Verkehrsausschuss will Grube und Kefer laden. Bauprojekt nahe an der Verlustzone. Kauder hält „Stuttgart 21“ weiter für notwendig.

Berlin/Stuttgart. Die Kostenexplosion beim umstrittenen Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ könnte für das Topmanagement der Deutschen Bahn ein politisches Nachspiel haben. Wegen der veranschlagten Mehrkosten von 1,1 Milliarden Euro für den Neubau müssen Bahnchef Rüdiger Grube und Infrastruktur-Vorstand Volker Kefer im neuen Jahr zum Rapport vor den Verkehrsausschuss des Bundestages, sagte CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Beide müssten die entstehenden Mehrkosten genau erklären.

Die Bahn hatte noch im Oktober 2011 versichert, das damals auf rund 4,5 Milliarden Euro veranschlagte Bauvorhaben sei „so gut wie kein anderes Projekt“ kalkuliert worden. Vergangenen Mittwoch musste der Staatskonzern dann doch nachlegen: Nun wird für „Stuttgart 21“ insgesamt ein Finanzierungsrahmen von rund 5,6 Milliarden Euro veranschlagt – und damit 1,1 Milliarden Euro mehr als zuvor. Der Stuttgarter Hauptbahnhof soll von einem Kopf- in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut werden.

Die zusätzlichen Kosten will die Bahn allein schultern – und das bringt das Projekt für den Staatskonzern gefährlich nahe an die Verlustzone. Nach derzeitigem Stand würde die Bahn bei einem Eigenanteil von rund 2,8 Milliarden Euro mit dem Neubau eine Rendite von weniger als zwei Prozent erzielen, bestätigten Konzernkreise einen Bericht der „Wirtschaftswoche“. Das hatte Kefer bereits bei der Vorlage seiner Finanzpläne angedeutet: Durch die Mehrkosten gehe „die Wirtschaftlichkeit des Projekts massiv in die Knie“, sagte er – sie werde „aber nicht negativ“.

Damit könnte „Stuttgart 21“ für die Bahn nun schnell zum Verlustgeschäft werden. In Kefers Finanzplan ist zwar ein Kostenpuffer von 930 Millionen Euro enthalten, zugleich sind aber Risiken von bis zu 1,2 Milliarden Euro noch nicht fest eingepreist.

Künast sieht Bahn mit „Stuttgart 21“ überfordert

Dennoch hält Unionsfraktionschef Volker Kauder den Bau weiterhin für „notwendig“, obwohl auch ihn die zusätzlichen Kosten überrascht hätten. „Stuttgart 21“ sei aber „in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit befürwortet worden“, sagte der CDU-Politiker dem SWR. Zudem sehe er den Sinn des Projekts. Wenn „Baden-Württemberg von den internationalen Schienenverbindungen abgehängt würde, wäre dies für dieses Land eine Katastrophe“.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte dagegen ein Einschreiten der Bundesregierung. Diese müsse sicherstellen, dass die Bahn wirtschaftlich vernünftig agiere, sagte Künast der Zeitung „Die Welt“ (Montagausgabe). Die Bundesregierung trage eine Mitverantwortung dafür, dass die Kostenrisiken über Jahre verdeckt worden seien.

„Stuttgart 21“ nannte Künast „schon jetzt gescheitert“. Mit den Mehrkosten und weiteren Risiken sei das Vertrauen in die Bahn ruiniert. „Sie hat das Projekt nicht mehr im Griff.“ Bahnchef Grube habe den Bahnhof schönrechnen lassen, damit er wirtschaftlich erscheine.

Die „Juristen für Stuttgart 21“ nehmen den Kostenanstieg nach eigenen Angaben zwar „mit Befremden und Bedauern zur Kenntnis“. Sie betonten aber zugleich, dass die Finanzierungsverträge Gültigkeit hätten. Eine Ausstiegsklausel für einzelne Projektpartner sähen sie nicht vor. Auch das Votum der Volksabstimmung sei weiterhin verbindlich, betonte Sprecher Stefan Faiß am Sonntag in Stuttgart.

Andere Projekte sollen durch Mehrkosten nicht leiden

Zudem bestritt die Bahn, dass die Mehrausgaben für „Stuttgart 21“ langfristig den Ausbau wichtiger Schienenstrecken gefährden. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte vorab gemeldet, dass wegen des Projekts Geld für sechs Strecken mit einem Volumen von knapp neun Milliarden Euro fehle.

Ein Konzernsprecher sagte dagegen, dass mögliche Änderungen in diesen Planungen nichts mit „Stuttgart 21“ zu tun hätten, weil diese Bauvorhaben zum allergrößten Teil vom Bund bezahlt werden müssten.