Das umstrittene Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 wird nach Angaben aus dem Aufsichtsrat trotz der Kostenexplosion nicht gestoppt.

Berlin. Trotz der Kostenexplosion wird das umstrittene Milliardenprojekt Stuttgart 21 nicht gestoppt. „Der Aufsichtsrat wird der Bahn für den Weiterbau bei der geplanten Sondersitzung im März grünes Licht geben“, sagte ein Mitglied des Gremiums am Donnerstag. Ein Regierungsvertreter bestätigte, die Bundesvertreter im Aufsichtsrat des Staatskonzerns hätten sich auf diese Linie verständigt. Auf eine Weiterbau-Entscheidung noch vor Beginn der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs habe das Kanzleramt hingewirkt.

Im Dezember hatten die Aufsichtsräte dem Vorstand angesichts von Milliarden Mehrkosten noch nicht freie Hand zur Fortführung des unterirdischen Bahnhofsprojekts geben wollen. Weder ein Bahn-Sprecher noch das Bundesverkehrsministerium wollten sich zu den Angaben äußern.

Bahn soll mindestens 300 Millionen Euro Kosten sparen

Allerdings werde die Bahn nun aufgefordert, Sparmöglichkeiten zu nutzen, sagte ein Aufsichtsrat. So sollen die Mehrkosten aus dem Schlichtungsverfahren zu Stuttgart 21 sowie die veränderte Anbindung des Stuttgarter Flughafens nicht allein von der Deutschen Bahn getragen werden. Sie seien nicht Bestandteil der Verträge. Dadurch könnten mindestens 300 Millionen Euro Kosten vermieden werden.

Anfang der Woche hatten das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart erneut deutlich gemacht, sie würden sich an keinen Kosten über dem vereinbarten Rahmen von rund 4,5 Milliarden Euro beteiligen. Rund 1,1 Milliarden Euro an ungeplanten Lasten will die Bahn selbst tragen. Zudem sieht sie weitere Kostenrisiken von 1,2 Milliarden Euro, die sich aber mit Verzicht auf die Umsetzung der Schlichtungsergebnisse und der veränderten Flughafen-Anbindung um 300 Millionen Euro reduzieren würden.

Regierung fürchtet Debatte im Wahlkampf

Die Kostendebatte hatte den jahrelangen Streit um das Projekt neu angeheizt. Selbst in der Bundesregierung, im Aufsichtsrat der Bahn und der FDP hatten sich skeptische Stimmen gemehrt. Weitere Milliarden würden im Wahlkampf den Grünen als Gegner des unterirdischen Bahnhofs ein „Kampfinstrument“ an die Hand geben, hieß es. Munition erhielten die Gegner durch ein Papier aus dem Bundesverkehrsministerium, das nahelegte, dass die Argumente gegen einen Weiterbau stärker seien. Unter anderem wurde von der Bahn eine genaue Berechnung der Kosten für einen Ausstieg verlangt.

Erwogen wurde daraufhin in der Regierung, eine Entscheidung im Aufsichtsrat erst nach der Bundestagswahl zu treffen. Verkehrsminister Peter Ramsauer hatte jedoch bereits zur Jahreswende gesagt: „Es gibt hier kein zurück mehr.“ Auch Kanzlerin Angela Merkel hatte sich in der Vergangenheit für das Vorhaben ausgesprochen. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte am Montag indirekt angedeutet, dass die Zusatzkosten gerade noch tragbar seien: „Weitere Kostenüberraschungen darf es da nicht geben.“

Zugleich war betont worden, der Bahnhof müsse wirtschaftlich sein. Nach Angaben der Bahn ist er dies bei Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro gerade noch. Wenn aber aus den übrigen Risiken noch mehrere hundert Millionen Euro Kosten entstehen sollten, wäre dies nicht mehr der Fall.

Bei einer Volksabstimmung 2011 in Baden-Württemberg hatte sich eine Mehrheit für den Bahnhof ausgesprochen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat seitdem erklärt, er fühle sich an den Bau-Vertrag gebunden. Kosten über die vereinbarten 4,5 Milliarden Euro hinaus müsse aber die Bahn tragen.