Das Massaker eines US-Soldaten an Zivilisten hat in Afghanistan harte Kritik an ausländischen Truppen ausgelöst. US-Präsident Barack Obama verspricht schnelle Bestrafung. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich entsetzt über den Amoklauf.

Kabul. Der Amoklauf eine US-Soldaten sorgt für eine weitere Verschärfung der Situation in Afghanistan zwischen den Einheimischen und den ausländischen Truppen. Das Massaker an Zivilisten hat in Afghanistan Wut und harte Kritik an den ausländischen Truppen ausgelöst. Das Parlament in Kabul erteilte den internationalen Soldaten eine scharfe Warnung. "Die Toleranzgrenze des afghanischen Volkes ist erreicht", hieß es in einer Mitteilung des Unterhauses (Wolesi Dschirga). Nach afghanischen Regierungsangaben hatte ein inzwischen festgenommener US-Soldat in der Nacht zu Sonntag in der südafghanischen Provinz Kandahar 16 Zivilisten ermordet. Darunter waren neun Kinder und drei Frauen.

Die US-Regierung stellt sich bereits auf eine neue Welle gewaltsamer Proteste wie nach den jüngsten Koranverbrennungen ein. Das Blutbad „ist geeignet, Zorn und Emotionen an einem Ort anzufachen, in dem die Spannungen bereits beträchtlich sind“, sagte der Sprecher des State Department, Mark Toner.

Das bringt auch US-Präsident Barack Obama in eine neue Lage. Denn er muss auch im eigenen Land während des Präsidentschaftswahlkampfes den Afghanistaneinsatz rechtfertigen. Was einst als selbstverständliche militärische Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 begann, hat nach zehn Jahren nur noch wenige begeisterte Unterstützer. Prominente Politiker sowohl der Demokraten als auch der Republikaner fordern die Einhaltung des Zeitplans zum Abzug der US-Truppen bis Ende 2014 - wenn nicht noch früher.

+++ US-Soldat tötet bei Amoklauf auch Kinder und Frauen +++

Obama versprach den Afghanen eine schnelle Aufklärung und eine Bestrafung des Täters. Erst kürzlich waren sechs US-Soldaten getötet worden, nachdem bekannt geworden war, dass auf einem US-Stützpunkt Koranexemplare verbrannt worden waren.

Außenministerin Hillary Clinton versprach am Montag in New York, ihre Regierung werde alles tun, den Soldaten, der am Wochenende 16 Zivilisten getötet hatte, zur Verantwortung zu ziehen. „Es ist furchtbar. Grauenhaft. Ich kann mir die Trauer der Familien nicht einmal vorstellen.“

Ungeachtet des Blutbads bleibe es aber weiterhin Ziel der USA, das Terrornetzwerk Al-Kaida zu besiegen, stellte das Weiße Haus klar. Die USA wollten auch an ihren Plänen festhalten und bis Ende 2014 ihre Truppen abziehen, sagte Regierungssprecher Jay Carney.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonierte vom Bundeswehr-Feldlager in Masar-i-Scharif mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Sie sprach ihm ihr persönliches Beileid und das der deutschen Bevölkerung wegen der „schrecklichen Tat des US-Soldaten“ aus.

Das Parlament in Kabul warnte die internationalen Soldaten scharf. „Die Toleranzgrenze des afghanischen Volkes ist erreicht“, hieß es am Montag in einer Mitteilung des Unterhauses (Wolesi Dschirga). Darin wurde die US-Regierung aufgefordert, „die Täter sobald wie möglich in einem öffentlichen Gericht in Afghanistan unter Beteiligung des afghanischen Volkes zu bestrafen“. All jenen solle eine Lektion erteilt werden, „die das Blut von Afghanen unter irgendeinem Vorwand vergießen“. Die radikal-islamischen Taliban kündigten Vergeltung für das Massaker an.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) warnte davor, die gesamte internationale Schutztruppe Isaf für den Amoklauf des US-Soldaten in Haftung zu nehmen. „Der Vorgang ist so grauenhaft, so außergewöhnlich brutal und schockierend, dass alleine deswegen das als Einzelfall anzusehen ist“, sagte er am Montag auf dem Weg nach Usbekistan. „Ich hoffe nicht, dass es zu einer Eskalation der Lage beiträgt.“

Merkel sagte, Karsai habe in dem Telefonat „noch einmal betont, dass die Leistung der deutschen Soldaten im Rahmen von Isaf außerordentlich geschätzt wird“. Das gelte besonders in der Kombination mit dem zivilen Wiederaufbau. Karsai habe sie gebeten, „das den deutschen Soldaten hier auszurichten“.

Die "New York Times" zitierte Dorfbewohner, die sagten, der Unteroffizier sei von Tür zu Tür gegangen und in drei verschiedene Häuser eingedrungen. Dort habe er seine Opfer getötet und mehrere der Leichen verbrannt, darunter auch die von vier Mädchen im Alter von unter sechs Jahren. Der Unteroffizier sei von seiner Basis im Unruhedistrikt Pandschwai aus mehr als eine Meile (1,6 Kilometer) weit zum Tatort gelaufen. Der mutmaßliche Einzeltäter ist ein 38-jähriger Feldwebel, der verheiratet sei und zwei Kinder habe. Er sei seit Dezember in seinem ersten Afghanistan-Einsatz. Zuvor sei er dreimal im Irak stationiert gewesen. (abendblatt.de/dpa)