Ankara. Der türkische Staatschef Erdogan nimmt den Westen weiter scharf unter Beschuss. Dabei schien eine Steigerung kaum mehr vorstellbar.

An Appellen zur Mäßigung gibt es keinen Mangel, aber zumindest in Ankara scheinen sie nicht viel zu bewirken. Nachdem EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn am Montag die Türkei aufgerufen hatte, „auf überzogene Aussagen und Handlungen zu verzichten“, konterte das türkische Außenministerium: Die EU-Erklärung sei „ohne Wert“. Sie fördere „Extremismus, Ausländerfeindlichkeit und anti-türkische Gefühle“.

Am Dienstag feuerte Erdogan bei einem Auftritt in Ankara neue verbale Salven auf die Niederlande ab. Das Land habe am vergangenen Samstag mit dem Landeverbot für den türkischen Außenminister und der Abschiebung der Familienministerin „Staatsterrorismus“ demonstriert, sagte Erdogan. In derselben Rede machte er die Niederlande für das Massaker im serbischen Srebrenica verantwortlich: „Wir kennen Holland und die Holländer noch vom Massaker in Srebrenica“, sagte Erdogan. „Wir wissen, wie verdorben ihre Natur und ihr Charakter ist, seit sie dort 8000 Bosniaken ermordet haben.“

De Maiziere: Türkei-Vorwürfe ohne reale Grundlage

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    Erdogan greift Merkel persönlich an

    Das Massaker wurde im Juli 1995 von serbischen Truppen verübt. Rund 400 niederländischen Blauhelm-Soldaten, die in Srebrenica stationiert waren, gelang es nicht, das Kriegsverbrechen zu verhindern. Der niederländische Premierminister Mark Rutte bezeichnete Erdogans Vorwürfe als „hysterisch“ und „unglaublich“.

    Bereits am Montagabend hatte Erdogan in einem Fernsehinterview Deutschland und Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich scharf attackiert. „Schande über Dich“, rief Erdogan erregt und fuhr fort: „Verehrte Merkel, Du unterstützt Terroristen!“ Er kritisierte die Bundeskanzlerin dafür, dass sie die Niederlande gegen Nazi-Vorwürfe verteidigt hatte.

    „Wir wissen, dass Du genauso bist wie sie (die Niederländer, d. Red.), wir haben nichts anderes erwartet.“ So wie der niederländische Premier Rutte „Hunde und Pferde auf türkische Demonstranten gehetzt“ habe, attackiere auch Merkel die Türken „mit ihren Hunden und Pferden“.

    Türken in Deutschland für Erdogan besonders wichtig

    Mit den sich ständig steigernden Angriffen gegen europäische Staaten und Politiker verlagert Erdogan den türkischen Wahlkampf mehr und mehr auf die europäische Bühne. Am 16. April sollen die türkischen Wähler in einer Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung entscheiden, die mit der Einführung eines Präsidialsystems Erdogan eine nahezu unumschränkte Machtfülle geben würde. Bei dem Referendum sind auch rund drei Millionen Auslandstürken wahlberechtigt.

    Die größte Gruppe von ihnen, etwa 1,4 Millionen, lebt in Deutschland. Für Erdogan sind sie ein wichtiges Reservoir. Denn unter ihnen hat er besonders viele Anhänger. Das zeigte sich schon bei der Präsidentenwahl 2014. Damals erhielt Erdogan im eigenen Land 52,2 Prozent der Stimmen, in Deutschland hingegen fast 69 Prozent. Auf die Stimmen dieser Anhänger könnte es jetzt für Erdogan ankommen, denn Meinungsumfragen deuten auf einen knappen Ausgang des Verfassungsreferendums hin.

    Saarland will Auftritte türkischer Politiker verbieten

    Die türkische Regierungspartei AKP und ihr Auslands-Ableger, die Union der Europäisch-Türkischen Demokraten (UETD), planen deshalb in den nächsten Wochen mindestens 15 Kundgebungen in Deutschland, um für ein Ja beim Referendum zu werben.

    Damit sind weitere Kontroversen programmiert. Als erstes Bundesland will das Saarland Auftritte ausländischer Politiker verbieten. „Innertürkische Konflikte haben in Deutschland nichts zu suchen“, sagte die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Dienstag. „Wahlkampfauftritte, die den inneren Frieden in unserem Land gefährden, gehören verboten.“

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    NRW lehnt generelles Auftrittsverbot ab

    Ein solches Verbot könnte nach dem Aufenthaltsgesetz erfolgen. Anders als das Saarland lehnt Nordrhein-Westfalen ein generelles Auftrittsverbot für türkische Politiker ab. „Wir werden auch weiterhin Auftritte von türkischen Regierungsmitgliedern im Einzelfall betrachten, teilte die Düsseldorfer Staatskanzlei am Dienstag mit.

    Ob auch Erdogan persönlich, wie in früheren Wahlkämpfen, im Ausland auftreten wird, ist noch unbekannt.