschlechtert. Mittlerweile ist Venezuela ein internationaler Sozialfall, der dringend Nahrungsmittelhilfe aus dem Ausland benötigt, um die hungernden Menschen satt zu bekommen. Zugleich aber sterben beinahe täglich Menschen in den verbissenen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Gegnern Maduros, die so seine Ablösung erzwingen wollen.

Auch am Sonntag starben landesweit mindestens ein 15 Menschen bei den Konflikten um die Verfassunggebende Versammlung. Dabei hatten beide Seiten Opfer zu beklagen. Fast sinnbildlich stand der Tag für die Spaltung des Landes. Während in einigen Vierteln von Caracas bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, wählten in anderen Stadtteilen die Menschen in aller Ruhe. In den Provinzstädten kam es zu ähnlichen Szenen.

Demonstranten haben in Caracas Barrikaden errichtet.
Demonstranten haben in Caracas Barrikaden errichtet. © REUTERS | CHRISTIAN VERON

Experten wie David Smilde oder der Amerika-Direktor von „Human Rights Watch“, José Miguel Vivanco gehen davon aus, dass die demokratischen Freiräume in Venezuela weiter beschnitten und die Gewaltenteilung abgeschafft wird. In der Verfassungsversammlung würden Maduros „bedingungslose Anhänger“ schnell dafür sorgen, dass die wenigen unabhängigen Institutionen, wie das Parlament oder die Nationalversammlung, kaltgestellt würden, fürchtet Vivanco. WOLA-Experte Smilde ist sich sicher, dass die ANC, die schon in den kommenden Tagen zusammentreten soll, das Parlament entmachtet. Damit wäre Maduro praktisch jeder institutionellen Opposition ledig.

International ist Venezuela weitestgehend isoliert

Dafür hat sich Maduro aber im Ausland noch mehr Gegner zugezogen. Mittlerweile ist Venezuela weitgehend isoliert. Die USA verhängten am Montag Finanzsanktionen. Mögliche Vermögen von Maduro in den USA würden eingefroren und US-Bürgern alle Geschäfte mit ihm verboten, teilte das Finanzministerium in Washington mit.

Die Europäische Union und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) lehnen die Verfassunggebende Versammlung ab, und das Nachbarland Kolumbien hat schon vor der Wahl erklärt, es werde die ANC als ungültig betrachten. Präsident Juan Manuel Santos sagte am Freitag, die Versammlung sei „illegitim“ und ihre Ergebnisse und Entscheidungen daher nicht gültig. Die argentinische Regierung zog am Sonntag nach. Das Außenministerium in Buenos Aires begründete seine Entscheidung damit, dass die ANC den „Willen des venezolanischen Volkes“ ignoriere. Auch Mexiko, Costa Rica, Chile und Spanien wollen die ANC nicht anerkennen.