Hamburg/Kabul. Ausgerechnet am Abend vor dem Weltfrauentag hat der afghanische Präsident Hamid Karsai Rückendeckung für einen "Verhaltenskodex" für Frauen erteilt, der die Lage der Afghaninnen weit hinter die Fortschritte der letzten Jahre zurückwerfen dürfte.

Der Kodex war vom mächtigen Religionsrat (Ulema), dem 150 führende muslimische Geistliche angehören, in der vergangenen Woche formuliert worden. Darin heißt es: "Männer sind von fundamentaler Bedeutung, und Frauen sind zweitrangig." Nach der Erklärung, die auch auf Karsais Website veröffentlicht wurde, ist es Frauen künftig verboten, gemeinsam mit Männern zu arbeiten. Frauen müssen demnach einen männlichen Begleiter haben, wenn sie das Haus verlassen wollen. Den Männern ist zudem das Schlagen ihrer Frauen erlaubt, sofern es mit den religiösen Bestimmungen der Scharia in Einklang steht.

Der Erlass des Religionsrates erinnert an die Tyrannei der radikalislamischen Taliban, deren Herrschaft 2001 von den US-Truppen beendet worden war. Nach der Vertreibung der Taliban waren viele Frauen in Berufe zurückgekehrt, Mädchen konnten wieder zur Schule gehen - was die Militanten ebenfalls verboten hatten. Die Taliban hatten gegen Frauen, die ihre rigiden Verbote - auch von Musik, Film und Tanz - ignorierten, brutale Strafen verhängt und viele getötet.

Seitdem die Taliban wieder auf dem Vormarsch sind und die westlichen Armeen ihren Rückzug angekündigt haben, kommt Präsident Karsai den Radikalen im Land immer weiter entgegen. Er erklärte in Kabul, der von ihm nun abgesegnete Kodex lege den Frauen "keinerlei Beschränkungen" auf.

Eine Kommentatorin der Londoner Zeitung "The Independent" wies darauf hin, dass Karsai seine Entscheidung am selben Tag bekannt gegeben habe, als sechs weitere britische Soldaten in der Provinz Helmand ums Leben gekommen seien. Es stelle sich nun die Frage, warum britische Soldaten eigentlich ihr Leben für eine afghanische Regierung aufs Spiel setzen sollten, die den Ausverkauf jener Werte betreibe, für die die Briten am Hindukusch kämpften. Das kanadische Außenministerium erklärte, der Vorgang erfülle Kanada mit "ernster Besorgnis". Die Regierung in Kabul solle sicherstellen, dass der Gleichstellungsgrundsatz in der afghanischen Verfassung geschützt werde.