Berlin. Italien hat viele Probleme auf dem Arbeitsmarkt und im Bankensektor. Doch die Schwierigkeiten in Südeuropa bedrohen die ganze Eurozone.

Es ist noch gar nicht so lange her, da hat man sich in Europa entspannt zurückgelehnt. Der Rechtspopulismus sei besiegt, waren viele überzeugt. Wahr ist: Bei den zurückliegenden Wahlen in Österreich, den Niederlanden und in Frankreich gelang keiner der Rechtsaußenparteien der Durchmarsch. Vor allem der Triumph des neuen Politüberfliegers Emmanuel Macron mit seiner proeuropäischen Agenda verbreitete Hochstimmung. Der Marine-Le-Pen-Schock ist verpufft, und die EU lebt, lautete der Tenor.

Diese Selbstzufriedenheit ist trügerisch – und gefährlich. In Italien, der drittgrößten Volkswirtschaft auf dem Kontinent, braut sich ein Krisen-Cocktail zusammen, der Links- und Rechtspopulisten neuen Auftrieb verleihen könnte. Kein Land in Europa steht mehr in der Kreide. Knapp 2,3 Billionen Euro Schulden hat der Staat, das entspricht 133 Prozent der Wirtschaftsleistung. Tendenz steigend.

Rückzahlung von Krediten ist aktuell kein Thema

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank ermuntert die öffentliche Hand zu immer mehr Krediten. Dass die Außenstände zurückgezahlt werden müssen, was bei der irgendwann anziehenden Inflation ein teures Vergnügen wird, scheint heute niemanden zu interessieren. Verschärft wird die Haushaltsschieflage durch die steigenden Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge.

Auch bei der Rettung der Banken lässt die Regierung oft fünf gerade sein. Etliche Geldhäuser haben seit Ausbruch der Finanzkrise vor zehn Jahren ihre Bücher nicht bereinigt. Viele sitzen noch auf faulen Krediten, die sie vor sich herschieben. Sie können sich darauf verlassen, dass ihnen der Staat im Zweifelsfall aus der Patsche hilft. So wurde die angeschlagene Traditionsbank Monte die Paschi di Siena vor Kurzem mit einer milliardenschweren Kapitalspritze am Leben erhalten.

Wirtschaftswachstum stockt

Es ist ein Teufelskreis. Die Finanzinstitute sind risikoscheu geworden und halten sich bei der Vergabe neuer Darlehen an Unternehmen und Verbraucher zurück. So fehlt es an Geld für Investitionen und den privaten Konsum. Aber auch aus dem Ausland kommen zu wenig neue Mittel: Die weit verbreitete Korruption und Probleme mit der Justiz wirken abschreckend.

So verwundert es nicht, dass das Wirtschaftswachstum stockt. Auch wenn die Konjunktur im erstem Quartal um 0,4 Prozent zulegte: Es dürfte nicht viel mehr als ein Strohfeuer sein. Der Arbeitsmarkt in Italien weist die schwächsten Werte in der ganzen Eurozone auf. Der ehemalige Ministerpräsident Matteo Renzi entrümpelte zwar das Arbeitsrecht und schaffte den Vollkasko-Kündigungsschutz ab. Aber die Reformen blieben halbherzig.

Europa droht neuer Moment der Wahrheit

Die Unfähigkeit der italienischen Politik, auch schmerzhafte Maßnahmen zu ergreifen, ist ein entscheidender Teil des Krisen-Cocktails. Die drei großen Parteien sind nicht einmal in der Lage, sich auf ein neues Wahlgesetz zu einigen. Gewählt wird spätestens im März 2018, doch bereits im Herbst beginnen die politischen Kampagnen. Nach derzeitigen Umfragen liegt die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo vorn, die mit dem 31-jährigen Luigi Di Maio über ein frisches Gesicht verfügt. Der Austritt des Landes aus der Eurozone ist eine der Kardinalforderungen. Auch die euroskeptischen Rechtspopulisten um den Strippenzieher Silvio Berlusconi, die mit teuren Wahlversprechen trommeln, liegen gut im Rennen.

Die Sozialdemokraten mit Parteichef Renzi stehen mächtig unter Druck. Die drei maßgeblichen Parteien sind heftig zerstritten und – so wie es heute aussieht – miteinander nicht koalitionsfähig. Gut möglich, dass Europa im März ein neuer Moment der Wahrheit bevorsteht.