Die Bahn will es jetzt wissen: Hält das Land am Milliardenprojekt Stuttgart 21 fest und ist es bereit, Mehrkosten zu zahlen?

Stuttgart. Die Deutsche Bahn verhandelt seit Montag offiziell mit den Partnern des Milliardenprojekts Stuttgart 21 über die Übernahme von Mehrkosten – holte sich aber beim Land prompt einen Korb. Nach einem zweistündigen Gespräch zogen Bahn-Technikvorstand Volker Kefer und Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Montagabend jeweils ernüchternde Bilanzen. Manager Kefer sprach von einer „schwierigen Situation“, Hermann von „nicht besonders gemütlichen Gesprächen“. Der Minister sagte nach dem Treffen in Stuttgart: „Wir haben uns im Kreis gedreht.“

Die Bahn hatte die sogenannte Sprechklausel gezogen, um nach dem Überschreiten des Finanzierungsrahmens von bislang 4,5 Milliarden Euro über die Finanzierung zusätzlicher Kosten und Risiken von bis zu 2,3 Milliarden Euro zu verhandeln. Die Bahn selbst stehe nach wie vor zu S 21 und wolle es vorantreiben, betonte Kefer in Stuttgart. Hermann bekräftigte, dass das Land nicht mehr als die zugesagten 930 Millionen Euro zahle. „Die Zuwendungen sind gedeckelt.“

Das angemahnte Bekenntnis zu Stuttgart 21 erhielt die Bahn vom Land ebensowenig wie Hermann die detaillierten Unterlagen zur gründlichen Bewertung des Vorhabens von der Bahn. Aus Sicht von Kefer ist es ein Widerspruch, dass Hermann einerseits ein weiteres finanzielles Engagement des Landes strikt ablehne, andererseits immer wieder Informationen einfordere. Hermann dagegen sagte, schon für die Zahlung der 930 Millionen Euro seien diese unverzichtbar.

Eine für Ende Februar anberaumte Sitzung des Lenkungskreises der S-21-Projektpartner wurde von beiden Seiten abgesagt. Aus Sicht von Kefer ist die Anrufung eines Gerichtes, um die Bedeutung der Sprechklausel klarzustellen, nur eine „ultima ratio“. Die Bahn wolle auf anderem Wege eine Einigung erreichen. Hermann fügte hinzu: „Wir haben nicht vor, gegen die Deutsche Bahn zu klagen.“

Die im Finanzierungsvertrag festgehaltene Sprechklausel verpflichtet die Projektpartner aus Sicht der Bahn zu einer weiteren Beteiligung an steigenden Projektkosten. Kefer: „Das ist kein herkömmlicher Liefer- und Leistungsvertrag.“ Es sei vielmehr ein „Partnerschaftsvertrag“. Wenn die Klausel so bedeutungslos sei, wie das Land sie sehe, hätte sie ja gar nicht in den Vertrag aufgenommen werden brauchen, argumentierte er weiter. Auch Bahn-Chef Rüdiger Grube hatte sich diese Interpretation der Klausel in einem Gutachten bestätigen lassen. Immerhin zahle die Bahn mit 1,8 Milliarden Euro doppelt so viel wie das Land und sechsmal so viel wie die Stadt Stuttgart, unterstrich Kefer. Aus Sicht des Landes und der Stadt verpflichtet die Klausel allerdings zu nichts anderem als Gesprächen. „Sprechen ist nicht zahlen“, betont Hermann stets.

Aus Sicht des Verkehrsministerium ist die Sprechklausel allerdings noch gar nicht gezogen, weil der S-21-Lenkungskreis noch nicht das Überschreiten des Finanzierungsrahmen offiziell festgestellt habe. Die dazu aber erforderlichen Unterlagen seien dem Gremium noch nicht zugekommen; die im Datentraum von der Bahn bereitgestellten vertraulichen Unterlagen seien nicht ausreichend, argumentierte der Minister. Aus seiner Sicht war das Treffen mit Kefer nur ein „vorbereitendes Gespräch zum Ziehen der Sprechklausel“.

Mit dem Treffen mit Hermann eröffnet der Staatskonzern offiziell die Verhandlungen mit dem Land, der Stadt und der Region Stuttgart über die Verteilung von Kosten. An diesem Dienstag will Kefer Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) und die Spitzen des Regionalverbandes konsultieren. Zu einer Klärung mit Hilfe der Sprechklausel hatte auch der Aufsichtsrat den Vorstand aufgefordert. Kefer sagte, die Gespräche dienten der Meinungsbildung in Vorstand und Aufsichtsrat. Letzterer tagt voraussichtlich am 5. März und hat dann möglicherweise das letzte Wort über Stuttgart 21.

Der frühere Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler hat unterdessen seinen Vorschlag einer Kombi-Lösung aus Kopf- und Tiefbahnhof wieder ins Gespräch gebracht. „Man sollte, wenn jetzt dieses Projekt zur Debatte steht, auf jeden Fall diese Kombi-Lösung ernsthaft prüfen. Das erwarte ich von allen Beteiligten“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart. Dazu müssten die Beteiligten vom hohen Ross herunterkommen und kompromissbereit sein.

Der Stuttgarter Flughafen unterstrich mit Blick auf Überlegungen im Bahn-Aufsichtsrat, er erwarte, dass die Bahn Fernverkehrszüge über den Airport schickt. „Der Kern des Stuttgart 21 zugrundeliegenden Konzeptes ist es, den Flughafen mit ICE- und Interregio-Zügen anzubinden“, sagte Geschäftsführer Walter Schoefer. Das sei auch im Finanzierungsvertrag festgehalten. Damit reagierte er auf Gedankenspiele im Aufsichtsrat, Stuttgart 21 abzuspecken, etwa durch Verzicht auf einen ICE-Halt am Landesflughafen.