Sie hatten eigentlich noch so viele Jahre vor sich, waren beide erst Mitte 20 und äußerst hilfsbereit. Nun kostete ihnen ihre Großherzigkeit das Leben. Der Landkreis Gifhorn, Freunde bei studiVZ und Bekannte trauern um die beiden Studentinnen der BSB Lemgo, einer Bibelschule.

Hamburg. "(...) ich kenne dich nicht persönlich, habe dich aber oft gesehen an der BSB. Du darfst jetzt beim Vater sein. Und wir, wir beten für deine Familie und Freunde. Und trauern mit...", schrieb Achim B., ein Student der Bibelschule Brake. Er hat einen von 178 Einträgen auf Ritas Pinnwand bei studiVZ geschrieben. Rita (26) wird das nie lesen können, denn sie ist tot. Ermordet worden. Auch Anita G. (24) lebt nicht mehr - eine Kommilitonin der lebenslustigen Frau. Beide waren im Jemen - beide waren Mitglieder der baptistischen Immanuelgemeinde in Wolfsburg und wollten in dem arabischen Land helfen, humanitäre Hilfe leisten. Sie kommen aus Wettmershagen, einem kleinen, beschaulichen Ort mit 462 Einwohnern nahe Gifhorn - und gingen in eine brutale Welt, die sie im Jemen kennenlernen mussten.

Aufgrund ihres ausgeprägten sozial-diakonischen Engagements entschieden sie sich für ein Praktikum im Jemen. Dort brachten sie sich als Kurzzeitmitarbeiter von „Worldwide Services“ im Krankenhaus von Saada in die medizinische Versorgung der Bevölkerung ein", heißt es auf der Homepage der Bibelschule. Rita S. sagt in ihrem studiVZ-Profil, sie sei "Christ aus Leidenschaft".

Doch hat diese Leidenschaft ihr Leben gekostet und großes Leid geschaffen. Familien, Freunde, Verwandte und Bekannte trauern um die beiden jungen Frauen. Anika S. schreibt auf Ritas studiVZ-Pinnwand: "Ich bin so erschüttert von den Ereignissen, und es bricht mir das Herz. Es ist so unbegreiflich, doch es tröstet, was Jesus sagt: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." Vera H. schreibt auf die rot-weiße Seite des Internetportals: "Rita, es ist kaum zu fassen. In Gedanken bin ich bei dir und deiner Familie."

Die Familien der beiden jungen Frauen sollen Spätaussiedler sein. Im Landkreis Gifhorn hatten sich schon vor Jahrzehnten viele Deutschstämmige aus der ehemaligen Sowjetunion in der Hoffnung auf einen Arbeitsplatz bei VW niedergelassen. Der Vater einer der beiden zeigte sich tief bestürzt. „Sie war ein Engel“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Diejenigen, die seiner Tochter das angetan hätten, seien „skrupellose Verbrecher, die möchten, dass wir leiden“. Er hoffe nun, dass die übrigen Geiseln mit dem Leben davon kommen werden. Er habe mit seiner Tochter einen Tag vor der Entführung zum letzten Mal am Telefon sprechen können, sagte der Vater. „Sie war sehr glücklich, den Menschen im Jemen helfen zu können.“

Auch die Gifhorner Landrätin Marion Lau (SPD) ist tief bestürzt: „Nach meinen Informationen waren die beiden im Jemen, um zu helfen. Egal ob in Afghanistan oder im Jemen, warum werden Menschen getötet, die in guter Absicht in ein Land kommen?“

Diese Frage stellen sich viele Menschen. Klar ist: Die Entführer haben zwei Leben ausgelöscht. Sie haben den Frauen ihre Zukunft geraubt, die Möglichkeit auf Familie und ein erfülltes Leben mit einem Schlag genommen. Die Mörder haben entschieden, dass Rita S. nie wieder ein Leben führen kann, wie es ihr Fotoalbum bei studiVZ darstellt: Sie ist Kunstturnerin und VfL-Wolfsburg-Fan, schneidet Grimassen, lacht auf beinahe jeder Aufnahme, posiert als Nonne, umarmt Freunde. Und die Bilder zeigen ein mutiges Mädchen, das sich 4000 Meter mit einem Fallschirm in die Tiefe stürzt. Mut haben beide Frauen bewiesen, vor allem durch ihren Einsatz im Jemen.