Caracas/Berlin. In Venezuela wurde der Kandidat für die Verfassunggebende Versammlung erschossen. Beobachter rechnen mit einer Eskalation der Gewalt.

Die Wahl zur Verfassunggebenden Versammlung in Venezuela ist von gewalttätigen Ausschreitungen überschattet worden. Ein Kandidat für die Versammlung wurde am Sonntag im Osten des Landes in seiner Wohnung von Unbekannten erschossen. Im Bundesstaat Mérida wurde ein 19-jähriger Demonstrant getötet.

Schon in der Nacht zum Sonntag hatten Gegner des autokratischen Präsidenten Nicolás Maduro im Osten der Hauptstadt Caracas Straßenblockaden aufgebaut. Dort lebt vor allem die Mittel- und Oberschicht.

Am Sonntag häuften sich Berichte über Angriffe auf Wahllokale und verbrannte Wahlzettel. Die Lage in dem Land mit den größten Ölreserven der Welt ist seit Wochen sehr angespannt. Ein Oppositionsbündnis aus rund 20 Parteien boykottierte die Wahl, deren Ergebnisse erst im Laufe des Montags vorliegen sollen.

Einsatz von 232.000 Soldaten angekündigt

Kritiker der Regierung befürchten, dass die Verfassunggebende Versammlung das Parlament abschaffen und den Einparteienstaat unter Maduro zementieren soll. Vorsichtshalber hatten die Behörden Demonstrationen bis Dienstag verboten. Um die Wahl abzusichern, kündigte die Regierung den Einsatz von rund 232.000 Soldaten an. Dennoch rechnen Beobachter mit einer Eskalation der Gewalt in den kommenden Tagen.

Insgesamt waren 19,4 Millionen Venezolaner zur Wahl der 545 Mitglieder der Verfassunggebenden Versammlung aufgerufen. Es gilt als sicher, dass Präsident Maduro eine Mehrheit in dem Gremium bekommt, da die Kandidaten der regierenden Sozialistischen Partei begünstigt werden. Dazu kommen 181 Personen aus Sektoren, die vorwiegend den Sozialisten nahestehen: Arbeiter, Studenten, Rentner und Bauern.

Erneut Tote bei Protesten in Venezuela

weitere Videos

    Venezuela ist von Versorgungskrise erschüttert

    Bereits vor der Wahl drohten die USA Maduro mit Wirtschaftssanktionen. Auch die EU will das Votum nicht anerkennen. Bei den seit April andauernden Protesten starben bisher mehr als 100 Menschen. Neben der politischen Krise wird das Land von einer Versorgungskrise erschüttert. Lebensmittel fehlen, und in Apotheken mangelt es an Medikamenten. „Verzweifelte Eltern versuchen, ihre Kinder bei Hilfsorganisationen unterzubringen, damit sie dort wenigstens etwas zu essen bekommen“, berichtete der Direktor der SOS-Kinderdörfer in Venezuela, José Luis Benavides.

    Mitte Juli sprachen sich 7,5 Millionen Venezolaner in einer symbolischen Volksbefragung gegen Maduros Pläne aus. Auf Hunderttausende Arbeiter in staatlichen Unternehmen wurde nach Medienberichten mit Textnachrichten und Telefonanrufen erheblicher Druck ausgeübt, an der Wahl teilzunehmen. Mehrere Länder warnten eindringlich vor Reisen in das Land. Große Fluggesellschaften haben die Verbindungen nach Caracas eingestellt.